Auf den ersten Blick denkt man natürlich: Klar, da hat Sachsens CDU einfach mal einen ihrer eifrigsten Spender mit dem Sächsischen Verdienstorden geehrt. Eine Hand wäscht die andere. Auch wenn der von Michael Kretschmer so geschätzte Theo Müller vor vielen Jahren seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegt hat, weil ihm die Erbschaftsteuern in Germany nicht passten. Auch wenn er sich hier mit Milch seinen Reichtum zusammengeleppert hat. Aber da war ja noch etwas, letzte Woche im Sächsischen Landtag.

Dieser beschäftigte sich – auf Antrag der Linksfraktion (Drucksache 7/7552) – mit der Verleihung des Sächsischen Verdienstordens an den Steuerflüchtling und Sachsenmilch-Besitzer Theo Müller durch Ministerpräsident Michael Kretschmer in Zürich. Zu diesem ganz besonderen Unternehmer schreibt ja Wikipedia: „2003 zog die Familie in die Schweiz, nach Erlenbach an den Zürichsee, um der deutschen Erbschaftssteuer zu entkommen.“Die meisten werden auch die Werbeclips für die Milch kennen, mit denen der ausgewanderte Unternehmer in Deutschland sein Geld verdient. Etwas weniger bekannt sein dürften Müllers intensive Beziehungen zu Sachsen. In ihrer Anfrage schreibt die Linksfraktion dazu: „Die Unternehmen von Theo Müller haben über Jahre hinweg Millionen Euro an Steuergeldern als Subventionen erhalten – allein für den Standort der Müller-Milch-Gruppe in Leppersdorf belaufen sich diese in den Jahren 2003 und 2004 auf ein Gesamtvolumen von rund 71 Mio. Euro. Gleichzeitig gibt Theo Müller an, 2003 seinen Wohnsitz in die Schweiz verlagert zu haben, um der Erbschaftssteuer in Deutschland zu entgehen, die bei der Übergabe des Unternehmens an seine Kinder fällig geworden wäre.“

Aber vielleicht muss man bei der Sache den auch sehr ermüdenden Kampf der sächsischen Regierung um die Ansiedlung großer Unternehmen mitbedenken und ins Jahr 2017 gehen: „Ende Juni 2017 wurde vom Aufsichtsrat der Theo-Müller-Gruppe beschlossen, den Stammsitz der Homann Feinkost GmbH in Dissen bis 2020 aufzugeben und stattdessen einen neuen Standort in Leppersdorf zu errichten“, liest man auf Wikipedia.

Dazu kam es dann zwar nicht. Der Umzug von Dissen nach Leppersdorf wurde 2018 nach heftigem Protest in Dissen abgeblasen.

Ist das Unternehmer-Pflege auf sächsisch?

So gesehen also politisches Tagesgeschäft. Manchmal klappt es, manchmal eben nicht. Wobei in der Sachsenmilch Leppersdorf GmbH nach Wikipedia-Angaben 2.000 Menschen Beschäftigung haben sollen (nach Angaben der Müller Group sogar 3.000). Für den Standort nahe Bautzen ist das viel. Das könnte zumindest eine Erklärung dafür sein, warum Sachsens Ministerpräsident sogar extra in die Schweiz flog, um Theo Müller den Verdienstorden umzuhängen.

In der Landtagssitzung in der vergangenen Woche verteidigte der Regierungschef zwar die Verleihung, räumte aber ein, dass er die Umstände nicht erneut so gestalten würde, merkt nun die Linksfraktion an. Was ja heißt: Kretschmer hätte Müller trotzdem den Verdienstorden überreicht. Vielleicht nur nicht persönlich in der Schweiz.

Aber die Behauptung, dass der Wirtschafts- und der Umweltminister dieser Ordensverleihung zugestimmt hätten, stimmt nicht.

Das SPD-geführte Wirtschaftsministerium und das grün geführte Umweltministerium hätten laut Kretschmer keine Einwände gegen die Entscheidung erhoben, Müller auszuzeichnen, kommentiert die Linksfraktion das Erlebte. Aber sowohl die SPD-Fraktion als auch die Grünen-Fraktion, die die Minister für Wirtschaft (Martin Dulig) bzw. Umwelt (Wolfram Günther) stellen, wiesen das als unwahr zurück. Der Ministerpräsident blieb jedoch bei seiner Version.

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Rico Gebhardt, hat nun drei Kleine Anfragen eingereicht (Drucksachen 7/7802, 7/7803, 7/7804), um die Rolle von Staatskanzlei, Wirtschafts- und Umweltministerium zu erhellen sowie die offenen Fragen zu klären.

„Die Koalitionsparteien schieben jetzt den Schwarzen Peter für Kretschmers peinliche Auszeichnung des Steuerflüchtlings Theo Müller in einem Schweizer Nobelhotel hin und her“, sagt Gebhardt.

„Auch nach der Landtagsdebatte sind viele Fragen weiterhin offen. Wir wollen immer noch schwarz auf weiß wissen, wer alles wie in diese Entscheidung eingebunden war und was das die Sächsinnen und Sachsen gekostet hat. Wir wollen zudem aufklären, ob Kretschmer tatsächlich Einwände seiner Koalitionspartner übergangen hat. Mit meinen Anfragen hat die Staatsregierung jetzt die Gelegenheit, ein für alle Mal klarzustellen, wie die Sache abgelaufen ist.“

„Ich wünsche mir, dass sich sowohl die Staatskanzlei auch als das Wirtschafts- und Umweltministerium dazu erklären. Ich frage, wann und in welcher Form die Staatsministerien an der vom Ministerpräsidenten beabsichtigten Ordensverleihung an Müller beteiligt und wie konkret ihre Positionierung angefragt wurden. Ich will wissen, wer der Staatskanzlei wann und wie geantwortet und wie sich die Ressorts mit welcher Begründung zur Ordensverleihung positioniert haben. Was ist mit den anderen Ministerien?“

Ist die Verleihung des Ordens überhaupt gerechtfertigt?

Denn es ist ja nicht nur so, dass Theo Müller 2003 seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegte, um der Erbschaftssteuer zu entgehen. Seine Geschäftspraktiken stehen immer wieder in der Kritik, wie die Linksfraktion in ihrer Anfrage auch weiter ausführt:

„Unerwähnt darf auch nicht bleiben, dass Herr Müller seine Beschäftigten unterhalb des ostdeutschen Flächen-Tarifvertrages entlohnt. Zudem zahlt Herr Müller den Milchbauern nur den Preis, zu dem er verpflichtet ist, wie Wolfgang Vogel, Präsident des Sächsischen Bauernverbandes und ebenfalls Träger des Sächsischen Verdienstordens kritisiert. Diese Vorgehensweise ist aus betriebswirtschaftlicher und Unternehmersicht verständlich.

Allerdings ist profitorientiertes Unternehmertum nach Ansicht der Antragstellerin keine Rechtfertigung zur Auszeichnung mit dem Sächsischen Verdienstorden. Dies ist auch so in der ‚Bekanntmachung über die Stiftung des Verdienstordens des Freistaates Sachsen vom 27. Oktober 1996‘ festgelegt. In Punkt IV. der Bekanntmachung wird dazu bestimmt: ‚Die Erfüllung einer Berufspflicht oder das Wirken für das eigene Erwerbsunternehmen allein rechtfertigen die Verleihung nicht.‘

Besonders irritierend ist zudem, dass nach der Medienberichterstattung der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Michael Kretschmer (CDU), persönlich den Vorschlag zur Verleihung des Ordens an Theo Müller gemacht hat und ihm den Orden auch nicht wie üblich in Sachsen verleiht, sondern am Wohnsitz von Herrn Müller in der Schweiz. Hinzu kommt, dass die Sachsenmilch Anlagen Holding GmbH des Herrn Theo Müller zuletzt im Jahre 2020 einen Betrag in Höhe von 100.000 Euro als Großspende an die CDU getätigt hat, womit der Vorschlag des CDU-Ministerpräsidenten zur Verleihung des Verdienstordens und dessen Verleihung in der Schweiz besonders kritisch zu betrachten ist.“

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