So schnell geht das. Ein Tag genügt. Noch am Donnerstag, 12. Mai, meinte der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Jan Löffler, den finanzpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Dirk Panter, zurechtrüffeln zu müssen, weil der den vom Knausern begeistern CDU-Finanzminister für seine engstirnigen Sparpläne für den Doppelhaushalt 2023/2024 kritisiert hatte. Stunden später veröffentlichte das Bundesfinanzministerium die neue Steuerschätzung für Mai. Und siehe da: Auch Sachsen bekommt mehr Geld.

Über die Fiktion der Schwäbischen Hausfrau, die immer wieder durch die Finanzvisionen sowohl der CDU als auch der FDP geistert, haben wir schon mehr als genug geschrieben. Es ist nicht mehr als eine Fiktion. Aber eine wirkmächtige, weil sie den Steuerzahlern immer wieder einredet, es sei einfach nicht genug Geld da, um alle staatlichen Aufgaben vollumfänglich zu erfüllen. Man müsse sparen, kürzen, Rücklagen bilden.

Das versteckt sich dann immer wieder hinter Begriffen, die suggerieren, dass es den konservativen Sparmeistern gar nicht ums Kürzen geht.

Das klang am 12. Mai so, als sich der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Jan Löffler, nach einem Interview des SPD-Fraktionsvorsitzenden Dirk Panter in der „Sächsischen Zeitung“ zu Wort meldete. Im Interview hatte Panter Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann vorgeworfen, sich nicht mit den Vorschlägen der Sozialdemokraten zum Doppelhaushalt auseinanderzusetzen und ihm unterstellt, „Unsinn“ zu verbreiten.

Wenn die CDU von „Prioritäten setzen“ redet

„Die Äußerungen von Herrn Panter finde ich befremdlich“, meinte Löffler. „Das Verfahren zur Aufstellung des neuen Doppelhaushalts hat erst begonnen. Die Staatsregierung plant gerade ihren Regierungsentwurf. Insofern ist es vollkommen legitim und richtig, dass der Finanzminister bereits in dieser frühen Phase einen klaren finanziellen Rahmen setzt, innerhalb dem wir uns bewegen sollten. Zumal die Corona-Krise als auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine finanzpolitisch neue Realitäten geschaffen haben.“

Und dann kam die mittlerweile ziemlich ausgelatschte Formel, mit der die CDU seit Jahren in sächsischen Haushaltsverhandlungen ihre Kürzungspläne verbrämt. Die lautet nämlich: „Prioritäten setzen“. Das klingt positiv, bedeutet aber nichts anderes, als dass die nicht priorisierten Bereiche Einschnitte hinnehmen müssen und dass für wichtige Zukunftsinvestitionen kein Geld da ist.

„Für die CDU-Fraktion ist klar: Der kommende Doppelhaushalt muss Prioritäten setzen“, sagte Löffler. „Anstatt das Prinzip Gießkanne walten zu lassen, brauchen wir jetzt Haushaltsdisziplin. Daher gilt es klare Schwerpunkte zu setzen und sich vielleicht von dem einen oder anderen liebgewonnenen Standard zu lösen!“

Mit „Gießkanne“ waren hier eindeutig die Vorschläge der SPD gemeint, in welche Bereiche jetzt dringend investiert werden müsste. Dass Panter auf den immer opulenter vollgestopften Generationenfonds verwies, das Lieblingssparschwein der CDU, fand Löffler dann ganz ungehörig.

„Der von der SPD ins Spiel gebrachte Griff in den Generationenfonds, ist ein finanzpolitischer Taschenspieltrick zulasten der Jüngeren“, behauptete er. „Das Geld, was wir jetzt nicht für die Pensionen zurücklegen, müssen unsere Kinder später teuer berappen! Wer wie Herr Panter fünf Milliarden Euro dem Fonds entzieht, raubt in Wirklichkeit der nächsten Generation die politische Freiheit, die eigenen Probleme zu lösen.“

Alle Jahre wieder

Und während der von der CDU gestellte Finanzminister wieder mit einem „klaren finanziellen Rahmen“ operiert, um den Koalitionspartnern einen Kürzungshaushalt schmackhaft zu machen, veröffentlichte das Bundesfinanzministerium eine neue Steuerschätzung, die Vorjohanns Planzahlen gleich mal wieder über den Haufen wirft.

Am Freitag, 13. Mai, musste das Sächsische Finanzministerium dann selbst zugeben, dass es die Haushaltsplanung für 2023/2024 mit viel zu niedrigen Steuereinnahmen kalkuliert hat.

Was Hartmut Vorjohann dann trotzdem nicht abrücken ließen von seiner Panikmache: „Die gestiegenen Einnahmeerwartungen können uns in den laufenden Haushaltsberatungen etwas Marscherleichterung verschaffen und verkleinern unser strukturelles Defizit etwas. Die vorhandenen Mehrforderungen der Ressorts bleiben dennoch in Größenordnungen unbezahlbar. Für immer neue Ausgabenwünsche entstehen weiterhin keine Spielräume. Es bleibt dabei: Wir können nur das ausgeben, was wir einnehmen. Wer etwas anderes verspricht, bürdet finanzielle Lasten den künftigen Generationen auf.“

Konkret heißt das: Der Freistaat Sachsen kann nach der aktuellen Steuerschätzung in den nächsten Jahren mit Mehreinnahmen im Vergleich zur Prognose vom November 2021 rechnen. Die Ergebnisse der Mai-Steuerschätzung lassen für die Jahre 2023 und 2024 Steuereinnahmen in Höhe von 18,5 Milliarden Euro bzw. 19,1 Milliarden Euro erwarten. Die Einnahmeerwartungen liegen damit 837 Millionen Euro bzw. 796 Millionen Euro über den Ergebnissen der Steuerschätzung vom November 2021.

Panter fordert Investitionen

Etwas anderes hat aber auch Panter nicht versprochen. Weshalb er am Freitag auch gleich mal mit einer deutlichen Erklärung nachlegte. Denn vorher hatte Vorjohann mit völlig anderen Prognosen hantiert.

„Die pessimistischen Stimmen haben sich nicht bewahrheitet. Noch vor drei Wochen rechnete der Finanzminister in Interviews vor, dass bei den Einnahmen Rückgänge statt Zuwächse zu erwarten sind. Nun zeigt die neue Steuerschätzung: Sachsen kann für die kommenden Jahre mit steigenden Steuereinnahmen rechnen. Das Finanzministerium erwartet bis 2026 Mehreinnahmen in Höhe von 4,1 Milliarden Euro“, stellte Panter fest.

Konkret meldete das Finanzministerium:

„Im Ergebnis der neuen Mai-Steuerschätzung kann der sächsische Staatshaushalt im laufenden Jahr 2022 mit Steuereinnahmen von 18,3 Milliarden Euro rechnen. Für die Jahre 2023 und 2024 werden 18,5 Milliarden bzw. 19,1 Milliarden Euro prognostiziert. Damit haben sich die Einnahmeerwartungen im Vergleich zur Steuerschätzung vom November 2021 verbessert.“

„Seinerzeit waren für das Jahr 2022 noch Steuereinnahmen von 17,5 Milliarden Euro und für den Zeitraum 2023/2024 in Summe rund 36,0 Milliarden Euro erwartet worden. Die Ergebnisse der Mai-Steuerschätzung bilden jetzt die Grundlage für den Regierungsentwurf zum Doppelhaushalt 2023/2024.“

Womit Vorjohann selbst zugab, dass seine zuvor verbreiteten Zahlen Makulatur sind. Die jetzt prognostizierten Zahlen gelten.

Und das bedeutet nun einmal, so Dirk Panter, dass die Mai-Steuerschätzung natürlich Auswirkungen haben muss auf das, was dann im Doppelhaushalt steht.

„Einen pauschalen Rasenmäher lehnen wir jetzt erst recht ab. Das wäre unvernünftig. Wir brauchen eine aktive Investitionspolitik, mit der der Staat den Umbau der Wirtschaft gezielt finanziell unterstützt. Hier geht es nicht um Konsum oder Lieblingsprojekte, sondern um wichtige Investitionen in die Zukunft des Freistaates“, erklärt der Finanzexperte der SPD-Fraktion, worin sich der Blick der SPD auf die „Lasten der künftigen Generationen“ radikal von der Beamten-Versorgermentalität der CDU unterscheidet.

Das Sparschwein der sächsischen Regierung

Die Milliarden, die Sachsens Finanzminister im Generationenfonds gebunkert haben, sind samt und sonders unterlassene Investitionen. Und mit über 9 Milliarden Euro, die dort inzwischen in Papieren angelegt sind, hätte Sachsen ein richtig großes Investitionsprogramm starrten können.

„Wir stehen vor dem größten Modernisierungsprozess seit 1990“, sagt Panter. „Wenn wir auch in Zukunft gut in Sachsen leben wollen, wenn wir gute Arbeitsplätze wollen und unsere Energiezukunft klimaneutral sichern wollen, dann müssen wir jetzt handeln. Die Zeit für große Investitionen ist jetzt. Und die bestreiten wir am besten aus einem Fonds, wie wir ihn mit dem SachsenFonds 2050 vorgeschlagen haben. Damit sind sie über mehrere Jahre gut und verlässlich planbar. Die Ampelregierung im Bund geht hier mit gutem Beispiel voran und sichert zentrale Aufgaben, wie beispielsweise den Klimaschutz und die bessere Ausstattung der Bundeswehr, über Sondervermögen ab.“

Für ihn steht fest: „Der Freistaat Sachsen muss das Investitionstempo des vergangenen Jahrzehnts hochhalten. Wer jetzt Geld in Vorsorge steckt, anstatt zu investieren, der handelt fahrlässig. Geld, das wir jetzt für Pensionen zurücklegen, verbrennt durch die Inflation und unsere Kinder müssen es später noch mal berappen. Es ist geradezu absurd, höhere Steuereinnahmen so zu verschwenden. Das raubt der nächsten Generation die politische Freiheit, eigene Probleme zu lösen. Generationengerechtigkeit sieht anders aus.“

Auch Grüne gegen „wahllose Kürzungen“

Und auch die Grüne-Fraktion im Landtag sieht nach der Mai-Steuerschätzung die nötigen Spielräume, auch 2023/2024 die nötigen Investitionen im Freistaat voranzutreiben.

„Die Steuerschätzung nimmt den Druck etwas aus dem Kessel – die finanzpolitische Situation bleibt trotzdem herausfordernd. Der Krieg in der Ukraine bringt Unsicherheiten und hat weitreichende Konsequenzen im Energie- und Sicherheitsbereich. Beides wird sich auswirken auf die deutsche Volkswirtschaft. Die Prognose lässt mich dennoch etwas ruhiger auf die nächsten zwei Jahre schauen und ich habe die Zahlen auch ähnlich erwartet. Unsere finanzpolitischen Hausaufgaben müssen wir allerdings machen“, erklärte am Freitag Franziska Schubert, Vorsitzende und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen.

„Ich bin angesichts dieser Zeiten allerdings verwundert über den Hahnenkampf, den sich die Männer von SPD und CDU öffentlich liefern. Ich meine, wir sollten uns auf die Aufgaben konzentrieren, die vor uns liegen – und das sind einige.“

Nur dass die eben finanziert werden müssen und deshalb auch im Doppelhaushalt stehen müssen.

„Höhere Steuereinnahmen heißt nicht, sich zurücklehnen zu können. Wir Bündnisgrüne werden keinen Haushalt mittragen, der sein Allheilmittel in wahlloser Kürzung sieht“, sagte Schubert und kritisiert damit letztlich die ewigen Sparmeister der CDU, die lieber Geld in milliardenschweren Fonds horten, als in die Zukunft des Freistaats zu investieren.

„Dennoch sind wir in der Koalition alle miteinander in der Pflicht, Aufgaben zu priorisieren und auch konsequent zu prüfen, wie nachhaltig die zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt werden. Sparen ist kein Selbstzweck; allerdings muss in Sachsen dringend der Investitionsbegriff auf Höhe der Zeit gebracht werden. Gerade in den kostenintensiven Bereichen, wie dem ganzen Baubereich, muss darauf geachtet werden, wie wir bauen – um Folgekosten zu senken. Ökologie und Ökonomie gehören finanzpolitisch zusammen – das ist Effizienz. Sogenannte ‚grüne‘ Infrastrukturen sind die intelligenten Strukturen der Zukunft“, sagt Schubert. „Sie sind neben ‚grauer‘ Infrastruktur in Zeiten des Klimawandels unverzichtbar.“

Es gehe um „nachhaltige und generationengerechte Finanzpolitik“, betont sie.

„Und darum gilt es neben der Freude über etwas Luft durch die Steuermehreinnahmen auch darauf zu schauen, welche finanzpolitischen Hausaufgaben zu lösen sind. Und da fordere ich beide Koalitionspartner auf, das mit der gebotenen Ernsthaftigkeit zu machen. Größte Aufgabe ist die Einigung bei der Modernisierung der sächsischen Schuldenbremse. Wir haben schon viel Zeit verloren durch diese Bummelei. Insbesondere die CDU hat das Thema vergangenes Jahr ausgesessen; das fällt uns jetzt auf die Füße“, bringt sie einen weiteren Kritikpunkt am konservativen Koalitionspartner vor.

„Wir Bündnisgrüne wollen die Schuldenbremse modernisieren. Aufgrund der sächsischen Schuldenbremse kann in Sachsen weder auf Inflation noch auf Konjunkturschwankungen reagiert werden. Haushalte, Rücklagen, Daseinsvorsorge, Investitionen sind davon aber nicht losgelöst. Daher wollen wir Bündnisgrüne, dass beide Komponenten zum Inflations- und zum Konjunkturausgleich verfassungsrechtlich fester Bestandteil werden. Gerade die vergangenen beiden Jahre und die aktuellen Entwicklungen zeigen, wie wichtig unser Vorschlag für Sachsen ist.“

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