Schöne neue Kontrollwelt. Niemandem gefällt sie besser als der sächsischen Polizei. Gefährliche Zonen lässt sie mit Kameras überwachsen, über Demonstrationen kreisen stundenlang die Hubschrauber und immer öfter setzt die Behörde auch Drohnen zur Überwachung ein. Demnach ließ die Polizei im vergangenen Jahr insgesamt 135 Mal unbemannte Fluggeräte über dem Freistaat aufsteigen – das war mehr als eine Verdreifachung gegenüber den 41 Einsätzen im Vorjahr.
Das ergaben zwei aktuelle Kleine Anfragen (Drucksachen 7/15376 und 7/15377) der Linksfraktion im Sächsischen Landtag. Und die Polizei schafft sich immer mehr dieser zur Observation geeigneten Fluggeräte an. Die Flottengröße hat sich in den vergangenen beiden Jahren fast verdoppelt, von noch einem Dutzend Geräten im Jahr 2021 auf nun 23 Stück mit einer Gesamtflugzeit von zuletzt 202 Stunden.
„Drohnen waren lange eher eine Ausnahme, inzwischen sind sie ein gewöhnliches Einsatzmittel geworden“, stellt Kerstin Köditz, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, fest. „Wie die detaillierte Fallauflistung zeigt, decken sie ein immer breiteres Einsatzspektrum ab, von der Überwachung des Verkehrsraums und von Musik-Festivals über verdeckte Beobachtungen und die Begleitung von Festnahmen bis hin zur Tatortarbeit. Dafür werden immer mehr Pilotinnen und Piloten ausgebildet, derzeit sind es 27.“
Gravierende Rechtslücken
Aber das ergibt einen Haufen Probleme für den Persönlichkeitsschutz. Was passiert mit den Aufnahmen? Wer hat darauf alles Zugriff? Für welche Ermittlungen sind sie überhaupt zulässig? Oder nutzt Sachsens Polizei hier einfach ein Graufeld, in dem sie ihre Überwachungsbefugnisse einfach ohne Rechtsgrundlage immer mehr ausweitet?
Das Problem aus Sicht von Kerstin Köditz: „Je mehr Drohnen zum Polizei-Standard werden, desto klarer muss nach unserer Einschätzung der Einsatzrahmen geregelt sein. Hier gibt es gravierende Lücken, etwa wenn Gäste bei Großveranstaltungen darüber informiert werden müssten, dass sie gerade aus der Luft gefilmt werden. Doch einen üblichen Weg dafür gibt es bis heute nicht. Wie der zuständige Innenminister mitteilt, werden Betroffene ‚anlassbezogen in unterschiedlicher Weise‘ informiert – erfahren davon also womöglich gar nicht.“
Auffällig sei eben auch, dass Drohnen in jüngster Zeit gehäuft im Rahmen von Fußballspielen eingesetzt werden. Waren 2022 nur zwei Partien aus der Luft beobachtet worden, geschah das 2023 bereits bei zehn Spielen.
Und das betrifft, keineswegs erstaunlicherweise, zwei ganz bestimmte Fußballclubs in Leipzig, wie die sportpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Marika Tändler-Walenta, feststellen kann: „Am häufigsten geht es um Partien von BSG Chemie Leipzig und FC Lokomotive Leipzig, im Fokus stehen offensichtlich die Fanszenen der Vereine. Bei fünf solcher Spiele wurden nicht nur Übersichtsaufnahmen übertragen, um den Einsatz zu lenken, sondern auch Fotos und Videos aufgenommen und gespeichert.
Es handelt sich um Überwachungsmaßnahmen, in die praktisch alle Anwesenden hineingeraten können, also auch die vielen unbescholtenen Fans. Bereits eine frühere Kleine Anfrage hatte gezeigt, dass sie wiederholt nicht über einen Drohneneinsatz informiert worden sind (Drucksache 7/12877).“
Hinzu kommt für sie das automatisch steigende Unfallrisiko, wenn immer häufiger Drohnen über großen Menschenmengen schweben.
„Ein Absturz könnte fatale Folgen haben. Trotz dieser Gefahr gibt es bis heute keine speziellen Regelungen zum Drohneneinsatz etwa bei Sportveranstaltungen – und damit auch keine Vorkehrungen, um Risiken zu begrenzen“, so Tändler-Walenta. „Auch hier ist der Innenminister in der Pflicht, die Verhältnismäßigkeit herzustellen.“
Millionen für die Luftüberwachung
Tatsachen geschaffen hat der Innenminister stattdessen in einem anderen Bereich. So wurde der im vergangenen Jahr angekündigte Aufbau einer „Drohnenabwehr“ inzwischen umgesetzt, wie eine weitere Kleine Anfrage zeigt (Drucksache 7/15352).
„Mehr als 1,5 Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr für den Aufbau der sogenannten Drohnenabwehr ausgegeben.“ Absurd aus Sicht von Juliane Nagel, die inzwischen ganz offiziell drohnenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag ist: „Die Kosten für dieses Projekt sind auf den Cent genau – nicht angegeben wird, um welche Art von Technologie es sich handelt.
Bei den Polizei-eigenen Drohnen ist es genau umgekehrt: Der Minister listet Hersteller und Modellbezeichnungen auf, verweigert aber wie schon sein Amtsvorgänger alle Angaben darüber, was sie den Freistaat kosten, angeblich aus ‚vertragsrechtlichen‘ Gründen.
Was die teure Drohnenabwehr betrifft, ist deren Nutzen bislang mehr als fraglich. Zwar stieg die Zahl von Straftaten, bei denen Drohnen zum Einsatz kamen, zuletzt von 19 auf 37 an. Allerdings gibt es keine Hinweise, dass auch nur einer dieser Fälle mittels Drohnenabwehr hätte verhindert werden können. Mit Schwerkriminalität oder gar Terrorismus hatten die Taten durchweg nichts zu tun.“
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