Wenn Politiker selbst nicht wissen, ob der Weg richtig ist, lassen sie eben die Leute befragen. Und wundern sich dann gar nicht, dass die Leute genauso widersprüchlich ticken wie die sächsische Politik. Das belegt einmal mehr der neue „Lausitz-Monitor“, der vierte seiner Art, den das sächsische Regionalministerium am Donnerstag, 24. August, vorgelegt hat. Irgendwie stehen die Lausitzer den Zielen der Energiewende weiter positiv gegenüber. Hat ja noch Zeit.

Jedenfalls, wenn man Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) so zuhört, der nicht müde wird, zu betonen – wie am Tag der Oberlausitz am 21. August laut Sächsischer Zeitung –, dass Deutschland eine „CO2-Reduktion mit Vernunft“ brauche mit dem Verweis, dass Deutschland „nur“ zwei Prozent aller weltweiten Emissionen emittiere. Motto also: Sollen doch erst mal die Chinesen …

Obwohl alle Länder weltweit längst von den Folgen der Klimaerhitzung betroffen sind. Aber irgendwie will das auch den Lausitzern nicht so recht in die Köpfe.

Nur 49 Prozent für die Energiewende

So befürworten laut der repräsentativen Online-Befragung weiterhin 49 Prozent (2022: 44 Prozent) der Menschen in der Lausitz grundsätzlich die Ziele der Energiewende. Ein reichliches Drittel (36 Prozent) lehnt die Ziele der Energiewende ab, betont das Regionalministerium.

Der Blick in die Befragungsergebnisse zeigt, dass die Zustimmung 2021 mit 57 noch deutlich höher war. Aber dann kam ja bekanntlich der Überfall Russlands auf die Ukraine und das sächsische Herumeiern bei den Themen Gaslieferungen und Kohleausstieg. 84 Prozent der Befragten attestieren tatsächlich negative Einflüsse auf ihre Stimmung durch Ukraine-Krieg und Inflation.

Befürwortung des Kohleausstiegs im Vergleich Deutschland / Lausitz. Grafik: MAS Partners, Prozess Psychologen, SAS
Befürwortung des Kohleausstiegs im Vergleich Deutschland / Lausitz. Grafik: MAS Partners, Prozess Psychologen, SAS

„Unverändert hoch sind die Zustimmungswerte für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Allen voran steht der Ausbau der Solarenergie mit 87 Prozent Befürwortern. Aber auch Erdwärme (76 Prozent), Bioenergie (74 Prozent) und grüner Wasserstoff (68 Prozent) werden von vielen Menschen unterstützt. Der Ausbau von Windenergie wird von zwei Dritteln der Menschen in der Lausitz (66 Prozent) befürwortet“, stellt das Regionalministerium fest.

Was im Grunde der ersten Aussage widerspricht, denn diese Zustimmungswerte sind seit 2021 unverändert hoch.

Das Mantra vom (späten) Kohleausstieg

Und dann kommt das Lieblingsthema des sächsischen Ministerpräsidenten, der mantraartig behauptet, das Zieljahr für den Kohleausstieg sei Gesetz. Und nicht nur  ein vereinbartes Enddatum. Kein Kohlekonzern ist verpflichtet, bis 2038 zu feuern.

Und so formuliert auch das Regionalministerium: „Sehr klar wird ein Vorziehen des Kohleausstiegs von den Menschen in der Region abgelehnt. Gegen ein Vorziehen des Ausstiegs auf das Jahr 2030 votieren mehr als zwei Drittel der Befragten (68 Prozent), dafür ungefähr jeder Fünfte (21 Prozent). Wie schon im letzten Lausitz-Monitor sprechen sich etwas mehr Lausitzerinnen und Lausitzer gegen (46 Prozent) als für (42 Prozent) den Kohleausstieg bis zum Jahr 2038 aus.“

Wobei der deutliche Unterschied zu einer deutschlandweiten Umfrage (siehe oben), wo sich 43 Prozent für ein Vorziehen des Kohleausstiegs aussprachen, der ist, dass der Kohlebergbau in der Lausitz eng mit den gut bezahlten Jobs in der Kohle verbunden ist. Ergebnis: Außerhalb der Kohle werden teils deutlich niedrigere Löhne gezahlt. Weshalb nur 28 Prozent der Befragten die Löhne in der Lausitz attraktiv finden.

Die Aussagen zu Standortqualitäten in der Lausitz. Grafik: MAS Partners, Prozess Psychologen, SAS
Die Aussagen zu Standortqualitäten in der Lausitz. Grafik: MAS Partners, Prozess Psychologen, SAS

Und dazu kommt die Feststellung, dass nur 28 Prozent die Lausitz auch als attraktive Wirtschaftsregion sehen. 68 Prozent empfinden es wenigstens als eine gute Urlaubsregion.

Wo bleibt der Strukturwandel?

Und dann wurden die Lausitzer auch noch zum Strukturwandel befragt.

„Viele Menschen in der Lausitz erachten Strukturwandel nach wie vor als notwendig“, meint das Regionalministerium. „Unverändert hoch ist mit 65 Prozent der Anteil derjenigen, die einen Strukturwandel in der Region für notwendig halten.“ Eine Aussage, die einerseits verblüfft, andererseits sehr viel aussagt über die sächsische Regierung, die mit dem Strukturwandel selbst hadert. Und den Sachsen lieber einredet, man könne noch ein bisschen Kohle verfeuern, bis sich das Land gründlich ändern muss.

Dass genau das die Wettbewerbsfähigkeit des Landes untergräbt, ist den Ministeriellen scheinbar nicht bewusst. Dabei setzt auch eine andere Entwicklung die Lausitz längst unter Druck: „Als eine große Herausforderung für die Region nannten die Befragten auch das Thema Fachkräfte. So nehmen fast zwei Drittel der Beschäftigten (61 Prozent) bei ihrem Arbeitgeber einen starken Mangel an Fachkräften wahr.“

Da klingt es gar nicht gut, wenn die Zustimmung zum Topos „Die Lausitz ist eine attraktive Region zum Wohnen“ binnen eines Jahres von 62 Prozent Zustimmung auf 55 Prozent gefallen ist.

Auch wenn nicht nachgefragt wurde, warum das so ist.

Am Strukturwandel kann es nicht liegen, denn der beschäftigt bislang nur eine Minderheit der Lausitzer: „Bei der persönlichen Wahrnehmung des Strukturwandels ergibt sich ein differenziertes Bild. Bereits ein knappes Drittel der Menschen (30 Prozent) in der Region haben das Gefühl, dass der Strukturwandel eingesetzt hat. Jedoch nehmen nur 29 Prozent der Lausitzerinnen und Lausitzer den Prozess als schnell und 39 Prozent als transparent wahr. Das bedeutet, dass die Informationen rund um den Strukturwandel nicht nur intensiviert, sondern zielgruppengerecht transportiert werden müssen“, meint das Regionalministerium.

Als wenn es nur um Überzeugungsarbeit ginge und nicht darum, den Strukturwandel nicht immer wieder zu zerreden und zu suggerieren, man müsse nur lange genug an der Kohle festhalten. Als wäre der Kohleausstieg (oder der ebenfalls abgefragte Atomausstieg, mit dem Sachsen nun gar nichts zu tun hat) eine Entscheidung, die man an der Wahlurne treffen könnte. Motto: Wählt CDU, dann rauchen die Schlote bis 2038.

Als wenn das nicht eine ökonomische Frage wäre und eine gut ausgebaute alternative Energiewirtschaft nicht sogar zwingend dafür sorgen würde, dass das Kohleverbrennen unrentabel wird.

Völlig widersprüchlich freilich wird die Umfrage, wenn dieselbe Regierung, die beharrlich am späten Kohleausstieg festhält und das immer wieder laut äußert, sich dann darüber wundert, dass die Mehrheit der Lausitzer trotzdem „noch immer“ für die Energiewende ist. Das Problem wohnt also eigentlich nicht in der Lausitz, sondern regiert in Dresden.

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