Am 1. Juli stellte der Präsident des Sächsischen Rechnungshofes Jens Michel in einer Online-Pressekonferenz Band I des Jahresberichtes 2022 vor. Geprüft wurden Haushaltsplan und Haushaltsrechnung im Jahr 2020. Das war ja bekanntlich ein Ausnahmejahr, geprägt durch Corona, Sachsens ersten Nachtragshaushalt und den Beginn der 7. Legislatur. Und dasselbe gilt für 2021. Die Empfehlungen des Rechnungshofpräsidenten fand Franziska Schubert aber ziemlich daneben.

„Der Rechnungshof hat erneut darauf verwiesen, dass der Freistaat nach Zahlenlage die Notkredite innerhalb der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen acht Jahre tilgen kann. Wir müssen dabei allerdings eine Frage stellen: Wofür soll das so gemacht werden? Wem nützt das und auf wessen Kosten geht das?“, fragt sich Franziska Schubert, Vorsitzende und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Landtag, nach der überdeutlichen Empfehlung von Jens Michel, die Corona-Kredite so schnell wie möglich zurückzuzahlen.

Was ja direkte Folgen hat für die Finanzierungsspielräume ab dem Haushalt 2023. Denn dieses Geld muss ja irgendwo anders abgeknapst werden. In der Regel fehlt es bei den Investitionen.

Der Klassenprimus spart bei Zukunftsinvestitionen

„Der Klassenprimus zu sein, während wichtige Aufgaben nicht angegangen werden können, ist keine solide und nachhaltige Finanzpolitik“, sagt Schubert. „In Zeiten von Inflation und Rezession ist antizyklisches Handeln wichtig, um Krisen entgegenzuwirken. Wirtschaft und Gesellschaft brauchen genau das jetzt. Das ist volkswirtschaftlich richtig.“

Hinter Michels Empfehlung steht natürlich die seit Jahren geübte Finanzpolitik der sächsischen CDU, deren Ziel die „Schwarze Null“ ist, verbunden mit einem in der Verfassung verankerten Neuverschuldungsverbot, das die Staatsregierung bei aufgenommenen Krediten auch in Notzeiten dazu verpflichtet, diese Kredite binnen acht Jahren wieder abzutragen.

Egal, wie groß der Investitionsstau inzwischen ist und wie hart die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gerade sind.

Michel jedenfalls als ehemaliger finanzpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion unterstützte damit die Position des CDU-Finanzministers Hartmut Vorjohann, der ebenfalls trommelt, die Corona-Kredite ab 2023 schleunigst wieder abzutragen.

Für die Grünen aber, so Schubert, sei eine ausbalancierte Haushaltspolitik wichtig.

Die Tilgung fehlt dann im Haushalt

„Hohe Tilgungsraten werden die folgenden Haushalte belasten und einschränken und damit auch die Investitionsfähigkeit in den Bereichen, wo wir handlungsfähig bleiben müssen: Energiewende, Bildung, Forschung“, zählt sie die Felder auf, wo der Freistaat schon in der Vergangenheit immer wieder mit aller Kraft gespart hatte.

„Die Schuldenbremse in Sachsen kann nicht auf konjunkturelle Schwankungen reagieren. Das ist hochriskant in Zeiten wie diesen. Ich schlage schon seit Längerem vor, den Mechanismus anzupassen hinsichtlich makroökonomischer Entwicklungen. Wenn wir das jetzt nicht tun, sehe ich schwarz für Sachsens Haushalte der kommenden Jahre.“

Schubert jedenfalls findet das Denken der CDU über Finanzpolitik völlig unzeitgemäß.

„Es ist falsch, nur aus Rücklagen zu leben. Der Haushalt braucht andere strukturelle Mechanismen. Es ist Zeit, Finanzpolitik in Sachsen zeitgemäß zu denken. Steuererhöhungen gehören da nicht dazu – besonders nicht in Zeiten, wo die Belastungen ohnehin bedrückend sind. Das geht schlauer“, findet sie und schlägt vor:

„Wenn die Schuldenbremse in Sachsen so geregelt wäre, dass Kredite zur Glättung von konjunkturellen Schwankungen aufgenommen werden könnten, wäre eine angemessene Tilgung der Notkredite, aber auch anderer Kredite möglich. Wir brauchen tragfähige und praktikable Ansätze. Ein Festhalten an bisheriger Praxis halte ich für reine Ideologie zulasten einer guten Entwicklung im Freistaat.“

Was der Rechnungshof empfiehlt, ist eine Zukunftsbremse

Und auch Nico Brünler, Sprecher der Linksfraktion für Haushalts- und Finanzpolitik, findet das Beharren auf der eiligen Rückzahlung der Kredite in 300 Millionen Euro schweren Jahresraten völlig fehl am Platz.

„Bezüglich der vom Rechnungshof verteidigten strikten Zukunftsbremse müssen wir aber widersprechen: Wenn die milliardenschweren Corona-Kredite tatsächlich binnen acht Jahren getilgt werden, fehlt zu viel Geld für andere, wichtige Zwecke. Unsere Kinder und Enkel profitieren am meisten, wenn wir ihnen eine intakte Infrastruktur und ein Staatswesen übergeben, das seine Aufgaben erfüllen kann. Dazu braucht es auch genug Personal. Das Problem besteht derzeit eher darin, vorhandene Stellen auch zu besetzen!“, geht Brünler auf einige Probleme ein, die der Rechnungshofbericht einfach ausblendet.

„Die Staatsregierung muss mit dem Haushalt auf die massive Teuerung reagieren und für gerechte Entlastung sorgen. Die Kostensteigerungen werden beispielsweise auf die Kita-Elternbeiträge durchschlagen.“

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