Der Freistaat Sachsen ist keine Insel. Auch er steckt mitten im Klimawandel und im zunehmenden Artenverlust. Und daran sind nicht nur irgendwelche anderen Leute in China oder sonst wo schuld. Dazu tragen auch die Sachsen selbst bei, wenn sie Flächen versiegeln, Wiesen zubauen, neue Gewerbegebiete aus dem Boden stampfen, Autobahnen planen. Aber die Staatsregierung hat keine Idee, wie man das stoppen könnte. Das bestätigt das Regionalministerium ziemlich direkt und unverhüllt.

Da schon eine große Anfrage der Linken aus dem Jahr 2022 völlig unbefriedigend ausfiel, fragte der Landtagsabgeordnete der Grünen Thomas Löser jetzt noch einmal nach, welche Strategien gegen den Flächenverbrauch Sachsen eigentlich hat. Denn schon vor Jahren hatte selbst die Staatsregierung festgestellt, dass das ungebremste Zubauen von neuen, zuvor meist landwirtschaftlich genutzten Flächen, aufhören muss.

Lebensräume für Flora und Faune gehen verloren, wertvoller Boden wird zerstört, der ober- und unterirdische Wasserhaushalt wird in Mitleidenschaft gezogen usw. Selbst das Regionalministerium, das auf Lösers Anfrage antwortet, weiß, warum es so dringend ist, den Bodenverlust in Sachsen endlich zu bremsen.

Die Antwort auf die Große Anfrage der Linken zur Flächeninanspruchnahme von 2022.

Ziel für 2020 völlig verfehlt

„In Sachsen existierte ein eigenes, mit dem Ziel des Bundes korrespondierendes ‚Flächensparziel‘“, schreibt das Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie auf seiner Website zur Flächeninanspruchnahme in Sachsen. „Die Landesregierung hatte bereits im Jahr 2009 beschlossen, die Flächenneuinanspruchnahme im Freistaat Sachsen auf < 2,0 ha/Tag bis zum Jahr 2020 zu reduzieren. Das Ziel wurde nicht erreicht. Aktuell liegt die tatsächliche Flächenneuinanspruchnahme oberhalb dieses Zielwertes.“

Zwischen 2016 und 2021 lag „die tägliche Flächenneuinanspruchnahme mit zuletzt 3,6 Hektar pro Tag noch weit über dem Nachhaltigkeitszielwert der Landesregierung von < 2 Hektar pro Tag“, stellt das Landesamt fest.

Und das Regionalministerium teilt so ganz nebenbei mit, dass man das Ziel < 2 Hektar pro Tag jetzt für 2030 anpeilt. Man hat zwar keine Strategie, wie man das erreichen will. Aber vielleicht passieren ja noch ein paar Wunder.

Es klingt zwar wie eine Strategie von „Vermeiden, Mobilisieren und Revitalisieren“, die 2013 Bestandteil des Landesentwicklungsplans (LEP 2013) wurde.

Aber wie schwammig es dort formuliert ist, macht das Regionalministerium auch in seiner Antwort an Thomas Löser deutlich:

„Die Handlungsschwerpunkte sind im LEP 2013 unter dem Schwerpunkt ‚Effiziente Flächennutzung und Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme‘ aufgeführt. Mit dem Koalitionsvertrag wurde die Fortgeltung dieser Strategien im LEP 2013 als strategische Grundlage für die Landesentwicklung unterstrichen. Für das Erreichen des Ziels der Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme wird sowohl mit raumordnerischen Festlegungen des Landesentwicklungsplans 2013 sowie nachfolgend durch Festlegungen in den Regionalplänen ein Rahmen für die kommunal gefasste Bauleitplanung geschaffen.

Bauleitpläne sind nach § 1 Abs. 4 Baugesetzbuch den Zielen der Raumordnung anzupassen. Darüber hinaus werden Vermeidungs-, Mobilisierungs- und Revitalisierungsmaßnahmen in informellen Planungen von Kommunen (beispielsweise Integrierte Stadtentwicklungskonzepte) konzipiert und entfalten damit eine Selbstbindung. Damit fallen konkrete Maßnahmen in die kommunale Planungshoheit. Durch die Kommunen sind auch die Bedarfsprognosen für Wohnen und Gewerbe mit dem vorgegebenen Rahmen der Raumordnung in Einklang zu bringen.“

Die Antwort zur Anfrage von Thomas Löser (Grüne) „Strategien gegen den Flächenverbrauch in Sachsen“

Eine Strategie für Revitalisierung fehlt

Den Effekt sieht man oben: Es gibt keinen. Jede Kommune plant für sich allein. Eine übergeordnete Instanz, die für die Rückgewinnung naturnaher Flächen verantwortlich wäre, gibt es nicht.

Das beste Beispiel sind die beiden Großstädte, die ja bekanntlich inzwischen über einen angespannten Wohnungsmarkt verfügen und dringend weiter neue Wohnungen bauen müssen. Was nur mit weiterem Verlust wertvoller Bodenflächen zu haben ist – während es im Stadtgebiet praktisch keine „freien“ Flächen gibt, wo man Ausgleich dafür schaffen kann oder gar großflächig versiegelten Boden wieder revitalisieren kann.

Entwicklung der Bodenrichtwerte in Sachsen seit 2013. Grafik: Freistaat Sachsen
Entwicklung der Bodenrichtwerte in Sachsen seit 2013. Grafik: Freistaat Sachsen

In der Antwort auf die Große Anfrage der Linken 2022 lieferte das Regionalministerium auch eine Tabelle zur Entwicklung der Bodenrichtwerte für Wohnungsbau zum Referenzjahr 2013, in der vor allem Leipzig heraussticht, denn hier haben sich die Bodenrichtwerte in den vergangenen zehn Jahren mehr als verfünffacht. Mit 571 Euro/m² liegt Leipzig damit weit vor allen anderen Städten und Kreisen.

Aber genau das sorgt dafür, dass Boden vor allem als Investitions- und Spekulationsobjekt betrachtet wird und eben nicht als ein Refugium, das man möglichst naturbelassen lassen sollte. Und genau das Instrument, das das Regionalministerium als entscheidendes Instrument benennt, um den Flächenverlust zu bremsen, erweist sich deshalb als völlig zahnlos.

In der Antwort an Thomas Löser heißt es dazu: „Als Grundlage für raumordnerische Bewertungen werden raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen sowie Bauleitpläne im digitalen Raumordnungskataster erfasst. Darüber hinaus sind derzeit keine Maßnahmen geplant.“

Nur werden Bauleitplanungen eben nur innerhalb der Kommune erlassen. Manchmal sollen sie Bebauungen verhindern. Aber in der Regel sind sie nun einmal dazu da, Bebauung zu ermöglichen. Und zwar, ohne dass tatsächlich für alle Versiegelungen auch ein Ausgleich an anderer Stelle geschaffen werden kann.

Solange es also keine eigenständige sächsische Strategie zum Rückbau von Versiegelungen aller Art und zur Wiederherstellung natürlicher Lebensräume gibt, wird das Drama ungebremst weitergehen. Und dass auch in Leipzigs Verwaltung nicht begriffen wurde, dass das nun einmal auch den Verzicht auf manche neuen Bauprojekte bedeutet, machen die Pläne für die Bebauung des Nordufers des Zwenkauer Sees beispielhaft deutlich.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version des Beitrags schrieben wir, die Große Anfrage von 2022 sei von der Fraktion der Grünen gestellt worden. Doch tatsächlich wurde sie von der Linksfraktion im Sächsischen Landtag gestellt. Wir haben das korrigiert.

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