Nicht nur mit Forderungen nach Leistungskürzungen für Asylbewerber gehen konservative Politiker derzeit auf Stimmenfang. Sie verlangen auch verstärkte Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber. Immer wieder mit der – falschen – Begründung, dass die ankommenden Flüchtlinge die Aufnahmekapazitäten in Deutschland überfordern. Was schlicht nicht stimmt. Auch in Sachsen nicht, wo sich Ministerpräsident Michael Kretschmer mit solchen Argumenten immer öfter positioniert.
So wie im ZDF-Morgenmagazin, wo er „Kürzung der Sozialleistungen, eine drastische Reduzierung des Familiennachzugs, Grenzkontrollen sowie Abschiebungen“ forderte, lauter Abschreckungsinstrumente, die am Problem nichts ändern, dass immer mehr Menschen weltweit auf der Flucht sind.
Wovon übrigens auch die Hauptherkunftsländer erzählen, aus denen die Menschen kommen, die in Sachsen Asyl beantragen. Haupt-Herkunftsländer bleiben Syrien, Venezuela, die Türkei und Afghanistan.
Die asylpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Juliane Nagel, hat die Zahlen bei der sächsischen Regierung erfragt (Drucksache 7/14623).
„Das Thema Migration muss ehrlich und besonnen diskutiert werden. Nach drei Quartalen ist der Endstand des Vorjahres fast erreicht und eine Steigerung absehbar. Von einer Explosion der Zugangszahlen kann indes keine Rede sein“, sagt die Leipziger Landtagsabgeordnete.
„Mit mehr Hilfe vom Freistaat können die Kommunen auch in diesem Jahr die Aufgabe bewältigen, schutzsuchende Menschen anständig zu behandeln und unterzubringen. Wege in die Gesellschaft müssen so früh wie möglich eröffnet werden, vor allem über Arbeit. Niemand soll monatelang untätig herumsitzen müssen.“
Ein starres Verteilsystem
Nach Angaben der Staatsregierung kamen in den ersten drei Quartalen des Jahres 2023 insgesamt 18.255 geflüchtete Menschen in Sachsen an, wie Juliane Nagel auf ihre Anfrage für das erste Halbjahr 2023 (Drucksache 7/13819) erfuhr. Davon verblieben 10.953 in der Zuständigkeit des Freistaates, mehr als 7.000 weitere Menschen sind bundesweit weiterverteilt worden oder weitergewandert.
Zum Vergleich: 2022 wurden insgesamt 18.474 Menschen aufgenommen, davon verblieben knapp 12.000 in der Zuständigkeit Sachsens (Drucksache 7/12004).
Sachsens Regierung tut oft so, als wäre Zuwanderung ein rein bürokratisches Problem, das man mit strengeren Vorschriften lösen könnte.
„Die wöchentlichen Meldungen der Bundespolizei über die Ankunft zahlreicher Menschen sind nur ein kleiner Teil des Gesamtbildes, denn viele Asylsuchende werden aus Sachsen weiterverteilt. Die Aufnahme von Geflüchteten ist eine gesamtdeutsche Aufgabe, die mit der Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel kollektiv geregelt wird. Dieses starre Verteilsystem lässt allerdings Integrationschancen und Netzwerke der Geflüchteten außer Acht“, stellt Juliane Nagel fest.
„Andere Verfahren sollten dafür sorgen, dass sie sich dort ansiedeln, wo sie die besten Chancen auf Integration, Ausbildung und Arbeitsaufnahme haben. Auch die Communities der Ankommenden leisten einen außerordentlichen Beitrag für ein gutes Ankommen und für Integration.“
Und sie benennt das eigentliche Problem, das nämlich dort entsteht, wo die Asylsuchenden am Ende landen: in den Kommunen.
„Nötig sind ehrliche Zahlen, der Fokus auf schnelle Teilhabemöglichkeiten sowie mehr Unterstützung für die Kommunen und Strukturen, die sich um Unterbringung, Bildung und Versorgung der Schutzsuchenden kümmern. Das muss im Mittelpunkt stehen und nicht eine Spirale der Asylrechtsverschärfungen, Sanktionen und Abschottung“, so die Landtagsabgeordnete. „Solche Scheinlösungen vergiften das gesellschaftliche Klima und helfen am Ende nur der extremen Rechten.“
Kommunen bleiben auf den Kosten sitzen
Das Problem aber ist: Sowohl der Bund als auch das Land halten sich sichtlich zurück bei der auskömmlichen Finanzierung der Asylunterbringung. Die Kommunen bleiben zunehmend auf steigenden Kosten sitzen. Ihr Problem ist nicht die Unterbringung, sondern die Ausfinanzierung.
Worauf auch Städtetags-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy hinwies, als gerade wieder mit einer „verstärkten Rückführung“ von Asylbewerben in ihre Herkunftsländer das nächste (falsche) Heilsversprechen die Debatte bestimmte.
Nicht nur, dass es mit den meisten Herkunftsländern überhaupt keine Verträge solcher Art gibt. Es ist wieder mal nur eine Placebo-Lösung, die den Bürgern suggeriert, der Staat würde handeln, während er in Wirklichkeit genau dort nicht handelt, wo er tatsächlich Spielräume hat.
„Umso wichtiger ist für die Städte endlich ein dauerhaftes Finanzierungssystem für die Unterbringung, Versorgung und Integration von Geflüchteten, die auf Dauer hier bleiben oder auch mittelfristig nicht abgeschoben werden können“, brachte es Dedy auf den Punkt.
„Diese Finanzierung muss sich dynamisch den Flüchtlingszahlen anpassen und auch die Integration umfassen, damit der Druck auf die Städte tatsächlich sinkt und wir die Menschen ins Arbeitsleben und in Ausbildung bringen können. Hier müssen am 6. November bei der Ministerpräsidentenkonferenz ganz klare Ergebnisse stehen, wenn Bund und Länder wieder zusammensitzen. Alles andere wäre ein Armutszeugnis.“
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Sehr geehrter Herr Julke,
sie scheinen Daten zu haben, die den vielen vielen Bürgermeistern vor Ort, die über eine massive Überbelastung beklagen, nicht haben. Oder wie kommt sonst diese Aussage zustande?
“Nicht nur mit Forderungen nach Leistungskürzungen für Asylbewerber gehen konservative Politiker derzeit auf Stimmenfang. Sie verlangen auch verstärkte Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber.
Immer wieder mit der – falschen – Begründung, dass die ankommenden Flüchtlinge die Aufnahmekapazitäten in Deutschland überfordern. Was schlicht nicht stimmt.”
Was genau stimmt den da nicht?