Es war, als wäre Sachsens Regierung am 18. April erst aufgewacht, als die Staatskanzlei fröhlich verkündete: „Der bisherige Amtschef im Finanzministerium, Dirk Diedrichs, wird Beauftragter für Großansiedlungen im Freistaat Sachsen. Das kündigte Ministerpräsident Michael Kretschmer am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in Dresden an.“ Wer hat sich eigentlich vorher darum gekümmert, dass größere Unternehmen sich im Freistaat ansiedeln?
Diese Frage beantwortete die Meldung der Staatskanzlei natürlich nicht. Sie beschrieb die neu geschaffene Stelle nur so: „Der Beauftragte wird bei der Sächsischen Staatskanzlei angesiedelt sein und soll ressortübergreifend die für die Landesentwicklung entscheidenden Weichenstellungen bei bedeutsamen Investitionen und wichtigen Ansiedlungen vornehmen.
Dabei geht es neben der strategischen und politischen Koordination der entsprechenden Prozesse auch um die für eine erfolgreiche Ansiedlung notwendige Infrastrukturentwicklung. Eine enge Koordination und Zusammenarbeit ist dabei sowohl auf Landesebene als auch mit den Kommunen erforderlich.“
Eine seltsame Personalie?
Eine Personalie, die zumindest Rico Gebhardt, Fraktionsvorsitzender der Linken im Sächsischen Landtag, seltsam fand.
„Beim Betrachten der Antworten auf meine Kleine Anfrage (Drs. 7/13170), die nach der Bekanntgabe zur Schaffung eines Beauftragten für Großansiedlungen in Sachsen gestellt wurden, komme ich zu dem Schluss: Die Staatsregierung hat seit Jahren planlos in diesem Bereich agiert. Denn erst heute, im Jahre 2023, stellt sie fest, dass ‚Großansiedlungen ein hohes Maß an Koordination innerhalb der Verwaltung erfordern‘“, kommentiert er die Antwort der Staatsregierung.
„Was für eine Erkenntnis! Aufgrund der Späte dieser Erkenntnis der Koalitionsregierung konnte der Beauftragte auch nicht im Doppelhaushalt 2023/2024 berücksichtigt werden, antwortet der Chef der Staatskanzlei.“
Auf einmal alarmiert
Die Staatskanzlei hatte formuliert: „Die Einrichtung eines Beauftragten für Großansiedlungen folgt aus der Erkenntnis der Staatsregierung, dass das Interesse der Investoren am Standort Sachsen zugenommen hat und Großansiedlungen ein hohes Maß an Koordination innerhalb der Verwaltung erfordern. Dieser Bedarf hat sich erst nach der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2023/2024 hinreichend konkretisiert.“
Mit anderen Worten: Der Wettbewerb der Länder um die Ansiedlung von neuen Fabriken hat sich in den letzten Jahren verschärft. Inzwischen geht es um mehrere Branchen, die dringend als Rückgrat einer modernen sächsischen Wirtschaft gebraucht werden – Solarfabriken, Chipfabriken, Wasserstoffproduzenten, Batteriehersteller usw.
Wenn man das im Hinterkopf hat, merkt man erst, dass da eine gelinde Panik ausgebrochen ist in der Sächsischen Staatskanzlei, wo man jahrelang auf den Erhalt alter Industriestruktur gesetzt hat – auf Braunkohle und Autobau beispielsweise. Und das geschah mit der eigentümlichen Überzeugung, man müsse sich nur fest genug darauf versteifen, dann würde man diese alten Strukturen erhalten und verhindern, dass sich die Welt verändert. Aber die Welt verändert sich trotzdem.
Und auf einmal sieht man eben auch in den Braunkohleregionen, dass die Strukturwandelprojekte so gut wie nichts mit modernen Industrieansiedlungen zu tun haben.
Auch da haben zumeist CDU-geführte Ministerien, Landräte und Kommunen versucht, irgendwie lauter schöne Träume in den Strukturmitteln unterzubringen, während Ideen für eine zukunftsfähige Wirtschaft in den betroffenen Regionen praktisch Mangelware blieben. Was auch der seltsamen Hektik geschuldet war, mit welcher die Strukturmittel mit Projekten untersetzt werden sollten.
Und auf einmal merkt man sogar in der Sächsischen Staatskanzlei, wie selbst Nachbarländer wie Sachsen-Anhalt alles daran setzen, zukunftsträchtige Unternehmen wie Chip- und Batteriehersteller ins Land zu holen und damit eine wirtschaftliche Perspektive zu sichern.
Sachsen droht also den Anschluss zu verlieren.
Einfach ein paar Leute umsetzen
Nur hat man die Einrichtung dieser neuen Abteilung im Doppelhaushalt gar nicht geplant. Auch das ein Zeichen dafür, dass der Schreckmoment in der Staatskanzlei noch recht frisch ist.
„Weiter teilt er in seiner Antwort mit, dass aus verschiedenen Ministerien sechs Personen abgeordnet und sieben weitere Stellen aus dem Personalpool Demografie genutzt werden sollen“, stellt Gebhardt fest.
Und weist auf eine dazugehörende Kritik des Rechnungshofes hin, der in seinem „Jahresbericht 2022 des Sächsischen Rechnungshofs – Band II“ auf Seite 79 feststellt: „Eine Vielzahl der Stellen des Personalpools Demografie wurden nicht zur Bewältigung des demografischen Wandels, sondern vielmehr ohne haushaltsrechtliche Ermächtigung und lediglich durch Verwaltungserlass für sog. ‚Nicht vorhersehbare Aufgabenmehrungen‘ genutzt.“
Dazu gehört nun auch diese kurzerhand aus dem Boden gestampfte Steuerungszentrale für Großansiedlungen.
„Die Staatsregierung macht nach dieser berechtigten Kritik einfach weiter und nutzt den Personalpool Demografie sachfremd. Was sind Haushaltsberatungen, in denen oft um jede einzelne Planstelle wochenlang gerungen wird, wert, wenn mit einem Federstrich – wessen? – so ganz plötzlich 13 Planstellen umgewidmet werden können“, kritisiert Gebhardt.
„Es geht nicht um eine unvermittelt neue Aufgabe. Es geht um den Versuch, aus der bisherigen Planlosigkeit bei Wirtschaftsansiedlungen eine neue Verwaltungsstruktur in der Staatskanzlei zu schaffen.“
Und dann hat er noch eine Frage, denn die neue Arbeitsstruktur beim Ministerpräsidenten konkurriert ja direkt mit einer schon existierenden Organisationseinheit.
„Dies trotz eigener Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Freistaates Sachsen“, sagt Gebhardt. „Es bleibt die Frage: Wie konnte die Firma Bosch ohne Beauftragten für Großansiedlungen nur in Dresden ansiedeln?
In einer weiteren Kleinen Anfrage (Drs. 7/13437) will ich es genauer wissen: Was die nun ‚abgeordneten‘ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bislang in den Ministerien getan haben und wie sie eingruppiert sind.“
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Ich hätte ja vermutet, dass für solch strategische Überlungen und HAndlungen das Wirtschaftsministerium unter Martin Dulig (SPD) zuständig ist war, sein sollte – gibt es das noch ? Ach nee, ich habe vergessen, das ist ja ein SPD-Ministerium, deshalb nun in der Stattskanzlei dirkt der CDU unterstellter Aktionismus.