Ende Mai schlugen die Wogen hoch. Die sächsischen Kommunen waren richtig sauer auf Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann, der ihnen weitere Unterstützung bei der Unterbringung von geflüchteten Menschen versagte. Deftige Kritik gab es auch von den Koalitionspartnern der CDU – von Grünen und SPD. Hartmut Vorjohann hat nun doch noch eingelenkt und sich mit den kommunalen Spitzenverbänden auf ein weiteres Hilfspaket für die sächsischen Kommunen und Landkreise in Höhe von 180 Millionen Euro verständigt.
Zum einen hatte der Bund in der Ministerpräsidentenkonferenz am 10. Mai 2023 den Ländern eine Milliarde Euro zugesagt. Der auf Sachsen entfallende Anteil in Höhe von 47 Millionen Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden werde vollständig an die kommunale Ebene weitergeleitet, teilte das Sächsische Finanzministerium am Dienstag, dem 6. Juni, mit.
Zum anderen werden 133 Millionen aus dem kommunalen Finanzausgleich vorfristig bereitgestellt und später aus Landesmitteln übernommen.
„Die öffentlichen Haushalte stehen alle aufgrund der aktuellen Steuerschätzungen vor großen Herausforderungen“, gibt auch Finanzminister Hartmut Vorjohann zu. „Umso wichtiger ist es mir daher, dass der Freistaat mit der kommunalen Familie einen tragbaren Kompromiss der Lastenverteilung innerhalb der öffentlichen Verwaltung gefunden hat. Das Hilfspaket schafft Planungssicherheit für die Landkreise und Kommunen bis Ende kommenden Jahres.“
Etwas Erleichterung bei den Kommunen
Für eben diese kommunale Familie äußerte sich am Dienstag Henry Graichen, Landrat des Landkreises Leipzig und Präsident des Sächsischen Landkreistages: „Das erzielte Ergebnis hilft, die aufgelaufenen Fehlbeträge, die derzeit alle Landkreise stark belasten, zu mindern. Noch wichtiger ist mir jedoch, dass wir deutlich machen konnten, dass eine strukturelle Unterfinanzierung zu den Defiziten in den Kreishaushalten führt. Daher ist die Zusage zu einer Verständigung zu einer dauerhaft tragfähigen Lösung ab dem Jahr 2025 für mich von noch größerer Bedeutung. Es ist wichtig, dass wir eine strukturell nachhaltige Lösung erarbeiten.“
Denn ausgestanden ist diese Finanzierungsproblematik noch nicht. Auch nicht für die Städte.
„Mit dem Verhandlungsergebnis übernehmen das Land und die Kommunen gemeinsame Verantwortung für Sachsen. Die Landkreise und die Kreisfreien Städte erhalten eine merkliche Entlastung für die immens steigenden Sozialkosten, die es den Landkreisen auch ermöglicht, von zusätzlichen Belastungen der kreisangehörigen Ebene abzusehen“, betonte am Dienstag Bert Wendsche, Oberbürgermeister von Radebeul und Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetages.
„Das Land verschafft den Kommunen eine Atempause, indem bis zum Ende der Legislaturperiode keine einseitigen Aufgabenerweiterungen und Standarderhöhungen zulasten der Kommunen beschlossen werden und sich das Land hierfür auch konsequent auf Bundesebene ausspricht. Dennoch werden mit der Vereinbarung die kommunalen Finanzierungsprobleme nicht gelöst. Die Kommunen werden trotzdem gezwungen sein, ihre Finanzen zu konsolidieren.“
Im Rahmen des Gespräches der Staatsregierung mit den Landräten und Oberbürgermeistern der Kreisfreien Städte am 18. April 2023 war vereinbart worden, bis Ende Mai die Ursachen für die aktuell angespannte Situation der Landkreishaushalte zu analysieren. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern des Innen- und des Finanzministeriums sowie der kommunalen Landesverbände hat dafür die Finanzdaten der kommunalen Familie insgesamt ausgewertet. Als Ursachen für die hohen Fehlbeträge in den Kreishaushalten wurden enorme Kostensteigerungen vor allem im Bereich der Sozialausgaben festgestellt.
Bereits im Januar 2023 stellte der Freistaat den Landkreisen und Kommunen ein zusätzliches Hilfspaket von 150 Millionen Euro zur Verfügung, um die Belastungen durch Migration und aufgrund der Novelle des Wohngeldgesetzes zu bewältigen, betonte das Finanzministerium noch.
Endlich, sagen die Grünen
Die Botschaft, die Finanzminister Hartmut Vorjohann in der Kabinettspressekonferenz am Dienstag vorstellte, entspannt auch das Verhältnis zu den Koalitionspartnern der CDU.
„Endlich gibt es eine Einigung!“, meldete sich Franziska Schubert, Vorsitzende sowie finanz- und kommunalpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, zu Wort. „Wir standen hier im Wort und unser Anspruch an eine zuverlässige Staatsregierung ist, dass man Wort hält. Als Bündnisgrüne haben wir die enormen Herausforderungen für die Kommunen immer wieder auch thematisiert. Ich war mit dem zögerlichen Agieren des Finanzministers nicht glücklich, zumal es aus 2022 einen Überschuss gibt.
Den nicht einzusetzen für unsere Kommunen in so einer finanziell angespannten Situation, wäre nicht vermittelbar gewesen. Darum ist der jetzige Weg richtig und sollte zügig umgesetzt werden. Dafür muss das Sächsische Finanzausgleichsgesetz angefasst werden. Von unserer Seite steht dem nichts in Wege.“
Bei den kommunalen Finanzbeziehungen brauche es eine zeitgemäße Strukturveränderung, betonte sie noch. Denn dass die Kommunen finanziell so knapp aufgestellt sind, hat ja strukturelle Gründe.
„Sie sollten so aufgestellt sein, dass derartige Notlagen künftig gar nicht erst entstehen. Das Mindeste sollte der seit Jahren besprochene Soziallastenansatz sein“, fordert Schubert. „Solche Änderungen werden wir aber nur schaffen, wenn wir uns gemeinsam mit künftig möglichen Szenarien ernsthaft auseinandersetzen. Es ist nicht einfach, die verschiedenen Herausforderungen von kleinen, mittleren und großen Kommunen angemessen zu berücksichtigen.
Einmal sind wir bereits in großer Runde für ein Fachsymposium zusammengekommen. Diesen Austausch zwischen Landesverwaltung, Kommunen und Wissenschaft braucht es. Weitere Fachsymposien würden eine breite Beteiligung aller ermöglichen. Hier können Lösungsansätze anderer Bundesländer und Kommunen besprochen, Erfahrungswerte ausgetauscht und dann im sächsischen Finanzausgleichsystem berücksichtigt werden. Ich hoffe, dass auch das Finanzministerium das erkennt.“
Die Position der SPD
Ganz ähnlich sieht es auch Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag.
„Vertrauen ist die Währung der Politik. Die Landespolitik muss Vertrauen in die kommunale Familie haben. Die Städte und Gemeinden müssen der Landespolitik vertrauen können. Was versprochen wird, muss auch gehalten werden. In diesem Sinne ist es gut, dass es eine Einigung über das kommunale Hilfspaket gibt“, zeigte er sich am Dienstag erleichtert. Gab aber auch zu bedenken, ob das Verhandlungsergebnis tatsächlich ausreichend ist.
„Die Probleme der Kommunen sind groß, und sie sind strukturell“, betont Panter. „Dieses Problem löst die Einigung nicht. Deshalb haben wir nun im nächsten Schritt die Aufgabe, eine langfristige Lösung zu finden. Das Ziel muss sein, die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Land und Kommunen auch für die Zukunft sattelfest zu machen. Diese Gespräche müssen wir jetzt gemeinsam angehen, damit wir es spätestens im nächsten Doppelhaushalt schaffen.“
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