Da war selbst der sächsische Finanzminister überrascht: Kaum sind die meisten wirtschaftlichen Einschränkungen nach den ersten beiden Corona-Wellen aufgehoben, nahm Sachsens Wirtschaft sofort wieder Fahrt auf. Noch im Frühjahr 2021 gab er sich als Mahner, weil die Steuerprognosen nur sachte wieder anzogen. Und nun das: Die Novemberschätzung zeigt Sachsens Steuereinnahmen wieder auf dem Niveau vom Herbst 2019, also vor Corona.
Ausgehend von derzeit optimistischen wirtschaftlichen Erwartungen kann der Freistaat Sachsen nach der aktuellen Steuerschätzung in den nächsten Jahren mit deutlichen Mehreinnahmen im Vergleich zur Prognose vom Mai 2021 rechnen. Die Ergebnisse der November-Steuerschätzung lassen für die Jahre 2021 und 2022 Steuereinnahmen in Höhe von 16,8 Milliarden Euro bzw. 17,5 Milliarden Euro erwarten.Die Einnahmeerwartungen liegen damit auf bzw. sogar über dem Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie, meldet das Sächsische Finanzministerium. Das sind immerhin 859 Millionen Euro bzw. 1.005 Millionen Euro über den Ergebnissen der Steuerschätzung im Mai dieses Jahres.
Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann: „Die zahlreichen staatlichen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie haben dazu beigetragen, dass die Wirtschaft insgesamt doch gut durch die Krise gekommen ist. Unsere schlimmsten Befürchtungen zum Einbruch der Steuereinnahmen sind so im Moment nicht eingetreten, was gut ist für den weiteren Weg zurück auf den Wachstumskurs.“
Der Freistaat hatte im April 2020 den Corona-Bewältigungsfonds geschaffen, um sächsische Bürger und Unternehmen bei pandemiebedingten Herausforderungen finanziell zu unterstützen und den Staatshaushalt im Fall eines länger andauernden Wirtschaftseinbruchs auch bis 2022 auskömmlich finanzieren zu können.
Weniger Schuldenaufnahme nötig
Eine wichtige Entlastung zeichnet sich jetzt schon ab: Dass Sachsen nicht die vollen 6 Milliarden Euro an neuen Krediten aufnehmen muss, die der Landtag zur Bewältigung der Corona-Maßnahmen bewilligt hat.
„Die neue Steuerschätzung versetzt uns schon 2021 und 2022 in die Lage, voraussichtlich keine weiteren Kredite zur Kompensation der pandemiebedingt weggebrochenen Steuereinnahmen aufnehmen zu müssen“, stellt Vorjohann fest.
„Das führt auch zu einer Reduzierung der 2023 beginnenden Tilgungen der Notlagenkredite im Corona-Bewältigungsfonds und damit zur finanziellen Entlastung kommender Haushalte. Krisenmanagement und solide Finanzpolitik schließen einander also nicht aus, wenn man bestimmte Spielregeln einhält. Dennoch sehe ich mit großer Sorge die tagesaktuellen Entwicklungen bei der Pandemielage in Sachsen und darüber hinaus. Aus diesem Grund ist es für eine finanzielle Entwarnung deutlich zu früh.“
Kein Wort freilich zur Forderung auch der Koalitionspartner, die 2013 in der Verfassung verankerten Tilgungszeiträume zu verlängern, um nicht schon ab 2023 in der Größenordnung von 500 bis 700 Millionen Euro jedes Jahr die Corona-Kredite abzutragen.
Das dürfte jetzt noch einmal für heftige Diskussionen zwischen der CDU und ihren Koalitionspartnern SPD und Grüne führen. Denn Sachsen hat nichts gewonnen, wenn es ab 2023 Gelder in dieser Größenordnung abzweigen muss und dann die Einschnitte erlebt, die in der Corona-Zeit vermieden wurden.
Von den bewilligten 6 Milliarden hat der Freistaat bislang 2,7 Milliarden Euro an Krediten aufgenommen, um die Steuerausfälle 2020/2021 zu kompensieren und die heimische Wirtschaft und die Kommunen zu stützen. Diese Gelder müssten – wenn der Landtag die Verfassung nicht ändert – binnen acht Jahren wieder zurückgezahlt werden.
Prognosen für den Doppelhaushalt 2023/2024
Auch für den Zeitraum des Doppelhaushalts 2023/2024 fallen die Einnahmeerwartungen der Novemberschätzung besser aus als noch im Mai, stellt das Finanzministerium fest. So werden für das Jahr 2023 Einnahmen in Höhe von 17,7 Milliarden Euro und für 2024 Einnahmen in Höhe von 18,3 Milliarden Euro erwartet.
Das sind 641 Millionen Euro bzw. 670 Millionen Euro mehr als zur Maischätzung. Tatsächlich liegen die Prognosen wieder auf dem Niveau, das auch das Finanzministerium vor Corona für seine Mittelfristige Finanzplanung angenommen hat.
Aber Vorjohann wäre nicht Vorjohann, wenn er nicht gleich wieder warnend den Zeigefinger heben würde: „Die Entlastung des Staatshaushalts fällt real jedoch voraussichtlich geringer aus. Die Mehreinnahmen sind auch Ergebnis der aktuell hohen Inflation und die steigenden Preise werden uns zudem ausgabenseitig belasten.“
Die aktuellen Schätzergebnisse des Arbeitskreises bilden die Grundlage für den Beginn der Beratungen der Staatsregierung zum Doppelhaushalt 2023/2024 und für die Mittelfristige Finanzplanung bis 2025.
Dazu sagte der Finanzminister am Freitag: „Allerdings dürfen die auf dem Papier positiven Zahlen nicht über die eigentlichen Probleme des Freistaates hinwegtäuschen. Wir finanzieren einen Teil unserer Ausgaben aus Rücklagen, die nahezu verbraucht sind.“
Mit Blick auf die in der bisherigen Finanzplanung ausgewiesenen Deckungslücke von jeweils über zwei Milliarden Euro in 2023 sowie 2024 ergänzte er: „Allein höhere Steuereinnahmen und geringere Tilgungslasten schließen diese Lücke nicht. Es wird noch ein echter Kraftakt, mittelfristig zu einem strukturell ausgeglichenen Staatshaushalt zurückzukehren. Das heißt vor allem, für neue Ausgabenwünsche sind weiterhin keine finanziellen Spielräume vorhanden – ganz im Gegenteil.“
Ein Großteil dieser Deckungslücke kommt aber gerade aus den hohen Tilgungsraten für die Corona-Kredite. Wenn die CDU an der Stelle nicht einlenkt, dürften in der Regierungskoalition demnächst die Fetzen fliegen.
Bessere Aussichten für die Kommunen
Die sächsischen Kommunen können im Ergebnis der neuen Steuerschätzung ebenfalls mit deutlich höheren Steuereinnahmen rechnen. In den Jahren 2021 und 2022 liegen die erwarteten Einnahmen mit knapp 3,9 Milliarden Euro bzw. etwa 4,1 Milliarden Euro um 326 bzw. 372 Millionen Euro über den Prognosen vom Mai.
Bis 2025 steigen die Einnahmen auf rund 4,6 Milliarden Euro an, sodass im gesamten Schätzzeitraum knapp 1,7 Milliarden Euro an kommunalen Steuermehreinnahmen gegenüber Mai 2021 erwartet werden. Ursächlich für die Entwicklung sind hohe Zuwächse beim Aufkommen der Gewerbesteuer.
Wobei hier eben nicht der Mai 2021 mit seinen noch viel zu niedrigen Prognosen ausschlaggebend ist, sondern der November 2019, als die Pandemie noch nicht absehbar war.
Die 161. Sitzung des Arbeitskreises Steuerschätzungen fand vom 9. bis 11. November 2021 als Videokonferenz statt. Den gesamtstaatlichen Schätzergebnissen nach ergeben sich für Bund, Länder und Gemeinden im Vergleich zur Maischätzung in allen Jahren bis 2025 jeweils hohe Mehreinnahmen.
Die Arbeitskreismitglieder mussten sich für ihre Prognose unter anderem mit der Frage auseinandersetzen, wie nachhaltig die wirtschaftlichen Erholungssignale bis dato sind und welche Auswirkungen das Pandemiegeschehen derzeit hat. Im Resultat verbleiben im vorliegenden Schätzergebnis weiterhin große Unsicherheiten.
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