Ministerprรคsident eines Freistaates zu sein ist scheinbare eine riesige Aufgabe, man steht ja in der Tradition von Gott gesalbter Fรผrsten und Kรถnige, deren Salbung auch zu Allwissenheit fรผhrte. Ausnahme ist der Thรผringer Ministerprรคsident, der ist aber auch ein bรถser Linker, der nicht an die Wirksamkeit des mit der Salbung verbundenen Segens glaubt. So steht in der Stellenbeschreibung fรผr das Amt, zumindest in Bayern und Sachsen: die Verpflichtung, mindestens wรถchentlich einen Joke rauszuhauen.

Michael Kretschmer nimmt das ernst: War es vorletzte Woche noch der โ€žvorlรคufige Verzicht der Erreichbarkeit einiger Gebieteโ€œ als Weg zum Frieden fรผr die Ukraine, so ist es in dieser Woche der 8-Stunden-Tag als Garant fรผr unseren Wohlstand. Das ist keine neue Aussage von Michael Kretschmer.

Bereits im Juli 2023 meinte er: โ€žWรผrde jeder Erwerbstรคtige in Deutschland nur eine Stunde pro Woche lรคnger arbeiten, wรผrde sich ein groรŸes Potenzial fรผr die Bekรคmpfung des Fachkrรคftemangels ergebenโ€œ. Das entsprรคche ca. 1,8 Millionen Arbeits- bzw. Fachkrรคften.

Die Milchmรคdchenrechnung liegt auf der Hand. Nehmen wir mit der Pflege eine Branche, die unter anhaltendem Fachkrรคftemangel leidet. Wenn auf einer Station im Krankenhaus fรผr jede Schicht fรผnf Pflegekrรคfte benรถtigt werden, dann hilft es bei einer Besetzung mit drei Krรคften pro Schicht โ€“ das ist dieser Fachkrรคftemangel โ€“ wenig, wenn diese neun statt acht Stunden arbeiten.

Natรผrlich wird damit fรผr eine Stunde pro Schicht, da sind dann sechs Arbeitskrรคfte anwesend, eine Normal- bzw. รœberbelegung simuliert. Aber nach 14 Tagen sind alle nicht mehr arbeitsfรคhig.

Am FlieรŸband bei Porsche, im Drei-Schicht-Betrieb, sind dann immer eine Stunde lang zwei Arbeitskrรคfte an einem Arbeitsplatz anwesend. Der Schรถnheitsfehler ist, dass nur einer arbeiten kann. Na gut, derjenige, der Schichtende hat, kann ja die eine Stunde als Verkรคufer beim Bรคcker arbeiten, dort herrscht ja auch Mangel.

Fetisch 8-Stunden-Tag

Diese Woche macht Michael Kretschmer eine Knallhart-Ansage fรผr Teilzeit-Arbeiter.

Nachdem er bereits am zweiten Weihnachtsfeiertag die junge Generation vor dieser Teilzeitarbeit gewarnt hatte und meinte: โ€žWir sollten der jungen Generation vermitteln, dass man eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden brauchtโ€œ, will er jetzt an das Teilzeit- und Befristungsgesetz ran.

Der Ministerprรคsident weiรŸ natรผrlich genau, wen er da anspricht. Er spricht die Wรคhlergeneration der Rentner an, also die, die in der DDR noch 8,75 Stunden am Tag gearbeitet haben. Diese bringen oft wenig Verstรคndnis fรผr die Forderungen der jungen Generation nach mehr Freizeit auf und wรคhlen gewohnheitsmรครŸig CDU, meint er.

Die scheinbar soziale Aussage โ€žEs kann nicht sein, dass diejenigen, die hohe Einkommen und einen sicheren Job haben, Teilzeit arbeiten, und die Menschen mit kleinem Einkommen und unsicheren Jobs, 40 Stunden und mehrโ€œ, geht auch zu groรŸen Teilen am Thema vorbei.

Ja, es gibt Menschen, die mit einem sicheren Job und hohem Gehalt auf mehr Geld zugunsten von mehr Freizeit verzichten. Es gibt aber ebenso Unternehmen, die (ganz kapitalistisch) Arbeitsbedingungen geschaffen haben, unter denen ein Sechs-Stunden-Arbeitstag oder eine Vier-Tage-Arbeitswoche bei gutem Verdienst mรถglich sind, ohne den Profit des Unternehmens zu schmรคlern.

Der zweite Teil der Aussage, der mit den โ€žkleinen Einkommenโ€œ, zeigt nur das Problem des ausufernden Niedriglohnsektors.

Was kรถnnte ein Ministerprรคsident tun?

In seinem eigenen Verantwortungsbereich kรถnnte Michael Kretschmer viel tun. Er kรถnnte, gemeinsam mit Stรคdten und Gemeinden, die Digitalisierung in der Verwaltung mit sinnvollen MaรŸnahmen vorantreiben.
Wenn es weniger Menschen in Landes- und Kommunalverwaltungen gรคbe, die hรคndisch Daten von einer pdf-Datei in eine Exel-Tabelle รผbertragen mรผssen, weniger Menschen, die Daten zum Transfer an ein anderes Amt โ€žaufbereitenโ€œ (vulgo ausdrucken) mรผssen und somit auch weniger, die diese dann wieder hรคndisch in inkompatible Systeme โ€žeinpflegenโ€œ mรผssen, wรคre viel gewonnen.

Wenn dann noch Bรผrgerinnen und Bรผrger wirklich online mit den Verwaltungen kommunizieren kรถnnten und nicht auf Vor-Ort-Termine angewiesen wรคren, dann stรผnde auch einem Sechs-Stunden-Arbeitstag in den Verwaltungen nicht viel im Wege. Es wรคre auch eine MaรŸnahme gegen den Fachkrรคftemangel in denselben.

Aber โ€žKnallhart-Ansagenโ€œ sind ja einfacher.

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