Wenn Städte wie Leipzig 2023 in die roten Zahlen rutschen, dann hat das auch mit der mehr als knauserigen Kommunalfinanzierung in Sachsen zu tun. Etwas, was gerade jetzt bei der Unterbringung von Flüchtlingen zum Problem wird, denn einen Großteil dieser Unterbringung müssen die Kommunen aus eigener Tasche bezahlen. Das wird nicht nur in Leipzig zum Problem. Und der Ministerpräsident hält eine Zusage nicht ein.

Auch, weil die sächsische CDU über Geflüchtete eine doch spürbar andere Meinung hat als die anderen Parteien. Das machte Ministerpräsident Michael Kretschmer dann auch gleich mal mit einem seiner seltsamen Medien-Statements deutlich.

Dabei hatte er den Kommunen erst im April finanzielle Unterstützung zugesagt.

Wenn der Finanzminister nicht will

Im April versprach Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer ein richtiges Rettungspaket in dreistelliger Millionenhöhe für die kommunale Ebene im Freistaat. Ziel war es, die Kommunen und Kreise beim Aufbau und der Finanzierung von Unterkünften und der Versorgung von Geflüchteten zu unterstützen. Doch nun wurde bekannt, dass ein Rettungspaket, das die Kommunen entlasten soll, erst einmal gescheitert ist.

Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) war laut Medienberichten nur bereit, die erhöhten Bundesmittel für die Unterbringung von Geflüchteten an die Kommunen weiterzureichen. Kein eigenes Fördergeld aus der Landeskasse.

Was Christian Schulze, finanzpolitischer Sprecher der Leipziger SPD-Stadtratsfraktion, völlig inakzeptabel findet. „Wie so häufig kündigt der sächsische Ministerpräsident vollmundig Unterstützungen für Kommunen an und lässt sich dann von seinem Finanzminister auskontern“, sagte er zu diesem seltsamen Pingpong-Spiel zwischen Ministerpräsident und Finanzminister. „Man muss zwar schon fast froh sein, dass zumindest die Mittel des Bundes weitergeben werden sollten, denn selbst das war in der Vergangenheit teilweise nicht möglich.“

Und dann wird Schulze sehr deutlich: „Der Finanzminister gefährdet den sozialen Frieden in unserem Land, spielt mit der Zukunft Sachsens und der Ministerpräsident bricht dadurch mal wieder sein Wort. Es geht um ganz konkrete Leistungen und Investitionen, die im Moment auf der Kippe stehen. In der wirtschaftlich schwierigen Lage sind kluge Investitionen und ein aktiver Staat wichtiger denn je. Die Kommunen nicht ausreichend zu unterstützen, bremst allerdings die Entwicklung und zeugt von einem Staat, der nicht handeln will.

Jede Entlastung der Kommunen hilft, Mittel für andere Zukunftsprojekte freizubekommen, wie das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum, das Realisieren der Verkehrs- und Energiewende oder den Aufbau einer modernen Wasserversorgungsinfrastruktur. Hierbei steht Leipzig gegenüber vielen Landkreisen noch vergleichsweise gut da. Kretschmer gefällt sich in der Rolle, immer nur mit dem Finger auf den Bund zu zeigen, eigene Akzente zu setzen und Verantwortung zu übernehmen, sind bei ihm leider Fehlanzeige.“

Das Land muss helfen

Und auch aus Markkleeberg erntet der Ministerpräsident deutliche Worte.

Karsten Schütze, Oberbürgermeister von Markkleeberg und Vorsitzender der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik in Sachsen e. V. (SGK Sachsen), erklärt zum Scheitern des Rettungspaketes für die Kommunen: „Scheitern darf keine Option sein. Die Probleme, die wir hier vor Ort haben, sind drängend. Sie müssen gelöst werden. Hier muss der Freistaat helfen: Den Ankündigungen des Ministerpräsidenten müssen jetzt Taten folgen.“

Denn die kleineren Städte haben längst deutlich größere Schwierigkeiten als Großstädte wie Leipzig, ausreichend Unterbringungskapazitäten für Geflüchtete zu schaffen.

„Wir in den Städten und Landkreisen brauchen eine weitsichtige, verlässliche Landespolitik. Dass in einer Situation, in der alle von Energiewende sprechen, das Land nicht bei der Kapitalerhöhung bei VNG hilft, ist allerdings ein Beispiel für mangelnde Weitsicht. Offenbar war das auch vom Finanzminister nicht gewollt“, sagt Schütze. „Wir stehen vor einer Rezession, jetzt ist aktive Wirtschaftspolitik gefragt. Ich kann mich nur wundern, was aus der sagenumwobenen ‚Wirtschaftskompetenz‘ der CDU geworden ist.“

Die Kommunen sind sowieso schon unterfinanziert

Und auch die Linksfraktion im Landtag findet das Lavieren der Regierung völlig daneben.

„Der Ministerpräsident und seine Koalition führen ein Trauerspiel auf. Die Landkreise und Gemeinden sind strukturell unterfinanziert. Sie geraten infolge der Teuerung und wegen immer neuer Aufgaben, die Bund und Länder ihnen übertragen, weiter unter Druck“, sagt Mirko Schultze, kommunalpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag.

„Die CDU bürdet die Folgen der Bevölkerung auf, die darunter leiden muss, wenn Kommunen Leistungen streichen oder Gebühren erhöhen müssen. Derweil häuft der Finanzminister weiter Rücklagen an. Das ist verantwortungslose Finanzpolitik. Wir fordern erneut ein Sofortprogramm, das die Finanzlage der Kommunen entspannt. Die Landkreise und Gemeinden sollte jetzt vereint aufbegehren!“

Was sie wahrscheinlich nicht tun. Aber die Pflichtaufgabe, Geflüchteten auch eine menschenwürdige Unterbringung zu gewährleisten, überlastet immer mehr Kommunen.

„Die Bürgerinnen und Bürger erleben den Staat in erster Linie in den Kommunen. Werden Erwartungen an staatliche Leistungen enttäuscht, ist das ein Konjunkturprogramm für Demokratiefeinde!“, stellt Schultze fest.

„Die CDU-geführte Regierung will anstelle der Demokratiesicherung aber lieber besonders schnell Kredite tilgen. Die Rückzahlung der Corona-Darlehen entzieht dem Landeshaushalt in den kommenden Jahren jeweils bis zu 464 Millionen Euro. Es wäre möglich, die problematische Lage der Kommunen zu lindern, wenn die Tilgungsraten geringer wären. So provozieren Michael Kretschmer und sein Finanzminister mutwillig die nächste Krisensituation.“

Lieber die Leistungen für die Asylbewerber kürzen …

Doch statt den Kommunen zu helfen, brillierte Michael Kretschmer in Interview mit dem „Münchner Merkur“ am vergangenen Wochenende mit dem sehr seltsamen Vorschlag, die Leistungen für Asylbewerber zu kürzen. Wörtlich sagte Kretschmer: „Ich will das ganz unaufgeregt anpacken. Zum Beispiel mit einer Kommission zusammen mit Vertretern aus allen Bereichen. Kein politisches Kampffeld, sondern Experten, die in drei bis sechs Monaten bindende Vorschläge erarbeiten.“

Was am Vorschlag nichts ändert, auf Kosten der Asylbewerber Geld zu sparen, statt mehr Geld in eine menschenwürdige Unterbringung zu investieren.

Wofür Kretschmer heftige Kritik vom sächsischen SPD-Vorsitzenden Henning Homann bekam.

Die nun wieder der Vorsitzende der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages, Christian Hartmann, nicht so stehen lassen wollte, der tatsächlich meinte: „Die Vorschläge von Michael Kretschmer sind absolut vernünftig und aktuell mehr als notwendig. Sich mit Experten aus allen Bereichen an einen Tisch zu setzen und eine Lösung für die Asyl-Leistungen zu suchen, ist sehr klug und alles andere als ‚Sprücheklopferei‘. Ich nenne sowas Sachpolitik.

Darüber hinaus teilen vielen Menschen in Sachsen seine Auffassung. Offensichtlich kennt Genosse Homann das nicht mehr. Anstatt sich substantiell mit den erheblichen Problemen der aktuellen Flüchtlingspolitik zu beschäftigen, haut er reflexartig auf die CDU ein und setzt sich in die Schmoll-Ecke.“

Dahinter, so macht Hartmann deutlich, steckt eine Abschottungspolitik, in der für ein gut finanziertes Programm zur Flüchtlingsunterbringung sichtlich kein Platz ist, wie Hartmann bestätigt. Lösungen aus seiner Sicht sehen so aus: „Zum Beispiel eine Obergrenze, konsequente Abschiebungen und die Unterstützung der Kommunen bei der Unterbringung sowie Integration.“

Nur will die regierende CDU Letzteres nicht weiter finanzieren, während sie mit Obergrenzen und Abschiebungen versucht, den Wählern zu suggerieren, das würde auch nur das Geringste an den Problemen ändern, die immer mehr Menschen in Europa Asyl suchen lasen.

Was nur zu deutlich macht, dass die sächsischen Kommunen von der regierenden CDU nichts erwarten können, wenn es um echte finanzielle Unterstützung bei der Unterbringung von Geflüchteten geht.

Enttäuschung auch bei den Grünen

“Das Scheitern des versprochenen Rettungspakets für die sächsischen Kommunen ist ein unsäglicher Vorgang. Ich schäme mich für das Finanzministerium, denn wir stehen als gesamte Regierung im Wort. Beim Kommunalgipfel, der vor kurzem stattfand, waren wir auf einem gemeinsamen Weg. Der wird nun eigenmächtig verlassen vom Finanzministerium. Das ist inakzeptabel”, erklärt Franziska Schubert, Vorsitzende sowie finanz- und kommunalpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag. “Es war klar und artikuliert, dass diese Belastung Realität ist. Sie war nicht absehbar, als das Finanzministerium die Verhandlungen zum FAG mit der kommunalen Familie abgeschlossen hat. Es ist unredlich, sich jetzt hinzustellen und zu sagen, es gäbe ja diese Vereinbarung – und damit die Dynamik der Entwicklungen und die Landesverantwortung schlichtweg auszublenden.”

Weiterhin betont Schubert: “Es kommt zum wiederholten Male vor, dass Realitäten vom Finanzministerium verkannt oder ignoriert werden. Das hat einen politischen Preis – gerade mit Blick auf das Wahljahr 2024. Politische Blindheit ist noch das Diplomatischste, was mir zu diesem Verhalten des Ministeriums einfällt. Ich hoffe, Ministerpräsident Kretschmer spricht hier ein deutliches Machtwort. Wir stärken ihm den Rücken, wenn es um die Hilfe für die Kommunen geht. Die Kommunen brauchen diese Unterstützung jetzt.”

Grundsätzlich sollten kommunalen Finanzbeziehungen aber so aufgestellt sein, dass wir solche Notlagen in Zukunft vermieden können, sagt Schubert. “Dafür braucht es eine bedarfsorientierte Unterstützung durch Land und Bund. Die kommunalen Finanzen sind ein komplexes Thema und so sollten sie auch eingeordnet werden. Für uns ist schon seit Jahren klar: Wir wollen hier eine zeitgemäße Strukturveränderung. Solche Änderungen wird man nur hinbekommen, wenn man sich gemeinsam mit künftig möglichen Szenarien ernsthaft auseinandersetzt. Das erkenne ich beim Finanzministerium nicht, das ist ein Hemmschuh für die Entwicklung des Freistaats.”

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