So richtig zum Thema wurden Polizisten, die sich in rechtsextremistischen Kreisen bewegen, erst mit den mit „NSU 2.0“ gekennzeichneten Mails. Obwohl es vorher schon immer wieder Vorfälle mit Beamten – auch in Sachsen – gab, die erstaunliche Nähe zu rechtsextremem Gedankengut hatten. Von Einzelfällen kann da schon lange keine Rede mehr sein, bestätigt eine neue Antwort aus dem Innenministerium.
Mittlerweile fragt ja die für Innenpolitik zuständige Linken-Abgeordnete Kerstin Köditz regelmäßig nach und bekommt auch nicht mehr die ausweichenden Antworten früherer Tage, als das Innenministerium den fragenden Landtagsabgeordneten zu suggerieren versuchte, es gäbe in der sächsischen Polizei keine rechtsradikalen Vorfälle oder gar Verbindungen.Weder, als persönliche Daten von Demonstranten aus dem linken Spektrum unverhofft in rechten Netzwerken auftauchten, noch als Fälle von Racial Profiling diskutiert wurden oder der Unwille sächsischer Polizeibeamter, bei rassistischen Vorfällen tätig zu werden.
Den großen Knall gab es ja erst, als der „Verlust“ von 7.000 Schuss Munition beim SEK bekannt wurde und dann auch noch dubiosen Verbindungen zur Terrorgruppe „Nordkreuz“ bekannt wurden. Spätestens da war dann auch im sächsischen Innenministerium klar, dass das alles ganz und gar nicht so harmlos war und Rechtsradikale es sehr wohl erfolgreich geschafft hatten, in den sächsischen Polizeidienst aufgenommen zu werden. Und das auch, weil die CDU-geführte Regierung jahrelang so getan hatte, als wäre Rechtsextremismus kein Problem in Sachsen.
Lieber nutzte man alle polizeilichen Mittel, um die linken Radikalen im Lande zu fangen, wo man sie fand. Und das, während sich rechtsextreme Netzwerke in den ländlichen Räumen ungehindert ausbreiten konnten und dort alles, was als „alternativ“ galt, in Angst und Schrecken versetzten. Es wäre eher erstaunlich gewesen, wenn diese Duldsamkeit allen rechtsextremen Entwicklungen gegenüber nicht auch zu entsprechendem Zuspruch in Teilen der Polizei geführt hätte.
Natürlich ist auch ein Polizeiapparat nicht gefeit davor, von solchen Radikalen benutzt zu werden. Man muss nur die Warnsignale ernst nehmen und kann nicht jahrelang so tun, als wären diese Typen nur ein paar harmlose Spinner, die seltsame Sprüche in WhatsApp-Gruppen absondern.
Dem sächsischen Innenministerium sind seit Jahresbeginn sieben weitere „Verdachtsfälle mit Bezug zum Rechtsextremismus“ bekannt geworden, die auf Polizisten im Freistaat zurückgehen. Das ist das Ergebnis der neuesten Kleinen Anfrage von Kerstin Köditz zu diesem Thema (Drucksache 7/6938).
„Die Vorfälle umfassen unter anderem eine ‚unangemessene Reaktion‘ auf eine einschlägige Abbildung in einer Chatgruppe, ‚vertrauensunwürdige‘ und rassistische Äußerungen gegenüber Bürgerinnen und Bürgern, ferner Kontakte zur Reichsbürger-Szene sowie zu ‚Personen, die dem Rechtsextremismus zuzurechnen sind‘“, zählt Köditz auf.
„Überprüft wird derzeit auch ein Beamter, der die sogenannte Erfurter Resolution unterzeichnet haben soll, die als Gründungsdokument des völkisch-nationalistischen und längst vom Verfassungsschutz beobachteten AfD-Flügels gilt. Social-Media-Beiträge der gleichen Person würden zudem ‚Zweifel an der Verfassungstreue aufkommen lassen‘, heißt es in der nun vorgelegten Auflistung.“
Die neuen Fälle kommen zu den schon aus dem Vorjahr bekannten noch hinzu.
Die erstmals mitgeteilten Verdachtsfälle beziehen sich demnach auf acht Beamte verschiedener Polizeidirektionen, der Bereitschaftspolizei und des Landeskriminalamts, darunter auch einem Beamten aus der Polizeidirektion Leipzig, der möglicherweise an einem Treffen sogenannter „Reichsbürger“ teilgenommen hat.
Jedoch sei eine „Mehrfacherfassung von Personen möglich“, heißt es im Kleingedruckten. In drei Fällen sind bereits Disziplinarverfahren anhängig, in einem Fall wurde zudem wegen des Vorwurfs der Beleidigung eine noch nicht rechtskräftige Geldstrafe per Strafbefehl verhängt.
„Auf meine frühere Anfrage (Drucksache 7/946) hatte das Innenministerium Anfang 2020 erstmals Zahlen genannt, die teils bis ins Jahr 2014 zurückreichen“, geht Kerstin Köditz auf die Dimension der Vorfälle ein.
„Gemeinsam mit späteren Nachfragen (Drucksachen 7/4251 und 7/4983) und den neuesten Daten summiert sich die Gesamtfallzahl inzwischen auf 49. Zwischenzeitlich ist beim Innenministerium eine ‚Koordinierungsstelle für Extremismusprävention und -bekämpfung‘ eingerichtet worden, die im Frühjahr einen ersten Bericht vorgelegt hat. Eine Fortschreibung steht noch aus. Klar ist schon jetzt: Von ‚Einzelfällen‘ kann längst nicht mehr die Rede sein.“
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