Darauf haben eine Menge Kommunen, Unternehmen und Umweltverbände gewartet – zwei lange Jahre lang. Sachsens Kabinett hat nun am Dienstag, dem 4. Juli, endlich den Maßnahmenplan zum 2021 vorgelegten Energie- und Klimaprogramm (EKP 2021) verabschiedet. Er enthält 192 Vorhaben in neun Handlungsfeldern, mit denen das EKP 2021 konkretisiert wird. Entstanden ist ein 350 Seiten dickes Werk, das in vielen Punkten im Grunde beschreibt, was sowieso schon Regierungshandeln ist. Oder sein sollte.
Der Plan beschreibt die Maßnahmen, die seitens der Staatsregierung infolge des EKP 2021 umzusetzen sind und deren Kosten und Wirksamkeit abgeschätzt wurde, so das Umweltministerium zum vorgelegten Papier. Und betont auch: „Etwa drei Viertel der Maßnahmen wurden bereits begonnen. Das Programm wurde intensiv mit den Ressorts und der Fachöffentlichkeit beraten und kann auch weiterhin ergänzt werden. Zudem wird es ab 2024 in einem Monitoring fortlaufend auf Wirksamkeit geprüft. Mit der heutigen Kabinettsbefassung haben sich alle Ressorts und die Staatskanzlei nochmals zu den Zielen des EKP 2021 und zu deren Umsetzung bekannt.“
Der Paradigmenwechsel muss auch lokal passieren
Wobei es nicht nur um die Ministerien gehen dürfte. Denn umgesetzt werden müssen viele der Maßnahmen auf regionaler und kommunaler Ebene. Da nutzt auch die extra im SMEKUL eingerichtete Taskforce nichts, wenn sich die Regionalen Planungsverbände z. B. weiterhin sträuben, Vorranggebiete für Windkraftanlagen auszuweisen, obwohl alle wissen, dass der Wegfall der fossilen Stromerzeugung aus Braunkohle durch Windkraft und Fotovoltaik ersetzt werden muss. Da brauchen auch die Kommunen neue Wärmepläne und Energiekonzepte, nicht nur die Bürger und Unternehmen.
Bei einer klimafreundlichen Landwirtschaft geht nichts ohne Bauern, die den Ernst der Lage begreifen und ihre Feldstrukturen umbauen. Und auch beim Auenentwicklungsprogramm (das auch die Leipziger Elster-Aue betrifft) kommt das Umweltministerium keinen Schritt weiter, wenn Anliegerkommunen und Grundstücksbesitzer nicht mitspielen.
„Die Klimakrise, die steigende Nachfrage unserer Wirtschaft nach klimaneutralem Grünstrom, die Folgen des Kriegs gegen die Ukraine machen deutlich: Die Energiewende ist eine dringliche Aufgabe ersten Ranges“, sagt Sachsens Energie- und Klimaschutzminister Wolfram Günther.
„Mit dem Energie- und Klimaprogramm 2021 haben wir Sachsen Richtung Klimaschutz und erneuerbare Energien umgesteuert. Das war ein Paradigmenwechsel. Seitdem sind die konkreten Maßnahmen ausbuchstabiert worden, die es für diesen neuen Kurs braucht, zum Beispiel für die Sektorenkopplung, für den Gebäude- und Verkehrssektor, für den kommunalen Klimaschutz oder in Wirtschaft und Landwirtschaft.
Dieser Weg ist nicht immer leicht. Aber ein Großteil der Maßnahmen ist bereits am Laufen. Der Freistaat hat sich mit dem EKP 2021 auf diesen neuen Kurs verpflichtet, auch darauf, mit den Maßnahmen der klimabewussten Landesverwaltung als Vorbild voranzugehen. Ziel ist es, dass die Landesverwaltung bis 2040 weitgehend klimaneutral ist. Der Weg hin zur Klimaneutralität aller Sektoren im Freistaat ist unumkehrbar.“
Zwei Jahre zu spät?
Für die Kritiker aus der Opposition kommt der Maßnahmenplan freilich viel zu spät.
„Die Koalition hat schnellen Klimaschutz versprochen, wollte ihn als Staatsziel in der Verfassung verankern und sogar ein Klimaschutzgesetz beschließen. Jetzt ist die Wahlperiode fast zu Ende und die Koalition hat lediglich das Energie- und Klimaprogramm überarbeitet, das jedoch nicht rechtsverbindlich ist und am Parlament vorbei entwickelt wurde“, meint Marco Böhme, Sprecher für Klimaschutz und Mobilität in der Linksfraktion im Sächsischen Landtag.
„Erst jetzt werden Maßnahmen festgelegt. Diese Trödelei schadet den Menschen in Sachsen, die nun umso länger auf preiswerte und saubere Energie warten müssen. Sachsen ist Schlusslicht, wenn es darum geht, erneuerbare Energiequellen stärker zu nutzen.“
Wobei zu bezweifeln ist, dass der Maßnahmenplan irgendetwas beschleunigt. Denn der „Paradigmenwechsel“ scheint zwar in der Regierung vollzogen – in den Landkreisen und Regionalen Planungsverbänden ist er das noch lange nicht.
Und Böhme fehlt noch viel mehr: „Die Koalition verkauft Initiativen der Bundesregierung als Beitrag des Freistaates zum Klimaschutz. Da war man im Koalitionsvertrag schon weiter: Beim Thema Bürgerbeteiligung an Anlagen, die erneuerbare Energiequellen anzapfen, will die Staatsregierung nicht mit eigenen Maßnahmen vorangehen. Im Koalitionsvertrag ist allerdings ein ,Beteiligungs- und Akzeptanzmanagement‘ vereinbart.
Statt weiter Zeit mit Prüfaufträgen zu vertrödeln, fordern wir eine gesetzliche Beteiligungspflicht an erneuerbaren Energieanlagen: Kommunen, Anwohnerinnen und Anwohner müssen finanziell profitieren! Schon vor Jahren haben wir ein Windenergiebeteiligungsgesetz vorgelegt. Die Akzeptanz für den Ausbau von Wind- und Solarenergieanlagen muss endlich wachsen.“
Sein Fazit: „Dieser Maßnahmenplan kommt zu spät, ist ziellos und ineffektiv. So kommen der grüne Umweltminister und damit Sachsen auf keinen grünen Zweig.“
Der schwere Abschied von den Fossilen
Aber wahrscheinlich zielt er da auf den Falschen. Denn wenn Wolfram Günther davon spricht, dass „dieser Weg (…) nicht immer leicht“ ist, dann deutet er damit auch die Widerstände aus anderen Ressorts und Parteien an, die nach wie vor lieber den alten, fossilen Weg weitergehen würden – gern auch mit Gas und Erdöl aus Russland.
Der Maßnahmenplan hat die unterschiedlichen Maßnahmen in neun Handlungsfelder gebündelt, die im Einzelnen sehr wohl zeigen, wer da alles mitmachen muss, damit die Dinge tatsächlich umgesetzt werden. Und bei manchen Maßnahmen merkt man auch, dass die verantwortlichen Minister sich nach wie vor schwertun, den Schwerpunkt endlich auf Klimagerechtigkeit zu legen und zum Beispiel ÖPNV und Radverkehr massiv auszubauen, also deutlich besser zu finanzieren.
Natürlich steht auch so etwas wie das Auenentwicklungsprogramm drin, mit dem das Umweltministerium die verbauten und trockengelegten Flussauen wieder zum Leben erwecken möchte, die Treibhausgas-Bilanzierung in landwirtschaftlichen Betrieben oder die Klimaanpassung in den Kommunen bis 2030. Und selbstredend ist auch die Begleitung des Strukturwandels mit dem Kohleausstieg enthalten, genauso wie die Klima-Kooperation mit den Nachbarländern Thüringen und Sachsen-Anhalt. Sachsen ist ja keine Insel.
Wer freilich schon konkrete Zahlen sucht, was das alles kosten wird, sieht nur eine grobe farbliche Abschätzung zum Kostenaufwand und zur Kosteneffizienz.
Die Kapitel in der Übersicht:
1. Klimabewusste Landesverwaltung (u. a. Vorhaben zu nachhaltiger Beschaffung, Fotovoltaiknutzung auf und Energieeffizienz der Liegenschaften, Green IT, Nutzung Ökostrom, umweltbewussterem Bauen und Elektrifizierung des Fuhrparks)
2. Kommunaler Klimaschutz und Klimaanpassung (u. a. Ausbau und Verstetigung des kommunalen Energiemanagements und des European Energy Award, Bildungs- und Beratungsangebote, Bilanzierung kommunaler Treibhausgasemissionen)
3. Energieversorgung (u. a. Förderrichtlinie Energie und Klima, Integrierte Netzentwicklungsplanung für Strom, Gas und Wasserstoff, Ausbau Wind- und Solarenergie, Nutzung von Geothermie, Optimierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Stromnetzausbau, Kompetenzstelle Wasserstoff (KH2))
4. Industrie und Gewerbe (u. a. energetische Beratung durch die Sächsische Energieagentur – SAENA, Ausbau der Kreislaufwirtschaft, Förderung ökologisch nachhaltiger Investitionen)
5. Mobilität (u. a. Ausbau der Elektromobilität und neuer Antriebstechnologien, Ausbau des ÖPNV, Förderung Radverkehr, Weiterentwicklung von Mobilitätsmanagement und neuen Mobilitätskonzepten, Entwicklung/Förderung intelligenter Verkehrssysteme)
6. Gebäude (u. a. Förderung innovativer Vorhaben für einen klimaneutralen Wohngebäudebestand, Denkmalschutz und Gebäudeenergieeffizienz, Unterstützung Holzbau)
7. Umwelt und Landnutzung (u. a. Regenrückhalt, Anpassung Wasserversorgung, ökologische Gewässerunterhaltung, Schutz von Humus, Erhalt von Mooren, Klimaanpassung in der Landwirtschaft, Stärkung Ökolandbau und Regionalität, Waldumbau)
8. Gesundheit und Katastrophenschutz (u. a. Sensibilisierung zu Auswirkungen der Klimakrise, Beratung Gesundheitsschutz und Prävention, Unterstützung Brand- und Katastrophenschutz)
9. Forschung und Wissensvermittlung (u. a. Weiterentwicklung Energieforschung, Monitoring Treibhausgasemissionen, Monitoring Klimafolgen, Klimaschulen, Ausstattung der SAENA)
Den Maßnahmenplan zum EKP findet man hier.
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