Seit Anfang 2023 gibt es in Sachsen das Chancenaufenthaltsrecht, mit dem langjährig geduldete Menschen, mit dem sie eine Chancen-Aufenthaltserlaubnis für 18 Monate bekommen können, innerhalb derer sie die Bedingungen für ein Daueraufenthaltsrecht schaffen können. Doch Sachsens Ausländerbehörden arbeiten viel zu langsam. Und das Innenministerium hat nur lückenhafte Zahlen.

Bis Ende 2023 wurden in Sachsen mindestens 4.755 Anträge auf eine Aufenthaltserlaubnis nach §104c Aufenthaltsgesetz – den „Chancenaufenthalt“ – gestellt. Das zeigen zwei Kleine Anfragen von Juliane Nagel, Sprecherin für Migrations- und Asylpolitik der Linksfraktion (Drucksache 7/13830 für das 1. Halbjahr und Drucksache 7/15395 für das zweite Halbjahr) sowie eine Nachmeldung der Stadt Leipzig.

Somit hat bisher knapp die Hälfte der 10.338 in Sachsen Geduldeten den Chancenaufenthalt beantragt (Drucksache 7/15368). Die meisten Anträge verzeichneten die Kreisfreien Städte Leipzig (968) und Dresden (724), die wenigsten die Landkreise Görlitz (126) und Meißen (204). Allerdings ist die Datenbasis, die dem Innenministerium vorliegt, sehr lückenhaft, stellt Juliane Nagel fest.

Raus aus der Unsicherheit

„Es muss Schluss damit sein, dass gut integrierte Menschen rausgeworfen werden! Die Vernunft gebietet es, Zugewanderten einen sicheren Aufenthalt zu gewähren, die seit vielen Jahren unbescholten hier leben“, kommentiert die Landtagsabgeordnete der Linken die Zahlen aus dem Innenministerium. „Der Chancenaufenthalt ist der Ausweg aus der Unsicherheit und hinein in die Gesellschaft.

Wer ihn bekommt, soll schnellstens mittels Spracherwerb, Berufsqualifizierung und Erwerbsarbeit ein selbstbestimmtes Leben beginnen. Wer nur geduldet ist, bekommt oft weder einen Sprachkurs noch eine Wohnung, dafür aber Beschäftigungsverbot.“

Jedoch bearbeiten viele kommunale Ausländerbehörden die Anträge zu langsam.

Die Tabelle zeigt bearbeitete Anträge zum Chancenaufenthaltsrecht in Sachsen. Grafik: Linke Fraktion Sachsen
Bearbeitete Anträge zum Chancenaufenthaltsrecht in Sachsen. Grafik: Linke Fraktion Sachsen

„Es sind laut dem Innenministerium immer noch 1.428 Anträge unbearbeitet, fast ein Drittel der Betroffenen lebt also noch im Ungewissen“, kann Juliane Nagel feststellen. „Die Behörden müssen personell besser ausgestattet werden! Wer den Chancenaufenthalt bekommt, braucht zudem Unterstützung dabei, die Voraussetzungen für den dauerhaften Aufenthalt zu erarbeiten.

Nach 18 Monaten sind Sprachkenntnisse auf dem Niveau A2, Lebensunterhaltssicherung durch Erwerbstätigkeit und eine geklärte Identität nachzuweisen. Das erfordert ausreichend Sprachkurse sowie unbürokratische Wege in Ausbildung und Erwerbsarbeit.“

Außerdem müsse das Innenministerium allen Landkreisen ordentliche Zahlen abverlangen.

„Bisher ist der Innenminister nicht im Bilde“, sagt Nagel. „Von den mindestens 4.755 Anträgen 2023 sind den Angaben zufolge 1.842 bewilligt und 285 abgelehnt worden, allerdings werden nur 1.428 noch bearbeitet. Was ist mit den übrigen 1.200 Anträgen, Herr Schuster?“

Der Chancenaufenthalt: Hintergründe

Das Chancenaufenthaltsrecht gilt seit Anfang 2023 und gibt langjährig geduldeten Menschen eine Aufenthaltsperspektive. Laut dem Innenministerium haben etwa 5.000 bis 7.000 Menschen in Sachsen Anspruch auf eine Chancen-Aufenthaltserlaubnis für 18 Monate. In diesem Zeitraum müssen sie nachweisen, dass sie die Voraussetzungen für eine dauerhafte Bleibeberechtigung erfüllen.

Zu diesen zählen neben einer Duldung und einem mindestens fünfjährigen Aufenthalt das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie ein gesetzestreuer Lebenswandel.

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