Das war dann schon eine kleine Überraschung, als Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer am Freitag, 30. Juli, gegenüber dpa sagte: „Wenn der Betrag am Ende sehr groß ist, wird man die Rückzahlung wohl zeitlich strecken müssen.“ Es geht um die Kredite, die Sachsen zur Bewältigung der Corona-Folgen aufnehmen muss, möglicherweise bis zu sechs Milliarden Euro. Aber aus dem Mund von Sachsens Finanzminister klang das bislang völlig anders.
Finanzminister Hartmut Vorjohann beharrte bislang darauf, dass Sachsen sofort 2023 einsteigt in den Abbau der wegen Corona aufgenommen Schulden. Und zwar in einem Tempo, wie es die vom Landtag beschlossene Schuldenbremse in der Verfassung vorsieht. Das würde schon ab 2023 Einschnitte in der Größenordnung von 1 Milliarde Euro in jedem Jahreshaushalt bedeuten. Corona hätte der Freistaat dann zwar bewältigt, würde aber an einem strengen Sparregime in die Knie gehen.Das fand auch die SPD-Fraktion unsinnig. Und zumindest scheint Michael Kretschmer inzwischen etwas gründlicher darüber nachgedacht zu haben, was es eigentlich bedeutet, die sechs Milliarden Euro binnen acht Jahren aus dem Haushalt abzweigen zu müssen. Die SPD-Fraktion jedenfalls sieht in Kretschmers Äußerung ein Einlenken der CDU.
„Der Ministerpräsident lenkt beim Thema Schuldenbremse nun offenkundig auf die Position der SPD ein. Das ist gut, denn Sachsen braucht schnellstens eine Lösung, die der Wirtschaft, Kommunen, Kultur, Vereinen und Verbänden Sicherheit und eine klare Zukunftsperspektive gibt. Die bisherige Blockade der CDU verhindert das“, erklärt dazu SPD-Generalsekretär Henning Homann.
Der Freistaat Sachsen hat Kredite aufgenommen, um in der Pandemie das Gesundheitssystem und den Sozialstaat zu stärken sowie Unternehmen und Arbeitsplätze zu schützen. Nach Vorstellungen der SPD soll Sachsen diese Kredite, wie andere Bundesländer auch, über mindestens 30 Jahre gestreckt zurückbezahlen.
Der SPD-Vorschlag würde eine radikale Kürzungspolitik in Sachsen verhindern. Dazu muss allerdings die Tilgungsregel in der Landesverfassung geändert werden. Aber genau an dem Punkt hat die CDU auch in den Haushaltsverhandlungen schon gebremst. Und nach wie vor gibt es dort Kräfte, die es für eine heroische Meisterleistung halten, wenn der Freistaat die Corona-Kredite in einem weltrekordverdächtigen Tempo abträgt. Ausbaden würden es natürlich die Bürger, denn das Erste, was gestrichen würde, wären die sozialen Leistungen.
„Die Gelassenheit des Regierungschefs teile ich in diesem Punkt nicht. Die Koalition hätte sich schon längst auf eine Verfassungsänderung zur Schuldenbremse einigen können. Das wurde aber von der CDU verhindert“, sagt Homann zu der Aussage, erst Ende des Jahres werde man darüber entscheiden.
„Die Unklarheit über die finanziellen Rahmenbedingungen schaffen massive Verunsicherung bei Unternehmen, Kommunen, Vereinen und Verbänden. Im Moment ist unklar, ob auch zukünftig ausreichend Mittel für die Wirtschaftsförderung, den Schulhausbau oder die Jugendarbeit zur Verfügung stehen. Das Zögern bei der CDU ist Gift für private Investitionen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“
Man merkt durchaus, dass ein Teil der sächsischen CDU viel lieber mit der FDP regiert hätte, mit der sie vor zehn Jahren die heftigsten Kürzungsprogramme für den Freistaat durchgesetzt hat. Die Sächsische Verfassung müsste an der Stelle freilich wieder mit Landtagsmehrheit geändert werden, was schwer möglich wird, wenn Kretschmer seine Truppe nicht überzeugen kann. Die Vorstellung, dass ein Land mit verlässlichen Investitionen schneller aus der Krise kommt als mit rigiden Schuldendiensten, ist dort nicht wirklich einhellige Meinung.
„Die Aussagen des Ministerpräsidenten klingen pragmatisch, dokumentieren aber vor allem den Konflikt innerhalb der CDU“, meint Homann. „Michael Kretschmer muss noch einige Überzeugungsarbeit in den eigenen Reihen leisten, denn gerade in der CDU-Landtagsfraktion ist der Widerstand groß. Die SPD wird an ihrer Position festhalten, denn nur eine Abkehr von der Tilgungsfalle ermöglicht es, weiter in Zukunftstechnologien wie E-Mobilität und Wasserstoff und auch in weitere Verbesserungen der Bildungslandschaft in Sachsen zu investieren“, sagt Henning Homann und fügt abschließend hinzu: „Investitionen in die Zukunft zu verhindern, wäre eine viel größere Hypothek für künftige Generationen.“
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