Gleich zum Jahresanfang gab es ja so eine Art kleinen Skandal fรผr Sachsens Innenministerium, weil Sachsens Polizei zur Neuausstattung das Gewehr โHaenel CR 223โ eingekauft hatte, der Waffenhersteller Heckler & Koch aber Patentrechte verletzt sah und damit Recht vor dem Oberlandesgericht Dรผsseldorf bekam. Mancher Schnellberichter behauptete dann einfach mal aus der Hรผfte, Sachsens mรผsse alle 2.200 eingekauften Gewehre zurรผckgeben. Innenminister Armin Schuster widersprach umgehend.
Die Landtagsabgeordnete der Linken, Kerstin Kรถditz, fragte dann doch lieber mal nach.
โNach der aktuellen Berichterstattung hat das Oberlandesgericht Dรผsseldorf entschieden, dass das Gewehr โHaenel CR 223โ Patentrechte von Heckler & Koch verletze und deshalb derzeit in Deutschland weder hergestellt noch vertrieben werden darf (Urteil vom 30.12.2022, Az. 1-15 U 59/21).
Dazu heiรt es u.a.: โDie Vorsitzende Richterin des 15. Zivilsenats, Ulrike Voร, betonte, aufgrund der festgestellten Patentrechtsverletzung sei die Haenel GmbH verpflichtet, alle noch in ihrem Besitz befindlichen Gewehre zu vernichten, ihre gewerblichen Kunden gegen eine Entschรคdigungszahlung zur Rรผckgabe bereits gelieferter Gewehre aufzufordern und der Klรคgerin Auskunft รผber den mit dem bisherigen Verkauf der Gewehre erzielten Gewinn zu erteilenโโ, stellte Kรถditz in ihrer Anfrage fest.
Armin Schuster wies umgehend darauf hin, dass hier von gewerblichen Kunden die Rede sei und die sรคchsische Polizei ganz bestimmt kein solcher.
Und das hat nun Auswirkungen darauf, wie viele dieser Gewehre Sachsen entweder zurรผckgeben, austauschen oder umbauen lassen muss. Denn die 2.200 Gewehre fรผr die Polizei hat Sachsen in verschieden gestalteten Ausschreibungen und Auftragsvergaben erworben. Das erklรคrt Schuster in seiner Antwort an Kerstin Kรถditz sehr detailliert.
160 Gewehre sind betroffen
Was dann aus Sicht des sรคchsischen Innenministers dieses Fazit hat: โMit Schreiben vom 13. Januar 2023 erklรคrte die Firma Haenel formell den Rรผckruf konkret benannter Waffen. Im Ergebnis umfangreicher Prรผfungen durch die Firma Haenel liegt die Betroffenheit der Polizei Sachsen nunmehr bei 160 Gewehren.โ
Also nichts da mit der medialen Behauptung, Sachsens Polizei mรผsse alle Gewehre zurรผckgeben.
Der Grund dafรผr ist eben auch die Art der Erwerbung. Armin Schuster: โAusdrรผcklich ist der in der Antwort auf die Frage 1 genannte Rahmenvertrag zur landesweiten Belieferung mit Dienstgewehren vom fragegegenstรคndlichen Urteil und insofern vom Rรผckruf nicht betroffen. Sicherheitsrelevante Risiken oder technische Mรคngel sind indes mit der patentrechtlichen Feststellung nicht verbunden.โ
Also wieder einmal falsche Panikmache.
โAnders als behauptet, wird die Polizei ihre Dienstgewehre weder vernichten noch zurรผckgebenโ, twitterte Armin Schuster noch am 5. Januar, als einige Medien mit eben dieser Behauptung die รffentlichkeit erfreuten.
Vielleicht mรผssen nur Bauteile ausgetauscht werden
Und auch die verbleibenden 160 Sturmgewehre, die nicht vom Rahmenvertrag erfasst sind, mรผssen vielleicht nicht ausgetauscht werden. Denn, so Armin Schuster: โDas weitere Prozedere hinsichtlich der 160 Gewehre ist nun Gegenstand der Abstimmung zwischen dem Polizeiverwaltungsamt und der Firma Haenel. Zu prรผfen wird sein, ob die Gewehre komplett getauscht werden mรผssen oder aber einzelne Bauteile ausgewechselt werden kรถnnen. Durch die Firma Haenel wurde verbindlich zugesagt, dass fรผr den Fall der Rรผcksendung die Kaufpreise, notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rรผckgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten รผbernommen werden. Hinsichtlich der kรผnftigen Anschaffung des fragegegenstรคndlichen Gewehres wird ergรคnzend auf die Antwort auf die Frage 1, letzter Absatz, verwiesen.โ
In diesem Absatz heiรt es: โAm 20. Januar 2020 fand die Zuschlagserteilung mittels Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb (8 14 VgV) von 2019 bis 2020 fรผr einen Rahmenvertrag รผber 2.300 Waffensets statt. Aus diesem wurden zusรคtzlich 516 Sets Ausbildungswaffen und 343 Sets รbungswaffen abgerufen. Aktuell wird an der Erweiterung des Rahmenvertrages auf 3.600 Waffensets gearbeitet.โ
Der Suhler Waffenhersteller Haenel hat also in einer Ausschreibung gewonnen, in welcher der westdeutsche Konkurrent Heckler & Koch diesmal nicht zum Zug kam. Dem Urteil in Dรผsseldorf gingen schon lรคngere Streitigkeiten voraus, in denen es zwar vordergrรผndig um ein verletztes Patent ging, aber letztlich um Marktanteile und Groรauftrรคge.
Die etwas lรคngere Vorgeschichte des Streits
Im Januar 2022 schrieb die Legal Tribune Online dazu: โDer Dรผsseldorfer Patentstreit ist ein Seitenstrang im Dauerclinch zwischen den Waffenschmieden aus dem Schwarzwald und aus dem Thรผringer Wald. Beide Firmen wollen unbedingt einen Groรauftrag des Bundes รผber 120.000 Sturmgewehre haben. Hierbei sieht es gut aus fรผr Heckler & Koch, Haenel zieht aber alle juristischen Register und will den Zuschlag doch noch bekommen. Im Mรคrz soll ebenfalls das Dรผsseldorfer OLG in einem separaten Verfahren entscheiden, ob Haenel wieder in das Rennen um den Groรauftrag einsteigen darf.โ
Wรคhrend es beim Bundeswehr-Auftrag um ein Vollautomatikgewehr ging, ging es bei der Polizei Sachsen (und in Bremen) um ein Halbautomatikgewehr.
โDas strittige Patent betrifft unter anderem winzige รffnungen im Gewehr, die einen raschen Wasserabfluss und eine schnelle Schussbereitschaft ermรถglichen sollen, wenn Soldaten durch einen Fluss waten oder am Meeresufer landen โ das nennt man โover the beachโ. In einem weiteren Strang der juristischen Auseinandersetzung will Haenel besagtes Patent vor dem Mรผnchner Bundespatentgericht fรผr nichtig erklรคren lassenโ, hieร es im Januar 2022 bei Legal Tribune Online.
Dass auch das Beschaffungsamt der Bundeswehr da eine Rolle beim Anfachen des Streits zwischen den beiden Waffenherstellern spielte, darรผber berichtete der โSpiegelโ im Juli 2021.
Vorhergegangen war dem eine opulente mediale Kampagne gegen das seit 1996 von der Bundeswehr genutzte Sturmgewehr G36, dem mit einer gewissen Theatralik fehlende Prรคzision bzgl. Dauerfeuer zugeschrieben wurde. Und ein Gewehr, das nicht prรคzise schieรt, muss man ja austauschen. Auch so entstehen Groรauftrรคge. 2015 war das, als die damalige Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen beschloss, das G36 auszumustern und ein neues Standardgewehr anzuschaffen.
รber die Prรคzisionsmรคngel wiederum war ihr Vorgรคnger als Verteidigungsminister, Thomas de Maiziรจre, seit 2012 informiert, so der โSpiegelโ schon 2015.
Empfohlen auf LZ
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Keine Kommentare bisher