Es wird heißer und es wird trockener. Und Extremwetterereignisse gibt es obendrein.´Das ist eigentlich allen längst bekannt. Auch der sächsischen Staatsregierung, die seit 15 Jahren über sehr konkrete Klimamodellierungen für den sächsischen Raum verfügt. Aber was es tatsächlich bedeutet und wie dramatisch sich das Klima schon in den nächsten Jahrzehnten verändern wird, das können sich Viele immer noch nicht vorstellen.

Klimasteckbriefe: Was kommt auf Mitteldeutschland zu?

Wie der Klimawandel in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt die Temperatur und den Niederschlag bereits verändert hat und bis 2050 verändern wird, können Bürgerinnen und Bürger, Experten und Kommunen für ihre Gemeinde ab sofort online in Klimasteckbriefen nachlesen.

Die Steckbriefe sind am Freitag, 5. November, in Nossen von der Präsidentin und den Präsidenten der Landesumweltämter, Dr. Sandra Hagel vom Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (LAU), Mario Suckert vom Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN) und Norbert Eichkorn vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) vorgestellt worden.

Blick in die Klimazukunft

Für den Blick in die Klimazukunft ist ein auf die Region Mitteldeutschland zugeschnittenes Klimamodell erstellt worden, das sogenannte „Kernensemble Mitteldeutschland“. Dafür wurden globale Klimamodelle gezielt für Mitteldeutschland ausgewertet und auf Grundlage regionaler Kriterien zusammengeführt.

Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hatten sich bereits 2012 zusammengeschlossen und das regionale Klimainformationssystem ReKIS ins Leben gerufen. Das Informationssystem wurde jetzt von einem Fachdatenportal zu einem Klimaportal für verschiedene Zielgruppen erweitert: „ReKIS Wissen“ für die interessierte Öffentlichkeit, „ReKIS kommunal“ für Städte und Gemeinden sowie „ReKIS Expert“ für fortgeschrittene Nutzer.

Anpassungsmaßnahmen notwendig

Ab sofort können über „ReKIS kommunal“ kompakte Klimasteckbriefe zu Lufttemperatur und Niederschlag für alle Kommunen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen abgerufen werden. Die Steckbriefe zeigen, wie sich Lufttemperatur und Niederschlag vor Ort bis 2050 entwickeln werden und welche Anpassungsmaßnahmen geeignet sind, um zum Beispiel der Überhitzung in Städten und Gemeinden entgegenzuwirken oder die Folgen von Starkregenereignissen abzumildern. Die Klimasteckbriefe werden fortlaufend aktualisiert.

Darüber hinaus arbeiten Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts „KlimaKonform“ an einem Konzept für ein Klimacoaching, das Kommunen unterstützen soll.

Was sind die Auswirkungen für Leipzig?

„Ab 2042 ist ein Jahr wie 2019 Durchschnitt“, heißt es im Klimasteckbrief zu Leipzig. 2019 wurde in Leipzig eine Jahresmitteltemperatur von 11,2 Grad Celsius gemessen. Das lag schon 2,5 Grad über dem langjährigen Jahresmittel. (Das ReKIS weist hier nur 1,8 Grad aus). Es gab 25 heiße Tage mit Temperaturen über 30 Grad Celsius. Normal waren in der Vergangenheit im Schnitt sechs heiße Tage.

Als Spitzentemperatur wurden 38,3 Grad Celsius gemessen. Dafür lag die Niederschlagsmenge um 22 Prozent unter dem langjährigen Mittel. Entsprechend vertrocknet waren Parks und Wiesen. Der Auwald wies zum ersten Mal sichtbare Hitzeschäden aus, während zahlreiche Straßenbäume vertrockneten. Und solche Jahre wird es schon bald regelmäßig geben – mit dramatischen Folgen für Landwirtschaft und Wasserhaushalt.

Die prognostizierte Temperaturentwicklung für Leipzig. Grafik: Freistaat Sachsen, Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie
Die prognostizierte Temperaturentwicklung für Leipzig. Grafik: Freistaat Sachsen, Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

Massive Temperaturerhöhungen prognostiziert

Eine Jahresmitteltemperatur von 2,7 Grad über dem langjährigen Mittel sagen die Modelle jetzt bis 2050 voraus. Und damit ist Leipzig nicht die Ausnahme, denn für ganz Sachsen steht eine Temperaturerhöhung um rund 3 Grad gegenüber den mittleren Temperaturen von 1961 bis 1990 bevor.

Und die Modellierungen enden ja nicht im Jahr 2042. All das, was wir heute an klimaschädlichen Gasen emittieren, wird ja langfristig dazu beitragen, die Temperaturen weiter ansteigen zu lassen. Bis zum Jahrhundertende sind dann durchaus Durchschnittstemperaturen möglich, die eben nicht nur die angestrebten 1,5 Grad überm alten Mittelwert betragen, sondern um 4,3 bis 5 Grad darüber liegen.

Die im Leipzig-Steckbrief angegebenen 1,8 Grad sind eher der unterste Wert der von ReKIS prognostizierten Spannbreite für 2042, die 2,7 Grad die Mitte. Es könnten auch 3,5 Grad werden.

Und 30 Jahre später könnten es dann schon 4,3 Grad mehr sein, die die Bewohner der Stadt Leipzig leiden lassen.

Die Warnung an die Kommunen ist deutlich: Sie müssen schleunigst Klimaanpassungsmaßnahmen auf den Weg bringen, damit das Leben in den Städten überhaupt noch auszuhalten sein wird.

Die wesentlichen Herausforderungen für Leipzig:

starke Zunahme der Sommertemperatur
Berücksichtigung bei der Stadtplanung notwendig, z. B. Beschattung, Ausrichtung von Gebäuden, Klimatisierung öffentlicher Einrichtungen
neue Krankheitsüberträger und Erreger
erhöhtes Schädlingsaufkommen, aber weiterhin auch kalte Winter möglich

„Hitzesommer 2018 und 2019 schon im Normalfall übertroffen“

Norbert Eichkorn, Präsident des LfULG: „Mit den Klimasteckbriefen aus ›ReKIS kommunal‹ unterstützen wir das konkrete Handeln vor Ort und stellen frei zugängliche Informationen zur Verfügung. Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunen können sich ein Bild machen, was sie bis zur Mitte des Jahrhunderts erwartet und welche Anpassungsmaßnahmen umgesetzt werden müssen.“

Dr. Sandra Hagel, Präsidentin des LAU: „Die Berechnungen für Mitteldeutschland zeigen auch: Ohne Klimaschutz wird sich die Erwärmung ab 2050 enorm beschleunigen. Die extremen Temperaturen der Hitzesommer 2018 und 2019 werden dann bereits im Normalfall übertroffen.“

Mario Suckert, Präsident des TLUBN: „Dem Klimawandel können wir nur gemeinsam begegnen. Die aktuellen Bemühungen auf globaler, europäischer und bundesweiter Ebene halte ich für wichtig und alternativlos. In Mitteldeutschland haben wir gezeigt, dass dies auch auf regionaler Ebene erfolgreich begonnen werden kann. Die langjährige länderübergreifende Kooperation zwischen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und die Entwicklung von ReKIS sind dafür ein nachhaltiger Beleg.“

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar