Der Sächsische Rechnungshof ist keine wirklich unabhängige Kontrollbehörde. Obgleich manche Medien in Sachsen gern so tun – wie die LVZ am 23. August, als sie aus dem zweiten Teil des Jahresberichts des Rechnungshofes kolportierte, ohne dass der überhaupt schon öffentlich vorliegt. Auch die darin kritisierten Institutionen konnten noch nicht Stellung nehmen. Aber in Sachsen ist Wahlkampf. Und der LVZ-Artikel war vollgepackt mit Munition gegen das SPD-geführte Sozialministerium.
Verblüffend ist es sowieso, dass ein solcher noch unfertiger Bericht des Sächsischen Rechnungshofes direkt an die Presse durchgestochen wurde. Da vermutete nicht nur Torsten Schreiter auf Twitter (das neuerdings X heißt) gegenüber der LVZ: „Da stellt sich mir allerdings die Frage, warum Sie das Papier zu einem Zeitpunkt öffentlich gemacht haben, als noch nicht einmal Köppings Ministerium dazu Stellung genommen hatte. In Ihrem Artikel gehen Sie insbesondere auf Vergaben des SMS an einen Verein ein, der der Ehefrau …“
Worauf der verantwortliche LVZ-Redakteur Kai Kollenberg erwiderte: „Der Rechnungshof hat den Umgang mit Steuergeld überprüft – wie es seine Aufgabe ist. Dabei hat er Punkte gefunden, die er kritisiert. Die Ergebnisse mögen einem persönlich nicht gefallen. Aber wer jetzt von politischer Agenda raunt, macht es sich zu einfach.“
Mutmaßungen über „korruptionsgefährdete Strukturen“
Welche Folgen der Frontalangriff gegen das SPD-geführte Sozialministerium hat, formulierte am 23. August Rico Gebhardt, der Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag: „Der Sächsische Landesrechnungshof ist nicht für eine laxe Prüfpraxis bekannt, weshalb die genannten Vorwürfe ernst zu nehmen sind. Wenn etwa schlechter als andere bewertete Projekte aber doch gefördert werden, wenn eine Person im Ministerium einem Verein, welchem er bis eben vorstand, Fördergelder bewilligt, dann sind das Dinge, die der Aufklärung bedürfen.
Ob hier von ‚korruptionsgefährdeten Strukturen‘ gesprochen werden muss, wie es der Rechnungshof tut, ob es, laut Generalstaatsanwaltschaft, keinen Anfangsverdacht gibt, das muss eine Offenlegung zeigen.
Diese offene und offensive Aufklärung hat insbesondere das Sozialministerium zu betreiben. Und da geht es um mehr als nur den eigenen Ruf, eine Ministerin oder einen Staatssekretär. Es werden nicht zuletzt diejenigen sein, denen das ganze ‚Humanitäts-Gedusel‘ gegen den Strich geht, die die Vorwürfe gegen das Sozialministerium nutzen werden, um weiter Stimmung zu machen gegen Menschen und Menschenrechte.“
Aber damit nimmt er die Argumentation des LVZ-Beitrags schon ernst, ohne dass dieser am Originalmaterial zu den tatsächlichen oder nur gemutmaßten Förderstrukturen im Sozialministerium überprüft werden könnte.
„Ein tendenzielles Prüfgespräch“
Dass einige Mutmaßungen an der tatsächlichen Sachlage gewaltig vorbeigehen, machte am 26. August Margit Weihnert, Landesvorsitzende der sächsischen Arbeiterwohlfahrt (AWO), deutlich: „Es ist für uns selbstverständlich, die dafür verwendeten öffentlichen Mittel ordnungsgemäß zu verwenden und transparent gegenüber den Kontrollinstanzen abzurechnen. Überrascht waren wir dennoch über den aktuellen Prüfvorgang des Sächsischen Landesrechnungshofes. Unserseits wurden bereits vor einem Jahr alle Belege und Nachweise fristgerecht dem Landesrechnungshof zur Verfügung gestellt.
Bei der abschließenden Vor-Ort-Prüfung ging es jedoch weniger um unsere Belege und Nachweise als vielmehr darum, Hintergründe der Vergabeentscheidungen zu hinterfragen. Es war für uns eher ein tendenzielles Prüfgespräch, welches inhaltlich eher auf die Prüfung des Sozialministeriums abzielte. Offensichtlich gab es auch andere Überlegungen als nur eine ordnungsgemäße Tiefenprüfung unserer Unterlagen.“
Und das geht augenscheinlich so weit, dass auch ziemlich wilde Behauptungen aufgestellt wurden, wie Weihnert feststellt: „Es ist schlecht recherchiert zu behaupten, dass mit öffentlichen Geldern Zugänge für queere Flüchtlinge zu Saunen finanziert worden sind. Das sind freie Leistungen von Unternehmen als Sponsoring gewesen. Es ist in den letzten Jahren häufig vorgekommen, dass die unterschiedlichsten Unternehmen mit eigenen Angeboten weitere Unterstützung leisteten. Zu behaupten, dass Saunagänge mit öffentlichen Mitteln finanziert worden, entspricht nicht den Tatsachen. Zudem sehen wir an den politischen Reaktionen, welch schweren Schaden solche falschen Vorwürfe in der öffentlichen Diskussion verursachen.“
Sie forderte den Landesrechnungshof dazu auf, alle Vorkommnisse, erhobenen Vorwürfe und Erkenntnisse vor der Veröffentlichung des Jahresberichtes genau zu prüfen und transparent zu kommunizieren.
Der Schaden in der öffentliche Debatte freilich wurde schon angerichtet.
„Erregung ersetzt Erkenntnis“
„Es ist nicht möglich, ernsthaft über den nichtöffentlichen Entwurf eines Prüfberichts, dessen endgültige Fassung noch vorgelegt werden muss, zu sprechen. Selbst aus diesem Entwurf sind lediglich einzelne Fakten bekannt. Der Gesamtumfang sowie die Schlussfolgerungen aus der Prüfung gehören nicht dazu. Wohl deshalb ersetzt die Erregung die Erkenntnis“, formuliert Sprecherin für Migrationspolitik der Linksfraktion im Landtag, Juliane Nagel, ihre Kritik.
Die Linksfraktion erwarte, eine möglichst schnelle Veröffentlichung der endgültigen Fassung des Prüfberichts, zu welchem das Sozialministerium detailliert Stellung nimmt, betonte sie. Erst wenn der Landtag den vollständigen Jahresbericht übergeben bekommen habe, könne man in Kenntnis der Sachlage darüber diskutieren.
„Bis dahin wäre deutlich weniger Erregung bei den Äußerungen über einen nichtbekannten Berichts-Entwurf der Sache angemessen“, stellt Juliane Nagel fest. „Die Rahmenbedingungen des in Rede stehenden Förderprogramms in der schwierigen gesellschaftlichen Lage der Jahre 2016 und 2017, in denen viele Geflüchtete ankamen und rassistische Anfeindungen auf der Tagesordnung waren, müssen berücksichtigt werden. Wenn diejenigen, die die Stimmung damals gegen Schutzsuchende aufheizten, aktuell wieder und weiter ‚empört‘ sind, ist Vorsicht geboten.“
Die Linksfraktion stehe nach wie vor zu einem Förderprogramm Integrative Maßnahmen. Und damit geht es direkt ins Jahr 2015, als deutlich mehr Geflüchtete auch nach Sachsen kamen, gleichzeitig aber auch die Ausländerfeinde im Land mobilisierten,
Die Einsetzung des Förderprogramms Integrative Maßnahmen 2015 war auch für die Linke ein wichtiger Schritt, „hatte doch die CDU Sachsen die Aufgabe von Integration und Teilhabe bis dahin missachtet. Dies zu beurteilen ist unsere politische Aufgabe, nicht die des Sächsischen Rechnungshofes“, stellt Nagel die Zuständigkeiten klar.
„Über die Jahre hat die Linksfraktion immer wieder Transparenz bzgl. der Fördermittelvergabe sowie die Installation eines Beirats gefordert. Wir begrüßen, dass nun die novellierte Förderrichtlinie unsere Vorschläge aufgreift.“
Veröffentlicht ist bislang nur der erste Teil des Jahresberichts des Rechnungshofs, in dem unter anderem eine sehr eigenartige Kritik der Kosten für den neuen Uni-Campus in Leipzig zu finden ist.
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