Am, 19. Oktober veröffentlichte das Sächsische Staatsministerium des Innern seinen mittlerweile zweiten Lagebericht der Koordinierungsstelle für Extremismusprävention und -bekämpfung. In dem geht es nicht um den allgemeinen Extremismus im Land, sondern um den von Staatsbediensteten. Und das Instrument zeigt Wirkung. Beamte, die extremistische Neigungen zeigen, können auch ihren Job verlieren.
Der neue Bericht baut auf dem im Mai dieses Jahres vorgestellten ersten Lagebericht der Koordinierungsstelle für Extremismusprävention und -bekämpfung (KostEx) auf.Im trockenen Beamtendeutsch der Meldung aus dem SMI klingt das neue Zwischenergebnis so: „In Bezug auf den gesamten Betrachtungszeitraum vom 1. Januar 2017 bis 30. Juni 2021 führten 47 Sachverhalte mit extremistischem Bezug zu 52 Prüffällen – das heißt zur Einleitung einer Prüfung dienst- oder arbeitsrechtlicher Maßnahmen. Im Vergleich zum Stichtag 31. Dezember 2020 sind das acht Sachverhalte mehr. Die insgesamt 47 Sachverhalte bezogen sich auf 48 Personen. Hierbei handelte es sich um 47 Bedienstete der sächsischen Polizei sowie einen Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz. In der Polizei wurden damit seit 2017 bei etwa 0,31 Prozent der Bediensteten Sachverhalte mit extremistischen Bezügen geprüft.“
Da hier die ganze Zeit von „Extremismus“ die Rede ist: Um welche Art Extremismus handelt es sich eigentlich?
„Die überwiegende Anzahl der Sachverhalte mit extremistischem Bezug stand im Zusammenhang mit Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit. Hinweise zu extremistischen Netzwerken gab es bislang nicht“, meint das SMI.
Was im Bericht zu lesen steht
Der Bericht wird da wesentlich konkreter: „Bei 44 Personen standen die geprüften Sachverhalte im Zusammenhang mit Rechtsextremismus, bei zwei Personen im Zusammenhang mit Islamismus. Bei jeweils einer Person gab es einen Bezug zur Szene der Reichsbürger bzw. zum neuen Phänomenbereich des Bundesamtes für Verfassungsschutz ‚Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates‘. Die überwiegende Anzahl der Sachverhalte mit extremistischem Bezug stand im Zusammenhang mit Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit.“
Da versteht man den Hinweis auf die nicht gefundenen Netzwerke schon besser. Denn was bei den geprüften Beamten gefunden wurde, erinnert eben doch an diverse Vorkommnisse, die in den vergangenen Jahren Schlagzeilen machten: „fremdenfeindliche Beiträge bzw. Kommentare auf Facebook,
– mündliche fremdenfeindliche Äußerung in/außerhalb der Dienstzeit,
– fremdenfeindliche Äußerung im WhatsApp-Chat,
– Zeigen des Hitlergrußes in der Öffentlichkeit,
– fehlende Distanz zu Personen, die der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind (Kontakt über Chatgruppe bzw. Teilnahme an Veranstaltung),
– Verwendung eines Patches mit der Darstellung der „Raben Odins“ auf der Dienstkleidung,
– Verwendung des Namens einer Person aus dem Umfeld der NSU-Morde als Deckname für einen Diensteinsatz sowie
– WhatsApp-Statusmeldungen mit Verunglimpfungen von Vertretern des Staates“.
Das heißt eben auch, dass einige Personen mit eindeutig rechtsextremen Ansichten den Weg in den Polizeidienst gefunden haben. Im Ergebnis gab es diverse dienstliche Rügen. Aber einige besonders schwere Fälle führten auch zur Beendigung des Dienstverhältnisses. Mit Stand Juni gab es „fünf Verfahrenseinstellungen, da sich der Verdacht nicht bestätigt hat,
sechs Entlassungen kraft Gesetzes bzw. durch Verwaltungsakt (Beamte auf Widerruf),
sieben Abschlüsse mit Disziplinarmaßnahmen (dreimal Geldbuße, dreimal Verweis und einmal Kürzung der Dienstbezüge)
sowie acht sonstige Maßnahmen (Pflichtenmahnung/Missbilligung, Beendigung befristetes Arbeitsverhältnis).“
In 26 Fällen liefen die Verfahren noch.
Ein neues Leitbild für die moderne Verwaltung?
Der neue Bericht jedenfalls bringt Albrecht Pallas, den innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, zu der Einschätzung: „Der heute veröffentlichte Lagebericht zeigt den Handlungsbedarf für das Innenministerium. Im Öffentlichen Dienst des Freistaates haben fremdenfeindliche oder antidemokratische Haltungen nichts zu suchen, sie müssen ohne Wenn und Aber geahndet werden. Daran muss konsequent gearbeitet werden, z. B. mit einem neuen Leitbild für eine moderne Verwaltung in einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft, aber auch durch eine gute Personalausstattung, die regelmäßige Fortbildungen zu gesellschaftlichen Problemen möglich macht.“
Im ersten Lagebericht wurden wichtige Handlungsempfehlungen ausgesprochen – u. a. in Bezug auf die Einsatznachbereitung im Polizeibereich, die Fortbildung von Führungskräften und den Ausbau der interkulturellen Qualifizierung der Bediensteten. An den einzelnen Maßnahmen wurde entsprechend weitergearbeitet, betont das SMI.
Einbezogen in den Lagebericht wurden alle rund 17.900 Bediensteten – Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte, sonstige Beamtinnen und Beamte sowie
Tarifbeschäftigte – im gesamten Geschäftsbereich des Sächsischen Staatsministeriums des Innern. Hiervon sind über 15.000 Bedienstete bei der sächsischen Polizei tätig.
Über die KostEx
Die Stelle wurde zum 1. September des vergangenen Jahres u. a. mit dem Ziel
eingerichtet, einen halbjährlichen Lagebericht zum Ist-Stand sowie zu Entwicklungen und Tendenzen in Bezug auf Extremismus im öffentlichen Dienst für den gesamten Geschäftsbereich des Sächsischen Staatsministerium des Innern zu erstellen und auf Grundlage der Daten Handlungsempfehlungen abzuleiten. Sachsen ist bundesweit das erste Land, das einen ausführlichen Lagebericht mit einer Auswertung zu Fällen mit extremistischen Bezügen und darauf aufbauenden Handlungsvorschlägen erstellt hat.
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