Natürlich ist Karl-Heinz Binus CDU-Mitglied. Und als Präsident des Sächsischen Rechnungshofs macht er Politik, auch wenn er so tut, als würde der Rechnungshof die Finanzpolitik des Freistaats Sachsen unabhängig und unparteiisch bewerten. Aber das tut der Rechnungshof nicht. Doch eine Premiere ist es schon, dass der Rechnungshof in seinem Jahresbericht derart die Kürzungspolitik des CDU-Finanzmininisters unterstützt.
Am Donnerstag, 2. September, veröffentlichte der Sächsische Rechnungshof seinen Jahresbericht 2021. Die Geleghenheit nutzte Binus, um auch seuine ganz persönliche Meinung zur durch Corona verursachten Staatsverschuldung und die dadurch bedingte Neuverschuldung zu formulieren:„Dem SRH als der obersten Finanzkontrollbehörde des Freistaates sind solide, transparente, nachhaltig und generationengerecht aufgestellte Haushalte für die kommenden Jahre besonders wichtig. Alle Maßnahmen müssen darauf ausgerichtet sein, die sächsischen Staatsfinanzen auf tragfähigem Boden zu halten. Dies ist nach unserer Auffassung nur zu erreichen, wenn alle Haushaltsansätze hinsichtlich ihrer Notwendigkeit und Dringlichkeit hinterfragt und alle finanziellen Potenziale des Haushaltes sofort genutzt werden. Ein kreditfinanzierter Haushaltsausgleich 2021 und 2022 ohne gleichzeitige Einsparanstrengungen in allen Gliederungen und Bestandteilen ist nicht mehr generationengerecht.“
Aber dabei beließ er es nicht, auch wenn schon das eine Kritik an der Krisenbewältigung der aktuellen Staatsregierung ist, die weit über die Kompetenzen des Rechnungshofes hinausgeht. Freilich macht Binus hier auch deutlich, wie stark das neoliberale Denken in seinem Hause längst dominiert.
Das Funktionieren eines verlässlich durchfinanzierten Staates ist dabei völlig nebensächlich. Man fokussiert sich allein auf das Ideal einer Schuldenfreiheit, die in Sachsen nur auf die harte Tour erreicht werden kann, wenn es gravierende Einschnitte in die Funktionsfähigkeit des Staates gibt. Alles seit 2011 längst erlebt mit den riesigen Problemen bei einer unterbesetzen Polizei, unterbesetzten Gerichten und Staatsanwaltschaften, fehlenden Lehrern und nicht besetzten Planungsabteilungen.
„Schwarze Null“ wichtiger als ein funktionierender Staat
Wenn es nach Binus ginge, würde Sachsen sofort wieder in diese Kürzungsmanie zurückfallen.
Und er verweist dabei natürlich auf das 2013 vom Landtag in die Verfassung geschriebene Neuverschuldungsverbot. Das setzt – so meint der Rechnungshof in seiner Mitteilung – einer Aufnahme neuer Schulden durch das Land enge Grenzen und verpflichte es zudem, Tilgungsfristen von acht Jahren einzuhalten. Mit Blick auf die Kreditaufnahme zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie ist die Sinnhaftigkeit der vorgegebenen Zeitschiene für die Schuldenrückzahlung in die Diskussion geraten, stellt der Rechnungshof zu Recht fest.
Aber für Binus ist das kein Anlass, diese rigide Regelegung, die dem Landeshaushalt schon ab 2023 droht die Luft abzuschnüren, infrage zu stellen. „Wir treten den Bestrebungen zur Verlängerung des Tilgungszeitraumes entschieden entgegen“, sagte Binus am Donnerstag.
„Die geltende Regelung sieht aus unserer Sicht eine angemessene Konsolidierungsverpflichtung vor. Der Landeshaushalt ist grundsätzlich leistungsfähig genug, um die sich ergebenden Rückzahlungsverpflichtungen zu meistern. Die Vorhersagen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland sprechen gegenwärtig für eine Erholung, an der auch die öffentlichen Haushalte teilhaben werden. Ein engagierter Beitrag zur Stabilisierung ist daher das Gebot kommender Jahre. Bei einer Streckung über mehrere Jahrzehnte drohen Ewigkeitsschulden. Es geht nicht um eine Tilgungs-, sondern um eine Schuldenfalle. Keiner weiß, wann die nächste Krise kommt – und die letzte war nur deshalb zu bewältigen, weil der Haushalt des Freistaates Sachsen nicht mit hohen Finanzschulden vorbelastet war.“
Der letzte Satz war dann für einen Rechnungshofpräsidenten schon ein klassisches Foul, denn im Zusammenhang mit der Finanzkrise musste Sachsen überhaupt keine neuen Schulden aufnehmen. Die Kosten – wie zum Beispiel für die strauchelnde Sachsen LB – wurden aus dem laufenden Haushalt beglichen. Die Folgen der Coronakrise mit massiven Steuerausfällen bei Land und Kommunen aber konnten nur mit neuen Kreditaufnahmen bewältigt werden – rechnerisch 1,7 Milliarden Euro im Jahr 2020. Was 2021 und folgende Jahre noch an Krediten neu aufgenommen werden muss, ist noch offen.
Beifall aus der CDU
Aber Binus vertritt hier nicht nur die Position des CDU-Finanzministers Hartmut Vorjohann, sondern auch die politische Position der CDU in der Regierung, die nur zu bereit ist, die Staatsleistungen sofort wieder um Milliardenbeträge zu kürzen, um das gnadenlose Verschuldungsverbot umzusetzen.
Dazu sagte der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Christian Hartmann, am Donnerstag: „Die CDU hat den Bericht des Landesrechnungshofes mit großem Interesse zur Kenntnis genommen. Es ist richtig und das Gebot unserer Generation, so schnell wie möglich die Corona-Schulden abzubauen. Nur so können wir unsere Kinder vor unseren Lasten schützen und ihnen später die Chance geben, eigene Politik gestalten zu können.“
Dass das „so schnell wie möglich“ auch sofort zulasten der Kinder geht, ist Hartmann dabei nicht mal eingefallen. Die immer so gern beschworenen „künftigen Generationen“ leben in der Regel schon heute und müssen die Sparorgien ausbaden, ohne überhaupt schon wahlberechtigt zu sein.
„Die CDU-Fraktion dankt heute auch dem scheidenden Präsidenten des Landesrechnungshofes, Karl-Heinz Binus, für seine Arbeit. Seit 2010 prägte er die Arbeit seiner Behörde, die als Korrektiv politischer Entscheidungen stets eine konstruktiv kritische Stimme war“, so Hartmann.
Linke: Acht Jahre Rückzahlungsfrist sind brandgefährlich für das Land
Dass das 2013 beschlossene Neuverschuldungsverbot in Krisenfällen überhaupt keinen Sinn ergibt, stellt hingegen Nico Brünler, Sprecher der Linksfraktion für Haushalts- und Finanzpolitik, fest:
„Der Sächsische Rechnungshof ist als unabhängige Prüfinstanz von großer Bedeutung. Wir danken auch in diesem Jahr für seine Empfehlungen, müssen an einer Stelle allerdings deutlich widersprechen: Der jetzt geltende achtjährige Tilgungszeitraum für die milliardenschweren Corona-Kredite ist aus unserer Sicht keineswegs ,angemessen‘, sondern eine große Gefahr für die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand. Auch bei einer positiven Wirtschaftsentwicklung wären enorme jährliche Rückzahlungen die Folge – dem Staatshaushalt müssten ab 2023 jährlich 750 Millionen Euro entzogen werden.“
„Die im Jahr 2020 bereits aufgenommenen Kredite in Höhe von reichlich 1,75 Milliarden Euro verursachen schon jetzt eine Tilgungsverpflichtung von fast 300 Millionen Euro im Jahr. Das ist mehr als das Doppelte dessen, was der Freistaat jährlich in die Bildungsinfrastruktur von Kindergärten und Schulen investiert! Mit den dann notwendigen Kürzungen käme Sachsen nicht aus der Krise, sondern stürzte gleich in neue Krisen.“
Aus Sicht der Linksfraktion muss die Landesverfassung geändert werden, damit Sachsen sich in den nächsten Haushalten nicht derart die Luft abschnürt.
„Wir sind bereit, mit der Koalition auf Augenhöhe darüber zu verhandeln, und schlagen eine Tilgungsfrist von 20 bis 30 Jahren vor“, benennt Brünler einen wesentlich realistischeren Zeitraum für die Rückzahlung der am Ende möglicherweise sechs Milliarden Euro. Denn so groß ist der Kreditrahmen, den der Landtag der Regierung zur Bewältigung der Krise bewilligt hat.
„Wir sollten das Schreckensbild entsorgen, dass die Schuldenlast uns erdrücken könnte. Wer jetzt nicht investiert, der hinterlässt den Kindern und Enkeln ein heruntergewirtschaftetes Gemeinwesen, einen nicht funktionierenden Staat. Wir haben die Staatsregierung deshalb aufgefordert (Drucksache 7/7337), dem Landtag bis Ende November 2021 ein Gutachten zu den Folgen der Schuldenbremse vorzulegen. Insbesondere soll untersucht werden, welche Folgen verschiedene Tilgungsfristen bei den Corona-Krediten und die daraus folgenden Ausgaben für die Wirtschaft, das Bildungssystem, den Sozialstaat, die Infrastruktur oder das Gesundheitssystem hätten.“
Dass Binus hier quasi seine Abschiedsrede dazu nutzte, die Position der CDU in der Regierung zu stützen, lässt seine Wortmeldung schon in etwas anderem Licht erscheinen.
SPD: Die Schuldenbremse muss geändert werden
Aber selbst die SPD hält diese Eile beim Abtragen der aufgenommenen Krisenkredite für geradezu schädlich für das Land.
„Der Sächsische Rechnungshof ist mit seiner Sorge um die finanzielle Situation des Freistaates nicht allein. Genau deshalb setzt sich die SPD-Fraktion für eine verlängerte Tilgungsfrist und eine Reform der Schuldenbremse ein“, meldete sich am Donnerstag auch Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag und haushaltspolitischer Sprecher, zu Wort.
„Wir wollen nicht, dass die Rückzahlung der Corona-Kredite ab 2023 zu massiven Kürzungen in wichtigen Bereichen wie Soziales, Bildung und Sicherheit führt – und damit zu neuen Lasten für die Bürgerinnen und Bürger. Das würde all unsere Anstrengungen, die Folgen der Pandemie für die Bürger/-innen und Unternehmen abzufedern, ad absurdum führen. Genau deshalb wollen wir die Schuldenbremse ändern, damit Sachsen nicht in die Tilgungsfalle tappt. Schade, dass die CDU sich Gesprächen hierüber bislang verweigert.“
Und dass Sachsen von allen Bundesländern die geringste Pro-Kopf-Verschuldung hat, hat auch damit zu tun, das der Freistaat in wichtigen Bereichen über Jahre immer nur gespart hat, wo Investitionen dringend erforderlich gewesen wären.
„Bei seiner Warnung vor einer Verdopplung der Pro-Kopf-Verschuldung des Freistaats blendet der Rechnungshof aus, wie niedrig das Ausgangsniveau Sachsens in der Realität ist. Selbst mit den Corona-Krediten hat Sachsen den geringsten Schuldenstand aller Bundesländer. Im Übrigen bürdet sich kein anderes Bundesland eine derart hohe Tilgungslast auf wie Sachsen. Gleichzeitig führt die Negativzinslage dazu, dass der Freistaat bislang schon 42 Millionen Euro durch die Aufnahme der Corona-Kredite verdient hat. Das Dogma ‚keine Schulden‘ ist vor diesem Hintergrund alles andere als generationengerecht“, liest Panter dem ganz und gar nicht unparteiischen Rechnungshofpräsidenten die Leviten.
„Sachsen muss auch in Zukunft investieren, um in so wichtigen Bereichen wie der Digitalisierung oder beim Klimaschutz nicht den Anschluss zu verlieren. Deutschland investiert in den nächsten Jahren ca. 50 Milliarden Euro pro Jahr in Zukunftstechnologien, in die Verkehrswende und in den Klimaschutz. So bleibt Deutschland im Weltmaßstab konkurrenzfähig und sichert die Einnahmen der Zukunft. Sachsen muss auf diesen Zug aufspringen. Wir brauchen auch im Freistaat eine Investitionsoffensive.“
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