Man sieht sie regelrecht vor sich sitzen, die schwäbische Hausfrau am sächsischen Küchentisch, wie sie leise in ihr Taschentuch weint und für die Zukunft ganz Schreckliches befürchtet, weil das Geld vielleicht nicht reichen könnte. Am Freitag, dem 27. Oktober war es wieder so weit, als Sachsen Finanzminister Hartmut Vorjohann die Ergebnisse der neuesten Steuerschätzung für Sachsen benannte. Und an Tränen nicht sparte.

Der sächsische Staatshaushalt kann im Ergebnis der Oktober-Steuerschätzung mit Steuereinnahmen in Höhe von gut 18,4 Milliarden Euro im Jahr 2023 und knapp 19,6 Milliarden Euro im Jahr 2024 rechnen, meldete das sächsische Finanzministerium.

„Gegenüber der Mai-Steuerschätzung zeigen sich die Prognosen damit zwar leicht verbessert, allerdings liegen die Einnahmeerwartungen in Summe weiterhin unter den Planungsgrundlagen für den Doppelhaushalt der Jahre 2023 und 2024“, fasst das Ministerium seine Hausfrauen-Ängste zusammen. Gegenüber dem Haushaltsplan würden nun Mindereinnahmen für das laufende Jahr in Höhe von gut 330 Millionen Euro erwartet, für das kommende Jahr Mehreinnahmen von knapp 70 Millionen Euro.

Auch für die Jahre ab 2025 ergeben sich nur geringe Verbesserungen gegenüber der letzten Steuerschätzung.

Finanzminister Hartmut Vorjohann.
Finanzminister Hartmut Vorjohann. Foto: SMF/Jo Zeitler Photographie, Dresden

„Die wirtschaftliche Lage hat sich in den vergangenen Monaten kontinuierlich eingetrübt. Es ist vor allem die hohe Inflation, die aktuell für etwas höhere Einnahmeerwartungen im Vergleich zur Mai-Steuerschätzung sorgt“, äußert Finanzminister Hartmut Vorjohann seine Besorgnis.

„Da die Steuereinnahmen des Freistaates im Jahr 2023 gegenüber dem Haushaltsplan dennoch deutlich im Minus liegen, sind auch weiterhin Bewirtschaftungsmaßnahmen nicht ausgeschlossen. Den geringfügigen Mehreinnahmen ab dem kommenden Jahr stehen allein schon die Tarifforderungen der Gewerkschaften gegenüber, die unseren Haushalt jährlich mit rund einer Milliarde Euro belasten würden.

Durch hohe Vorbindungen aus schon beschlossenen Maßnahmen zeichnen sich zudem weitere große haushälterische Deckungslücken für die Jahre ab 2025 ab. Die Steuerschätzung eröffnet keine neuen Spielräume.“

In bewährter Manier setzte Vorjohann gleich noch einen drauf: „Gestiegene Zinsen, Konsumzurückhaltung und Unsicherheiten belasten die wirtschaftliche Entwicklung. Die wesentlichen Indikatoren haben sich spürbar eingetrübt, die realen Wachstumsprognosen für das laufende und das kommende Jahr wurden abgesenkt. Neben dem Negativtrend bei den wirtschaftlichen Aussichten stellen jedoch steigende geopolitische Risiken einen wesentlichen Unsicherheitsfaktor für die öffentlichen Haushalte dar, welche die Steuerschätzung nicht berücksichtigt.“

Mit Schwarzmalerei wird in Sachsen Finanzpolitik gemacht.

Kritik vom Koalitionspartner SPD

Aber die düstere Sicht des Finanzministers kann Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Fraktion und Sprecher für Haushalt und Finanzen, so nicht teilen.

„Wenn man sich die Ansätze des aktuellen Haushaltes anschaut, sind die Spielräume kleiner als in den letzten Jahren. Aber die Lage ist bei weitem nicht so ernst, wie manche sie darstellen. Die Steuereinnahmen sind so hoch wie nie – und sogar deutlich höher, als wir es vor Corona erwartet haben. Das sollte man bei allen Diskussionen um den Staatshaushalt nie vergessen“, sagt Panter.

Im Jahr 2019 hat der Freistaat Steuereinnahmen von 15,4 Milliarden Euro gehabt. Für 2024 wurden damals 18,3 Milliarden Euro prognostiziert. Tatsächlich rechnet der Finanzminister nun mit 19,6 Milliarden. Das sind 27 Prozent mehr als 2019, und 7 Prozent mehr als prognostiziert.

Herr Dirk Panter vor seinem Abgeordnetenbüro. Foto: Hammermännchen
Dirk Panter vor seinem Abgeordnetenbüro. Foto: Hammermännchen

„Es gibt keinen Grund für Schwarzmalerei und Untergangsszenarien, und schon gar nicht für Bewirtschaftungsmaßnahmen“, sagt Panter. „Der Freistaat bleibt finanzstark und handlungsfähig. Das ist in diesen Zeiten auch bitter notwendig. Wir müssen in Krisen Sicherheit geben und klug in die Zukunft investieren.“

Im Regierungsentwurf hatte die sächsische Regierung für 2023 mit Steuern und steuerinduzierten Einnahmen in Höhe von 18,8 Milliarden Euro gerechnet, für 2024 mit 19,4 Milliarden. Die Prognose für 2023 nähert sich dem Wert also wieder an, die für 2024 liegt schon darüber.

Kritik vom Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen

Und auch die Grünen finden die Schwarzmalerei des Finanzministers nicht wirklich zielführend.

„Mit der jüngsten Steuerschätzung werden die Einnahmeerwartungen für den Freistaat und für unsere Kommunen gegenüber der Mai-Steuerschätzung wiederholt nach oben korrigiert. Es sieht besser aus, als einige erwartet haben. Das bestätigt, dass der Bund in der Krise, ausgelöst durch Russlands Angriff auf die Ukraine, die richtigen Maßnahmen getroffen hat und wir handlungsfähig bleiben“, kommentiert Franziska Schubert, Vorsitzende und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, die neuen Prognose-Zahlen.

„Darauf sollten wir uns aber in Sachsen nicht ausruhen. Wir stehen weiterhin in der Verantwortung, die Handlungsfähigkeit des Freistaates finanziell bestmöglich zu sichern. Das betrifft im Besonderen die Unterstützung der sächsischen Wirtschaft bei den vielen Veränderungsprozessen, die sie durchmachen.“

FRau Franziska Schubert. Foto: Sabine Eicker
Franziska Schubert. Foto: Sabine Eicker

Aber während der Finanzminister schon mal mit „Bewirtschaftung“ droht – also mit einem Ausgabestopp in verschiedenen Bereichen, erinnert Schubert daran, dass unterlassene Zukunftsinvestitionen noch viel teurer werden als alle Spareffekte nach Art der schwäbischen Hausfrau einbringen.

„De-Risking ist wichtig und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Das heißt, politisch dafür Sorge zu tragen, dass die Risiken, die mit den Veränderungen einhergehen, minimiert und nachhaltige Entscheidungen getroffen werden, um Stabilität zu sichern. Planbarkeit und Zuverlässigkeit sichern die Partnerschaft zwischen Politik und Wirtschaft ab und das müssen deshalb auch unsere Ziele sein“, mahnt die Grünen-Fraktionsvorsitzende an.

„Eine zuverlässige, bezahlbare Energieversorgung inklusive dafür notwendiger Infrastrukturen gehört da an erster Stelle dazu. In Sachsen ist es gelungen, die Weichen neu zu stellen für den Ausbau Erneuerbarer Energien – und der Bund arbeitet mit Hochdruck an der Infrastruktur für Wasserstoff, die auch Sachsen anschließen wird.“

Und dann geht sie direkt zur Kritik an der Finanzpolitik des CDU-Finanzministers über: „Es braucht dafür jedoch auch eine nachhaltig gedachte Finanzpolitik, die einen solchen Prozess verantwortungsvoll begleiten kann. Die sächsische Schuldenbremse sollte in der Lage sein, auf konjunkturelle Entwicklungen angemessen reagieren zu können. Aktuell ist das nicht möglich. Haushalte, Rücklagen, Daseinsvorsorge, Investitionen sind von der Wirtschaftsentwicklung aber nicht losgelöst.

Gerade die vergangenen Jahre haben gezeigt, wie gesellschaftlich wichtig und stabilisierend öffentliche Haushalte sein können. Auch die sächsische Schuldenbremse braucht eine Regelung, die auf Inflation und Konjunkturentwicklung reagieren kann – so wie es das Grundgesetz vorsieht. Auch das zählt zur Minderung von Risiken für den Standort Sachsen.“

Das Finanzministerium hat auch kurz berechnet, was die neue Steuerprognose für die Kommunen bedeutet: Die sächsischen Kommunen können im Ergebnis der Oktober-Steuerschätzung im Zeitraum 2023 und 2024 mit geringen Mehreinnahmen gegenüber der Mai-Schätzung rechnen. Im Jahr 2023 werden Einnahmen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro erwartet, im Jahr 2024 dann 4,7 Milliarden Euro. Auch für die Jahre ab 2025 steigen die kommunalen Einnahmeerwartungen nur leicht an.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar