Kommunikation ist nicht unbedingt die Stรคrke einiger sรคchsischer Ministerien. Und sรคchsische Medien sind nur zu schnell dabei, daraus neue Missverstรคndnisse zu basteln, so wie der MDR in einer Nachricht im vergangenen Jahr, in dem der Sender behauptet haben muss, dass โ€žnach Ansicht der Staatsregierung in Sachsen kein angespannter Wohnungsmarkt nach ยง 201a BauGBโ€œ existiert. Was dann gerade in Leipzig fรผr Stirnrunzeln sorgte.

Immerhin hat die Stadt Leipzig am 10. September 2021 schon den Erlass einer Rechtsverordnung nach ยง 201a BauGB beantragt. โ€žEinige Instrumente des sogenannten Baulandmobilisierungsgesetzes finden nur in Gebieten Anwendung, die zuvor von der jeweiligen Landesregierung durch Rechtsverordnung nach ยง 201a BauGB als Gebiete mit angespannten Wohnungsmรคrkten bestimmt wurden.

Zu diesen Instrumenten zรคhlen das erweiterte Vorkaufsrecht, die erleichterte Abweichung von Festsetzungen eines geltenden Bebauungsplans, das erweiterte Baugebot und die Einschrรคnkung der Begrรผndung von Wohnungseigentum (Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen)โ€œ, stellte die Leipziger Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) im Herbst in einer Anfrage an die Stadt Leipzig fest.

Denn nach wie vor ist es unerklรคrlich, dass die Staatsregierung fรผr Leipzig keinen angespannten Wohnungsmarkt sehen will, obwohl es immer mehr Haushalten schwerfรคllt, รผberhaupt noch eine freie Wohnung zu finden.

Das Problem ist: Offiziell hat Leipzig noch keine Mitteilung bekommen, ob die Staatsregierung so gnรคdig ist, den angespannten Wohnungsmarkt fรผr die Messestadt รผberhaupt festzustellen.

Nur durch die Presse

โ€žDie Entscheidung wurde der Stadt Leipzig nicht vom Freistaat Sachsen mitgeteilt. Die Stadtverwaltung entnahm die Entscheidung ebenfalls der Presseโ€œ, erwiderte das Stadtplanungsamt noch Ende 2022 auf die Anfrage von Juliane Nagel. Und auf die Nachfrage โ€žWurde die Stadt in die Entscheidungsfindung durch eine Anhรถrung einbezogen?โ€œ gab es ein klares โ€žNeinโ€œ.

Die Antwort auf die Anfrage von Juliane Nagel zum angespannten Wohnungsmarkt an die Stadt Leipzig im Herbst 2022.

โ€žKann die Stadtverwaltung die Grรผnde fรผr die Ablehnung vor allem vor dem Hintergrund nachvollziehen, dass die im Wortlaut des ยง 556d BGB (Mietpreisbremse) genannten Bedingungen fรผr das Vorliegen angespannter Wohnungsmรคrkte als deckungsgleich mit denen des ยง 201a BauGB anzusehen sind und in Sachsen die Mietpreisbremse fรผr die Stadt Leipzig seit Juli 2022 gilt?โ€œ, wollte Juliane Nagel noch wissen.

Und bekam zur Antwort: โ€žNein, diese Entscheidung kann nicht nachvollzogen werden.โ€œ

Wie schwer es ist, mit dem zustรคndigen Regionalministerium in Dresden in Kontakt zu kommen, schilderte das Stadtplanungsamt so: โ€žAnfang Oktober 2022 erging ein weiteres Schreiben an das zustรคndige Sรคchsische Staatsministerium fรผr Regionalentwicklung (SMR) mit dem erneuten Ersuchen, die landesseitigen Voraussetzungen zur Einfรผhrung der Umwandlungsverordnung nach ยง 250 BauGB und der Rechtsverordnung fรผr Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt nach ยง 201a BauGB zu schaffen. Diesem Schreiben wurde ein umfangreiches Gutachten zum Umwandlungsgeschehen in Leipzig beigefรผgt, welches die Notwendigkeit des Erlasses beider Rechtsverordnungen deutlich ableitet.

Zudem wurde im Schreiben auf die Praxis anderer Bundeslรคnder hingewiesen, eine Verordnung nach ยง 201a BauGB auf Basis der Begrรผndung zum Erlass einer Verordnung ยง 556d Absatz 2 Satz 2 und 3 BGB (Mietpreisbremse) vorzunehmen. Zudem wurde ein Gesprรคchsangebot unterbreitet. Zu diesem Schreiben liegt bislang keine Reaktion des SMR vor. Eine erneute Rรผckfrage ist fรผr November 2022 vorgesehen.

รœber begrรผndete Schreiben oder Gesprรคche hinausgehende Handlungsmรถglichkeiten sind der Stadt Leipzig nicht gegeben, da die Verordnungsermรคchtigung den Landesparlamenten eingerรคumt wurde. Entsprechende Gesetzgebungsinitiativen mรผssen an den Sรคchsischen Landtag gerichtet werden.โ€œ

Was die Presse da verkรผndet hat, war wohl falsch

Die Monate vergingen. Nichts tat sich. AuรŸer dass die Behauptung nun im Raum stand, die Staatsregierung habe in Leipzig keinen angespannten Wohnungsmarkt festgestellt. (Die MDR-Meldung, die Juliane Nagel als Beispiel anfรผhrte, ist inzwischen gelรถscht.)

Also fragte Juliane Nagel auch noch im Landtag an, wo sie jetzt zumindest fรผr einen Teil des Rรคtsels eine Lรถsung bekam. Nur fรผr einen Teil.

Die Antwort auf die Nachfrage zum angespannten Wohnungsmarkt von Juliane Nagel im Landtag.

Lieber erklรคrte Regionalminister Thomas Schmidt der neugierigen Landtagsabgeordneten erst einmal: โ€žEs wird darauf hingewiesen, dass die in der Vorbemerkung der Fragestellerin angesprochene Prรผfung nicht mit dem Ergebnis abgeschlossen wurde, die Stadt Leipzig habe keinen angespannten Wohnungsmarkt. Es wurde lediglich festgestellt, dass in der Stadt Leipzig einige der durch den Bundesgesetzgeber vorgeschlagenen Indikatoren zur Feststellung eines angespannten Wohnungsmarktes nicht erfรผllt sind.โ€œ

Es wurde also geprรผft. Aber wo ist das Ergebnis?

Schmidt erklรคrt extra: โ€žDie Verordnungsermรคchtigung nach ยง 201a Baugesetzbuch (BauGB) ermรคchtigt die Landesregierungen, durch Rechtsverordnung Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt zu bestimmen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn 1. die Mieten deutlich stรคrker steigen als im bundesweiten Durchschnitt, 2. die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich รผbersteigt, 3. die Wohnbevรถlkerung wรคchst, ohne dass durch Neubautรคtigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder 4. geringer Leerstand bei groรŸer Nachfrage besteht.

Diese Voraussetzungen wurden fรผr die Stadt Leipzig geprรผft. Dabei wurde festgestellt, dass in der Stadt Leipzig die bundesgesetzlich vorgeschlagenen Indikatoren nach Nummer 1 und 2 nicht erfรผllt sind.โ€œ

Was wurde wirklich geprรผft?

Aber diese Punkte 1 und 2 werden insofern relativiert, als die Sรคchsische Mietpreisbegrenzungsverordnung konkretisiert: โ€žDie folgende Verordnungsbegrรผndung wird insofern von den in ยง 556d Absatz 2 Satz 3 BGB aufgezรคhlten mรถglichen Kriterien abweichen, als dass die unter Nummer 1 und Nummer 2 genannten Beurteilungskriterien nicht in Relation zu bundesweiten Durchschnittswerten in Bezug gesetzt werden, sondern zum landesweiten Median der jeweiligen Indikatoren.โ€œ

Woraus sich dann diese Indikatoren ergeben:

โ€žZur Feststellung derzeit angespannter Wohnungsmรคrkte im Freistaat Sachsen nach ยง 556d Absatz 2 Satz 3 BGB werden somit folgende Beurteilungskriterien (Indikatoren) bewertet:
1. Der Median der Angebotsmieten in der Gemeinde liegt รผber dem landesweiten Median der Angebotsmieten.
2. Der Median der Angebotsmieten der Gemeinde steigt deutlich stรคrker als der landesweite Median der Angebotsmieten.
3. Die Mietbelastung der Haushalte in der Gemeinde รผbersteigt den landesweiten Median der Mietbelastung deutlich.
4. Die Wohnbevรถlkerung wรคchst, ohne dass durch Neubautรคtigkeit in mindestens gleichem Umfang Wohnraum geschaffen wird.
5. Es besteht geringer Leerstand in Hรถhe von nicht mehr als vier Prozent bei groรŸer Nachfrage.โ€œ

Es steht im Text

Und dann darf man ruhig weiterscrollen in der am 31. Mai 2022 verkรผndeten Sรคchsischen Mietpreisbegrenzungsverordnung, die nicht nur die Indikatoren erlรคutert, sondern auch, wie sie anhand der existierenden Marktdaten auch รผberprรผft wurden.

Und siehe, da steht, was alle vermissen, weil man so eine Auskunft eigentlich nicht im Erlรคuterungstext einer Verordnung erwartet: โ€žIm Ergebnis der Einzelbeurteilung und der jeweiligen Gesamtschau wird besonders fรผr die Stadt Leipzig ein angespannter Wohnungsmarkt festgestellt, weil sich in der Gesamtbeurteilung der fรผnf Beurteilungskriterien abzeichnet, dass in der Stadt Leipzig die ausreichende Versorgung der Bevรถlkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefรคhrdet ist. Die jรคhrlichen Daten ergeben ein eindeutiges Ergebnis, da alle fรผnf Indikatoren fรผr die Stadt Leipzig erfรผllt sind.โ€œ

Womit es ganz offiziell schon im Mai 2022 erklรคrt wurde: Leipzig hat einen angespannten Wohnungsmarkt.

In Dresden sind ein paar Kriterien noch nicht erfรผllt. Aber auch die Landeshauptstadt Dresden hat inzwischen einen Antrag gestellt, wie Thomas Schmidt miteilt: โ€žDie Stadt Dresden hat mit Schreiben vom 23. Mai 2023 (Posteingang 30. Mai 2023) bekundet, dass die Ausweisung einer Umwandlungsverordnung nach ยง 250 BauGB fรผr das gesamte Stadtgebiet fรผr erforderlich gehalten wird. Dieses Schreiben wurde noch nicht beantwortet.โ€œ

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