Seit dem 25. April 2022 ist Armin Schuster (CDU) neu im Amt des Innenministers in Sachsen. Beobachtet man diese Position über die vergangenen Jahrzehnte hinweg, die vielleicht schwierigste Position, welche man in einem Bundesland wie Sachsen annehmen kann. Zudem löste der gelernte Bundespolizist und ehemalige Leiter des Bundeskatastrophenschutzes den Bankkaufmann und Hochschullehrer Roland Wöller (MdL, CDU) im Amt ab. Womit er das Erbe einiger bundesweit bekanntgewordener Polizeiskandale und einer offenkundig an Führungsunkultur leidenden Polizei im Freistaat antritt. Ein Interview in schriftlicher Form.
Gestellt hatten wir kurz nach dem Amtsantritt von Armin Schuster noch einige Fragen mehr. Manche wollte oder konnte der frisch gebackene Innenminister Sachsens in den ersten Wochen seiner Amtszeit noch nicht valide beantworten. Geblieben sind einige Themengebiete, die von bereits mitgebrachten Überzeugungen des CDU-Politikers und ersten Einblicken in das neue Amt geprägt sind.
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Zur Person
Armin Schuster wurde 1961 in Andernach, Rheinland-Pfalz, geboren und ist ausgebildeter Bundespolizist. Während der Jahre 1985 bis 89 war Schuster als erste politische Station unter Friedrich Walter Zimmermann (CSU) im Bundesinnenministerium tätig.
Ab 2009, nach Jahren der Dozententätigkeit und Leitungsfunkfunktionen bei den Bundespolizeiinspektionen Frankfurt (Oder) und Weil am Rhein, gehörte Schuster bis 2020 dem Deutschen Bundestag als direkt gewählter Abgeordneter an und war 2018 zwischenzeitlich auf Vorschlag Horst Seehofers als Bundesverfassungsschutzpräsident in der Nachfolge von Hans-Georg Maassen im Gespräch.
Stattdessen ernannte Seehofer Armin Schuster Ende 2020 zum Präsidenten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. In dieser Funktion erlebte Schuster das Ahr-Hochwasser, bevor er 25. April 2022 der neue Innenminister Sachsens wurde.
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Sehr geehrter Herr Schuster, mit Ihrer Amtseinführung am Montag, 25. April 2022, begleitete Sie die Hoffnung der Polizeigewerkschaften auf einen Neustart in der Zusammenarbeit, gleichwohl die Kritik aufgrund zurückliegender Äußerungen zur Flüchtlingspolitik und Polizeiarbeit, Sie seien ein „Hardliner“ in Sicherheitsfragen.
Was sind Ihre Hauptanliegen in einer durch Sie ausgerichteten Sicherheits- und Innenpolitik in Sachsen?
Wichtigste Grundlage einer erfolgreichen Innenpolitik ist Bürgernähe. Nur wenn die Menschen im Freistaat unsere politischen Entscheidungen mehrheitlich mittragen, werden wir dauerhaft erfolgreich sein. Ich sehe meine Behörde als Bürgerministerium, dessen Politik die Sachsen mitgestalten können.
Dazu müssen wir die Landesdirektion als direktes Scharnier zu den Kommunen und der Bevölkerung stärken. Ich setze auf attraktivere Ehrenämter und einen noch besseren Austausch mit kommunalen Verbänden.
In Puncto Sicherheit ist mir eine strukturelle Stärkung von Polizei und Verfassungsschutz sehr wichtig. Ich stehe für eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Extremismus.
Der Bevölkerungsschutz ist mit der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und im Ahrtal, dem Ukrainekrieg, aber auch mit immer stärker ansteigenden Waldbrandgefahren ein weiterer Schwerpunkt.
Zur Vorbeugung solcher Katastrophen halte ich es für erforderlich, mehr in Sirenenwarnung, mobile Betreuungseinrichtungen, Notstromreserven und Trinkwassernotversorgung zu investieren.
Mehrfach kam es in Sachsen bei Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zu tätlichen Angriffen auf Journalist/-innen, die von der Polizei nicht verhindert werden konnten, so z. B. am 13. Februar 2022 in Dresden-Laubegast.
Welche konkreten Maßnahmen sieht das Innenministerium vor, um zukünftig solche Vorfälle zu verhindern und die Pressefreiheit zu gewährleisten?
Das im letzten Jahr aufgelegte landesweite Medienschutzkonzept ist mittlerweile fester Bestandteil der polizeilichen Einsatzplanungen. Bei Großlagen werden geschulte Beamte eingesetzt, die Journalisten die gefahrlose Recherche ermöglichen sollen. Viele Medienschaffende nehmen das Angebot, sich von Einsatzbeamten begleiten zu lassen, dankbar an.
Im Gegenzug sensibilisieren wir Polizisten für die Aufgaben von Journalisten, indem sie Praktika in Redaktionen absolvieren oder Seminare besuchen können. Ein großes Problem bei Einsatzlagen ist jedoch, dass Journalisten nicht immer sofort als solche erkennbar sind. Hier müssen noch klare Regelungen gefunden werden, z.B. welche Presseausweise akzeptiert werden.
Ich werde zudem mit dem Justizminister ausloten, welche Möglichkeiten es gibt, Medienschaffende in Gerichtsprozessen vor Repressalien zu schützen. Oft sind Journalisten nämlich direkte und wichtige Zeugen von Straftaten, die helfen können, Täter zu überführen.
Ist es richtig, dass Sie den Einsatz biometrischer Daten in Sicherheitsarchitekturen befürworten? Welche Probleme sehen Sie beim polizeilichen Einsatz solcher Erkennungssysteme und welche Vorteile stehen diesen gegenüber?
Ich befürworte den Abgleich biometrischer Daten. Es ist ein zukunftsträchtiges und effektives Instrument zur Kriminalitätsbekämpfung. Doch für den Einsatz derartiger Technik müssen die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein und ein strenger Maßstab an die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden, um den Eingriff in die Rechte Unbeteiligter möglichst gering zu halten.
Im Jahr 2021 wurde die Polizei Sachsen mit 1.500 Bodycams ausgestattet, von denen sich der damalige Innenminister Wöller eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Gewalttäter erwartete.
Wie schätzen Sie das polizeiliche Einsatzmittel Bodycam ein und wird dieses zukünftig ausgedehnt werden? Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie sichergestellt werden soll, dass diese nicht eingesetzt werden, um Demonstrationsteilnehmende ohne ausreichenden Anlass zu filmen?
Extremisten, die gewaltsam gegen Polizisten vorgehen, tun dies im Bewusstsein, zum einen Mitbürger und zum anderen den Staat zu verletzen. Das werde ich auf keinen Fall dulden und jedes vom Rechtsstaat legitimierte Mittel einsetzen, dies zu verhindern.
Im Rahmen der Gesetze und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes werden vor allem zur Beweissicherung verstärkt auch Bodycams auf Demonstrationen eingesetzt werden. Die bisherigen Erfahrungen damit zeigen positive Wirkungen für die Beamtinnen und Beamte.
Nicht nur durch corona- bzw. krankheitsbedingte Ausfälle fehlen der sächsischen Polizei hunderte Beamte. Die Zusammenlegungen von Polizeistandorten vor allem im ländlichen Bereich hat zudem zu einer Abnahme des Sicherheitsgefühls und einer Verlängerung der Anfahrten von polizeilichen Einsatzkräften geführt.
Welche Pläne hat das Innenministerium, den Personalmangel in absehbarer Zeit zu beseitigen, werden Sie darauf drängen, den Einstellungskorridor zu verbreitern und wie stehen Sie zu der 2020 von einer Fachkommission evaluierte Zahl von 14.900 nötigen Personalstellen in Sachsen, um die Arbeitsfähigkeit der Polizei zu sichern?
Die sächsische Polizei ist eine der meistbelasteten Deutschlands. Intensive Fußballeinsätze, ständige Versammlungslagen, anhaltende Extremismusgefahren oder auch die lange Grenze zu Tschechien und Polen sind die besonderen Sicherheitsherausforderungen dieses Landes.
Dafür braucht es genauso eine starke Polizei wie für die nötige Präsenz im ländlichen Raum. Ich möchte vor allem dort die Erwartungen der Bevölkerung erfüllen. Das Ergebnis der Fachkommission geht in die gleiche Richtung, das unterstützt uns.
Mein Ziel ist deshalb, zunächst Sorge dafür zu tragen, dass alle eingestellten Anwärter fest in den Polizeidienst übernommen werden. In einem zweiten Schritt gilt es, den Einstellungskorridor für die kommenden zwei Jahre beizubehalten.
Es ist bekannt, dass Sie Abschiebungen erleichtern wollen. Sachsen schiebt gemeinsam mit Bayern mehr ab, als jedes andere Bundesland. Für welche Gruppen von Menschen steht diese politische Forderung Ihrerseits, nun, wo Sie im Rahmen Ihres neuen Amtes an einer (weiteren) Verschärfung, Beschleunigung und Durchführung von Abschiebungen in Sachsen arbeiten können?
Rückführungen sind kein Ausdruck einer politischen Präferenz, sondern Durchsetzung geltenden Rechts. Wir liegen im Vergleich zu anderen Bundesländern bei Rückführungen im Mittelfeld. Schutzsuchenden, die Hilfe benötigen, helfen wir.
Wer allerdings endgültig ausreisepflichtig ist, muss dem auch nachkommen, hier kann der Staat nicht beliebig werden und den Vollzug von Gesetzen relativieren. Bei vollziehbar Ausreisepflichtigen habe ich aber eindeutige Prioritäten: Mehrfach-, Intensiv- und Serien-Straftäter sowie Gefährder sind als Allererste zurückzuführen.
In Ihren ersten Statements zur Amtseinführung haben Sie angekündigt, nicht der neue „Sicherheitsminister“ Sachsens sein zu wollen. Wo sehen Sie selbst die größten Probleme in der sächsischen Innenpolitik oder soll die Aussage bedeuten, Sie werden sich auf die Sport- und Sportstättenförderung konzentrieren?
Sicherheit zu gewährleisten ist Kernaufgabe eines Innenministeriums, aber eben nur Teil eines großen Ganzen. Wir sind für das gesellschaftliche Gemeinwohl verantwortlich, deshalb nenne ich uns lieber das Bürger- und Kommunalministerium.
Zu den maßgeblichen Skandalen der sächsischen Sicherheitspolitik zählen neben veruntreuter Gelder und Munition beim LKA Sachsen und dem MEK auch ein jahrelang betriebener Verkaufsring für gestohlene Räder in/um Leipzig innerhalb von Polizeikreisen. Wie sehen Sie den aktuellen Zustand der Polizei Sachsens bei der „inneren Führung“?
Ich würde gerne mit dem Satz aufräumen, wonach die Polizei ein Spiegelbild der Gesellschaft sei. Wir erwarten überdurchschnittliche geistige, körperliche und medizinische Fitness und haben ein hartes Auswahlverfahren.
Wer ausgewählt wird, muss wissen, dass sie oder er im Umgang mit Bürgern in vielen Krisensituationen besonders gefordert wird: fachlich, sozial und kommunikativ. Das ist ein hoher Anspruch. Die Polizei, besonders in Uniform, steht quasi im Schaufenster der freiheitlich demokratischen Grundordnung.
Ihr eigenes Agieren ist entscheidend, ob die Bürger Vertrauen in sie haben. Deshalb stelle ich mich vor und hinter meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dafür erwarte ich nach innen gute handwerkliche Qualität und einwandfreie Haltung. Das ist für mich auch eine Frage der Führungskultur.
Vorgesetzte prägen jeden Tag die Haltung ihrer Mitarbeiter. Wir haben aber noch zu viele Anlässe, die nicht zum Selbstverständnis der Polizei passen. Deshalb werden wir hier intern zügig die notwendigen Initiativen ergreifen.
Anm. d. Red.: Das Interview wurde schriftlich geführt, die Fragen vor zirka vier Wochen versandt, weshalb keine aktuellen Fragen, wie bspw. der nach den aktuellen Geschehnissen rings um die mangelhafte polizeiliche Verfolgung von Straftaten im Internet, vorkommen.
Offengeblieben ist ebenfalls, ob Sachsen bei den Abschiebungen wirklich zum Mittelfeld zählt. Bei den absoluten Zahlen stimmt das. 2021 befand sich Sachsen jedoch beispielsweise hinter dem Land Berlin laut der Bundeszentrale für politische Bildung auf Platz 2 aller Abschiebungen bundesweit im Verhältnis zur Einwohnerzahl je Bundesland, vor Nordrhein-Westfalen und Bayern.
Diese Zuordnung nach Bevölkerungszahlen erscheint relevanter als absolute Zahlen, da Asylbewerber bei ihrem Erstaufenthalt nach dem Königsteiner Schlüssel in einer Mischung aus Steueraufkommen und Einwohnerzahl auf die Bundesländer verteilt werden.
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“Ich würde gerne mit dem Satz aufräumen, wonach die Polizei ein Spiegelbild der Gesellschaft sei.”
Da hat er – leider – recht. Der Anteil eher rechtslastiger Menschen scheint dort noch höher zu sein als im allgemeinen Bevölkerungsdurchschnitt… Und der ist schon viel zu hoch…