Eigentlich wollte der Stadtrat in Dresden heute sein monatelanges Gezerre um die Beigeordnetenposten beenden. Linke, Grüne und CDU verfügten theoretisch über die erforderliche Mehrheit, um einen über Weihnachten erarbeiteten Kompromissvorschlag umzusetzen. Doch die Praxis sah anders aus: Zwei von vier Kandidat/-innen wurden erst im zweiten Wahlgang gewählt, einer gar nicht.
Schon die Wahl des höchsten Amtes im Sommer 2022 war eine knappe Angelegenheit. Der amtierende Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hatte den ersten Wahlgang zwar klar gewonnen, sah sich im zweiten Wahlgang aber mit Eva Jähnigen (Grüne) einer Herausforderin gegenüber, die nun auch von SPD und Linken unterstützt wurde. Dennoch konnte sich Hilbert erneut das Amt sichern.
Noch deutlich komplizierter wurde es im Anschluss, als die Besetzung der Beigeordnetenposten anstand. Grüne, Linke, CDU und SPD hatten sich auf Kandidat/-innen geeinigt, scheiterten jedoch am Veto des wiedergewählten Oberbürgermeisters. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit, um dieses Veto zu umgehen, hatten sie nicht.
Viele gescheiterte Anläufe
Es folgten Monate voller Gespräche, Versuche und gegenseitiger Vorwürfe, wer für das andauernde Scheitern verantwortlich war. Dabei ging es unter anderem um die Fragen, welche Parteien welchen Post bekommen sollten und wie viele Beigeordnete es überhaupt geben sollte. Insgesamt vier Wahlversuche scheiterten.
Im Dezember wurden die ehemalige Grünen-Bundessprecherin Gunda Röstel und der ehemalige CDU-Bundesminister Thomas de Maizière damit beauftragt, den Streit zu schlichten. Tatsächlich präsentierten sie in der vergangenen Woche einen Vorschlag, mit dem zunächst Grüne, CDU und Oberbürgermeister Hilbert und später auch die Linken leben konnten.
Aus Leipziger Sicht interessant war unter anderem die Empfehlung, künftig nicht mehr auf sieben, sondern nur noch auf sechs Beigeordnete zu setzen. Für eine Stadt wie Dresden sei das ausreichend. Leipzig war bekanntlich in die andere Richtung gegangen und hatte seine Verwaltungsspitze von sieben auf acht Posten erweitert und dabei Soziales und Gesundheit auf der einen sowie Jugend und Schule auf der anderen Seite voneinander getrennt.
Mehr Macht für den OBM
Sparen sollte Dresden ausgerechnet bei den Finanzen. Dieser Geschäftsbereich sollte künftig in den Aufgabenbereich des Oberbürgermeisters fallen. Für die SPD, die bislang den Finanzbürgermeister stellte, ergab sich daraus eine drastische Konsequenz: Sie sollte künftig ohne Posten bleiben.
Stattdessen sollte es jeweils zwei Posten für Linke, Grüne und CDU geben. Jene Parteien verfügen im Stadtrat auch über eine hauchdünne Mehrheit. Dass niemand so richtig zufrieden war oder zumindest eine mögliche Zufriedenheit über die Posten offen zur Schau stellen wollte, zeigte sich in der Ratsdebatte am 26. Januar, die den Wahlen vorausging.
Christiane Filius-Jaehne von den Grünen erklärte, dass sie weder mit der Verschiebung der Finanz-Zuständigkeit noch mit dem Ausklammern der SPD zufrieden sei. Doch weil der Kompromiss keine roten Linien überschreite, könne sie damit leben.
André Schollbach (Linke), der im vergangenen Juni ebenfalls bei der Oberbürgermeisterwahl angetreten war, fand die Lösung „nicht wirklich gut“. Er hätte die Lösung bevorzugt, die die Fraktionen vor einem halben Jahr gefunden hatten. Schollbach wies darauf hin, dass nur die Wahl der Verwaltungsspitze stattfinde – daraus ergebe sich keine inhaltliche Zusammenarbeit mit der CDU.
Klüngel, Murks und vertane Chance
Noch stärker artikulierten jene Fraktionen ihre Unzufriedenheit, die bei der Postenvergabe erwartungsgemäß nicht berücksichtigt wurden. Die AfD sprach von einem „Klüngel“ aus Linken, Grünen und CDU, die SPD bezeichnete den Kompromiss als „Murks“, die FDP bedauerte eine „vertane Chance“ und die „Freien Wähler“ wiesen darauf hin, dass Hilbert nun wieder mit Jähnigen zusammenarbeiten wolle, der er im OBM-Wahlkampf noch die Kompetenz abgesprochen habe.
Einzig die „Dissidenten“-Fraktion zog ein eher gemischtes Fazit. Deren Mitglied Johannes Lichdi bezeichnete den Schlichterspruch zwar als „schlecht“, erklärte aber dennoch seine Absicht, zuzustimmen. Die monatelange Hängepartie müsse beendet werden; zudem seien deutliche Anstrengungen beim Klimaschutz in Aussicht gestellt worden.
Das Chaos der vergangenen Monate setzte sich allerdings auch in der Abstimmung fort. Obwohl Linke, Grüne und CDU die erforderliche Mehrheit haben, benötigten Annekatrin Klepsch (Linke) und Eva Jähnigen (Grüne) zwei Wahlgänge, um als Kultur- beziehungsweise Umweltbürgermeisterin gewählt zu werden.
CDU-Kandidat scheitert an einer Stimme
In den zweiten Wahlgang musste auch Steffen Kaden (CDU), der sich als neuer Ordnungsbürgermeister bewarb. Doch für ihn kam es noch schlimmer: Eine Ja-Stimme fehlte zur erfolgreichen Wahl. Anschließend legte die Ratsversammlung eine kurze Pause ein.
Zweifel, dass sich die CDU nun bei der Wahl von Kristin Kaufmann (Linke) als Sozialbürgermeisterin nicht mehr an den Kompromiss gebunden fühlen könnte, räumte der CDU-Fraktionsvorsitzende Peter Krüger in einer kurzen Erklärung aus. Tatsächlich wurde Kaufmann mit verhältnismäßig überwältigender Mehrheit bereits im ersten Anlauf gewählt.
Nicht zur Wahl standen Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) und Bildungsbürgermeister Jan Donhauser (CDU), deren Amtszeit noch nicht abgelaufen war. Wie es mit dem Posten des Ordnungsbürgermeisters weitergeht, blieb zunächst offen.
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