Zu den Fehlentwicklungen einer völlig enthemmten Konsumgesellschaft gehört auch die Vorstellung, dass jeder Reisewillige jederzeit in den schönsten Regionen der Republik ein Feriendomizil finden kann. Investoren bauen solche Feriendörfer nur zu bereitwillig mitten hinein in die Landschaft, die eigentlich bestaunt und geschützt werden soll. Der neueste Fall in Oberwiesenthal sorgt beim NABU regelrecht für Entsetzen.

Denn auf einer artenreichen Gebirgswiese im Kurort Oberwiesenthal soll durch private Investoren eine Ferienhaussiedlung entstehen – was der NABU Sachsen kategorisch ablehnt.

„Die Wiesenfläche im Vorhabengebiet wird im Rahmen des Wiesenbrütermanagements des Freistaates Sachsen unterhalten“, erklärt Bernd Heinitz, Landesvorsitzender des NABU Sachsen, zu dem Vorgang. „Es handelt sich hierbei um ein landkreisübergreifendes Projekt zum Schutz von Wiesenbrüterarten, vor allem von Braunkehlchen, Bekassine und Wachtelkönig – finanziert mit Steuermitteln.“

Ferienhäuser mitten im Hochwasserentstehungsgebiet?

Eine Bebauung verbiete sich daher von selbst, so Heinitz. Die Angaben in den Unterlagen seien zudem unvollständig und der NABU Sachsen bezweifelt, dass eine artenschutzrechtliche Betroffenheit von Arten ausgeschlossen werden kann.

Ein Beispiel ist das Braunkehlchen: Bei drei betroffenen Paaren mit einem Revieranspruch von je zwei Hektar würde sich eine sechs Hektar große optimal geeignete und gepflegte Ausgleichsfläche ergeben. Eine „Umsiedlung“ würde aber höchstwahrscheinlich aufgrund der sehr spezifischen Lebensraumansprüche und der starken Gefährdung des Braunkehlchens scheitern. Für den von vielen Anwohnerinnen und Anwohnern im Gebiet immer wieder beobachteten Schwarzstorch wird eine Betroffenheit in den Planungen von vornherein ausgeschlossen.

„Hinzu kommt, dass die Fläche in einem festgesetzten Hochwasserentstehungsgebiet liegt“, betont Bernd Heinitz, „in Hochwasserentstehungsgebieten ist das natürliche Wasserversickerungs- und Wasserrückhaltevermögen zu erhalten und zu verbessern – dies ist unvereinbar mit dem Bauplan.“ Gerade die aktuellen dramatischen Hochwasserereignisse etwa im Ahrtal haben gezeigt, wie wichtig derartige Flächen sind.

Verstöße gegen das Baugesetz

Weiterhin verstößt das Vorhaben gegen das Baugesetz, da unter anderem Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt werden oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet wird.

Komplett vernachlässigt wird im Antrag auch der Klimaschutz. Zudem verringern sich durch die geplante Bodenversiegelung natürliche Wasserrückhaltefunktionen und Versickerungseigenschaften, das Landschaftsbild, Habitate von Arten der freien Landschaft gehen verloren, Flächen werden zerschnitten.

Der NABU Sachsen hat sich in dieser Woche in einer umfangreichen Stellungnahme zum Bebauungsplan Emil-Riedel-Straße / An den Teichen der Stadt Oberwiesenthal positioniert – mit der finalen Aufforderung an die Antragsteller, den Bauantrag zurückzuziehen. Andernfalls prüft der NABU Möglichkeiten, um rechtlich dagegen vorzugehen.

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