Eine Oppositionspartei hat es schwer. Sie kann so schöne Gesetzentwürfe schreiben wie sie will – wenn die Regierungskoalition nicht gewillt ist, Gesetzesvorschläge der Opposition aufzunehmen, werden diese schon in den Vorberatungen abgeschmettert. So erging es jetzt auch einem Antrag der Linksfraktion im Sächsischen Landtag „Wohnungslosigkeit nachhaltig zurückdrängen“ (Drucksache 7/12173). Übernachtungsangebote sind dafür zu wenig. Aus Leipziger Perspektive weiß man das.

Auch um die Ungenauigkeit der Zahlen.

„Seit 2022 gibt es erstmals statistische Daten zur Wohnungslosigkeit als einer der schlimmsten Formen von Armut. Die Bundesstatistik erfasst 1.665 untergebrachte Personen in Sachsen – allerdings nicht Menschen, die auf der Straße leben oder bei Bekannten und Verwandten schlafen. Die tatsächliche Zahl der Wohnungslosen ist also größer“, stellt die Landtagsabgeordnete der Linken, Juliane Nagel, fest.

Die Diakonie erfasst in ihrem aktuellen Lebenslagenbericht 3.018 Menschen in Wohnungsnot – wiederum nur diejenigen, die in ihren eigenen Anlaufstellen ankommen. Die Stadt Leipzig bringt im täglichen Durchschnitt knapp 300 Menschen allein in Notunterkünften unter, einen Bruchteil derer, die wohnungslos sind. Wohnungslosigkeit ist kein Problem individuellen Versagens: Niemand lebt freiwillig in Not und Elend. Armut ist ursächlich, weiterhin der Verlust von Arbeit oder schlecht bezahlte Arbeit, steigende Mieten und Lebenshaltungskosten, Erkrankungen, Verschuldung und Schicksalsschläge.“

Sind nur die Kommunen in der Verantwortung?

Wie komplex das Thema Wohnungslosigkeit ist, belegt inzwischen sehr regelmäßig der „Sozialreport“ der Stadt Leipzig. Denn die Übernachtungszahlen in den Notunterkünften sind nur die Spitze des Eisbergs. Deutlich mehr Menschen sind von drohenden Mietschulden und Räumungsklagen bedroht. Hier sind die Kommunen meist die letzten, die noch helfend eingreifen und die tatsächliche Obdachlosigkeit verhindern können.

„Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass die Koalition und die Rechtsaußen-Fraktion unsere Forderungen abgelehnt haben“, sagt Juliane Nagel, die auch Sprecherin für Wohnungspolitik in ihrer Fraktion ist.

„Der Freistaat muss selbst gegen Wohnungslosigkeit vorgehen. Der Blick auf deren Ursachen zeigt: Vorsorge ist möglich. Wie sind die Vorsorgeketten, wenn Mieten nicht gezahlt werden? Werden in der Kommune Mietschulden übernommen, um Wohnungslosigkeit abzuwenden? Einige machen das, aber nicht alle. Und wissen die Betroffenen überhaupt von diesen Möglichkeiten? Wie können Vermieterinnen und Vermieter einbezogen werden? Vor allem in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten sind ein Mietenstopp und das Verbot von Zwangsräumungen nötig, wenn sie in die Wohnungslosigkeit führen!“

Und auch hier kann sie auf die Leipziger Erfahrungen zurückgreifen. Denn wenn eine Kommune wie Leipzig sich systematisch bemüht, für von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen Ersatzwohnungen zu finden, wird das Drama einer Räumung oder gar eines wirklichen Lebens ohne Obdach vermieden. Denn es sind eben nicht nur alleinstehende Männer betroffen, sondern es trifft genauso Familien mit Kindern, die ihre Mietschulden nicht mehr bezahlen können.

„Es kommt vor allem darauf an, den Verlust der Wohnung abzuwenden. Wenn der eigene Wohnraum erstmal weg ist, ist es viel schwieriger, neuen Wohnraum zu finden“, so die Landtagsabgeordnete der Linken.

„Es sollte ein verbindliches Verfahren geben, wenn die Flucht in eine Frauen- und Kinderschutzeinrichtung, Haft oder schwerwiegende Krankheiten einen Menschen in die Wohnungslosigkeit führen könnten. Nötig sind innovative, vernetzte, passgenaue Angebote der Wohnungslosenhilfe, die nicht vor allem auf Notunterbringung gerichtet sind. In Sachsen funktioniert der überörtliche Austausch noch viel zu wenig.

Zur Landesverantwortung gehört auch das Forcieren innovativer Konzepte wie Housing First. Dieses Modell nach dem Grundsatz ,Zuerst eine Wohnung, dann Lebensstabilisierung‘ wird erfolgreich bereits in Leipzig praktiziert. Um diese Modelle auszuweiten, erwarten wir finanzielle Ressourcen für weitere Projekte und mehr Investitionen in bezahlbaren Wohnraum.“

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