Es betrifft nicht nur den Leipziger Auwald und das Leipziger Gewässersystem. Sehenden Auges ist Sachsen nicht nur in eine Zeit ausbleibender Regenfälle und zunehmender Dürren hineingeschlittert. Der Freistaat hat es auch nicht geschafft, die Europäische Wasserrahmenrichtlinie von 2000 termingerecht umzusetzen. Die sächsischen Flüsse sind fast alle in einem miserablen Zustand.

Und daran haben viele Leute eine Aktie. Am Mittwoch, dem 10. Mai, gab es deshalb die erste von drei Regionalkonferenzen in Chemnitz.

Es ist die erste Konferenz dieser Art, um am besorgniserregenden Zustand der sächsischen Gewässer endlich etwas zu ändern. Auf Einladung des sächsischen Umweltministeriums wollen Freistaat und Kommunen auf den Konferenzen Wege entwickeln, um die EU-Wasserrahmenrichtlinie nun doch irgendwie umzusetzen.

Konkret geht es um den Gewässerschutz vor dem Hintergrund von Landnutzung, menschengemachtem Klimawandel, vermehrter Dürren bei gleichzeitig deutlich höherem Starkregenrisiko sowie dem Verlust biologischer Vielfalt. Diskutiert werden konkrete Ziele, Best-Practice-Beispiele und Unterstützungsangebote des Freistaats.

Das wird jetzt zu einem existenziellen Problem

Klare Worte zum Zustand der Gewässer fand Sachsens Umwelt- und Klimaschutzminister Wolfram Günther (Grüne): „Der allergrößte Teil der sächsischen Gewässer ist in keinem guten ökologischen Zustand. Das ist für sich genommen schon besorgniserregend. In Zeiten der Klimakrise wird das zu einem existenziellen Problem für Natur und Mensch. Wir brauchen Wasser, wir brauchen ökologisch leistungsfähige und artenreiche Gewässer und Uferräume. Intakte Gewässer bedeuten auch Verbesserungen für die Menschen vor Ort, für die Naherholung.

Seit nunmehr rund drei Jahren gehen wir in Sachsen eine Mammutaufgabe mit neuer Kraft an: Wir arbeiten an der Verbesserung des ökologischen Gewässerzustands, wir arbeiten daran, Lebensräume für Pflanzen, Fische, Insekten und andere Tiere in und am Wasser zu erhalten. An dieser Mammutaufgabe müssen auch die Anliegergemeinden mittun.“

Denn oft liegen die Hemmnisse genau vor Ort – sperren sich Kommunen gegen das Rückverlegen von Deichen, wollen Bauern die intensive Landwirtschaft am Fluss nicht aufgeben, steht Bebauung mitten in hochwassergefährdeten Gebieten. Die Flüsse sind kanalisiert und immer noch werden viele hoch belastete Abwässer eingeleitet.

Mit den drei geplanten Regionalkonferenzen soll nun eine neue Qualität der Zusammenarbeit gestartet werden.

„Wir brauchen nicht nur die biologische Vielfalt und ökologische Stabilität unserer Gewässer. Auch beim chemischen Zustand ist noch viel zu tun. Hier ist unter anderem Phosphor aus Siedlungsabwässern und Landwirtschaft ein Thema“, sagte Günther.

„Wichtig: Wir stehen den Kommunen mit fachlicher sowie finanzieller Unterstützung zur Seite. Zu all diesen Aufgaben sind wir auch durch die Europäische Wasserrahmenrichtlinie verpflichtet. Die gilt übrigens seit dem Jahr 2000 – ohne dass die damals benannten Ziele inzwischen erfüllt wären. Hier müssen wir eine deutliche Schippe drauflegen, weil Klimakrise und Verlust der Artenvielfalt den Handlungsdruck verstärken, aber auch, weil empfindlich hohe Strafzahlungen an die Europäische Union drohen.“

Das darf man durchaus auch als Kritik an seinen Vorgängern im Amt des sächsischen Umweltministers lesen – die hießen seit 2000 Steffen Flath, Stanislaw Tillich, Roland Wöller, Frank Kupfer und Thomas Schmidt. Alle CDU. Alle nicht besonders engagiert, was die Revitalisierung der sächsischen Gewässer betrifft. Oder gar die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Ergebnis: Über 20 Jahre vertrödelt, die Umsetzung wieder auf den letzten Drücker verschoben.

Der miserable Zustand der Gewässer

In Sachsen erreichen nur etwa 7 Prozent der Fließgewässer und 43 Prozent der Standgewässer einen guten ökologischen Zustand. Der Freistaat betreibt daher Gewässerentwicklung zum Beispiel im Rahmen des Sächsischen Auenprogramms und unterstützt entsprechende Maßnahmen in den Kommunen.

Dazu gehören auch neue Stellen auf unterschiedlichen Verwaltungsebenen, die Einführung von methodischen Standards in der Planung und die Novellierung der Richtlinie Gewässer/Hochwasserschutz, so das Umweltministerium. Zudem werden Schulungen und Beratungen angeboten und neue Anlaufstellen, insbesondere für die Kommunen, geschaffen.

Den rechtlichen Rahmen der Aktivitäten bildet die europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Sie fordert einen guten ökologischen und chemischen Zustand der Gewässer. Dieser soll in den EU-Mitgliedsstaaten flächendeckend bis spätestens 2027 erreicht werden.

Die beiden weiteren Regionalkonferenzen zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie finden am 26. Mai in Leipzig und am 19. Juni in Schmochtitz (Bautzen) statt.

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