Nicht nur der Leipziger Stadtrat, auch der Sächsische Landtag ist aufgrund der Corona-Folgen spät dran mit seinem Haushaltsbeschluss. In der nächsten Woche steht die Beschlussfassung zum Doppelhaushalt 2021/2022 auf der Tagesordnung. Und besonders froh sind die beiden Leipziger Landtagsabgeordneten der SPD Holger Mann und Dirk Panter, dass es nicht beim ersten Entwurf für den Haushalt geblieben ist. Der wäre tatsächlich ein ziemlich rabiater Kürzungshaushalt geworden.

Und am heftigsten hätte es den Sozialetat getroffen. Das wäre ein regelrechter Kahlschlag bei Vereinen und Initiativen geworden, die sich im Freistaat um die Sorgen und Nöte der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft kümmern. Ein herzloser Etat, der auch – so Panter – von einem völlig falschen Denken erzählte. Denn er hätte genau da die Schere angesetzt, wo der Freistaat eigentlich alles tun muss, um die Pandemiefolgen abzufedern und mit Investitionen möglichst schnell wieder aus der Krise zu kommen.Antizyklisches Investieren nennt man das. Und eigentlich gehört das seit den Erfahrungen mit der Weltwirtschaftskrise von 1929/1930 und den Erfolgen des New Deal in den USA zum Basiswissen der Politik. Nur scheint das bei konservativen Parteien und ihren Finanzministern immer wieder vergessen zu werden. Reflexhaft greifen sie mitten in der Krise zu Sparmaßnahmen, kürzen Etats und verschärfen damit die Krise erst richtig. Und damit die Not im Land.

Änderung des Neuverschuldungsverbots ist überfällig

„Aber das konnten wir glücklicherweise abwenden“, sagt Panter. Die Zeiten gnadenloser Sparrunden, wie sie noch 2010 in Sachsen Politik waren, sind vorbei. Auch wenn die Folgen dieses Kürzens mit dem Rasenmäher bis heute sichtbar sind. Die Kürzungen von damals wurden freilich auch mit dem Neuverschuldungsverbot begründet, das auch mit Zustimmung der SPD Teil der Sächsischen Verfassung wurde. „In der Form“, so Panter, „ist es schlecht gemacht.“

Gerade wenn es darum geht, neue Schulden binnen kürzester Zeit wieder abtragen zu müssen. Denn in die Verfassung schrieb der Landtag tatsächlich die Tilgung der neu aufgenommenen Schulden innerhalb von acht Jahren. Das wäre das beste Rezept, das Land dauerhaft in die Krise zu stürzen. Erst im April 2020 hat der Landtag eine Kreditaufnahme von bis zu 6 Milliarden Euro bewilligt, um die Corona-Folgen abzufedern. Das würde bedeuten, dass das Land schon ab 2023 jedes Jahr eine Milliarde Euro aus dem Haushalt abzweigen müsste.

„NRW hat sich 50 Jahre Zeit gegeben, um die Corona-Kredite abzuzahlen“, sagt Panter, der in der SPD-Faktion nicht nur Fraktionsvorsitzender, sondern auch finanzpolitischer Sprecher ist. Und aktuell macht das mehr Arbeit, denn für seine Faktion ist klar, dass sich der Passus in der Verfassung ändern muss, dass diese fatalen acht Jahre gestrichen werden müssen.

Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag. Foto: LZ
Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag. Foto: LZ

Also redet er mit den finanzpolitischen Kollegen aus den anderen Fraktionen, denn um die Verfassung zu ändern, braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Landtag. Eine der beiden Oppositionsfraktionen muss also noch dazukommen und mitmachen. Das wird dann wohl die Linksfraktion sein. Und es waren ja nicht nur die Kürzungen im Sozialetat, die schon in Gesprächen innerhalb der Regierungskoalition zurückgenommen wurden. Es ging auch um das Thema Zukunftsinvestitionen.

Denn wenn Sachsen seine Investitionsetats kürzt, fehlt auch noch das Geld, das man braucht, um die Fördermöglichkeiten von Bund und EU zu nutzen. Und die haben ja alle beide auch zur Überwindung der Coronakrise riesige Förderprogramme aufgelegt – vom Klimaschutz bis zum Breitbandausbau. Länder, die keines dieser Programme gegenfinanzieren können, bekommen von dem Geld nichts ab. Und stehen dann am Ende da – mit riesigen grauen Löchern zum Beispiel beim Netzausbau.

SPD-Landtagsabgeordneter Holger Mann. Foto: LZ
SPD-Landtagsabgeordneter Holger Mann. Foto: LZ

„Ein Thema von erheblicher Bedeutung für das Parlament“, sagt Holger Mann, der in der SPD-Fraktion auch Sprecher für Wirtschaft, Technologie und Digitalisierung ist. Denn Regionen, die kein modernes leistungsfähiges Internet bekommen, sind wirklich abgehängt. Das ist ein Thema für alle Landkreise in Sachsen. Aber auch für einige Ortsteile in Leipzig, auch wenn die Stadt schon ganz gut dasteht mit ihrer Glasfaserausstattung.

Und das Thema geht ja noch weiter, so Holger Mann. Man hat es ja im Corona-Jahr beim sogenannten Homeschooling erlebt. Nicht nur die Kinder brauchen netzfähige Endgeräte, um auch digital weiterlernen zu können. Vielen Schulen fehlten schlicht auch die nötigen Breitbandanschlüsse, um einfach mal so in den Digitalunterricht zu wechseln. „Deshalb kämpfe ich seit Jahren um die Digitalisierung der Schulen in Sachsen“, sagt Holger Mann.

Corona war ja wie ein Weckruf. Und Sachsen würde sich gründlich blamieren, wenn es die nötigen Fördergelder des Bundes jetzt nicht in Anspruch nehmen kann.

Die sächsische Schulden-Tilgungungsfalle. Grafik: SPD-Fraktion Sachsen
Die sächsische Schulden-Tilgungungsfalle. Grafik: SPD-Fraktion Sachsen

Zu Zukunftsinvestitionen gehören aber auch die Wasserstofftechnologie, der ÖPNV und die Klimaforschung. Für Holger Mann gehören aber auch die 800 festen Stellen dazu, die man an Sachsens Hochschulen nun dauerhaft finanzieren will. Denn hier war ja für angehende Forscher/-innen und Wissenschaftler/-innen jahrelang die Hängepartie in befristeten Anstellungen die Norm. Darauf baut man weder eine Berufskarriere noch eine Familiengründung auf. Und so verliert Sachsen am Ende seine gut ausgebildeten jungen Leute, bestätigt Holger Mann.

Nur zu gern hätte die SPD-Fraktion deshalb auch einen neu zu schaffenden Zukunftsfonds in den Doppelhaushalt bekommen. „Aber da spielen auch die Grünen nicht mit“, sagt Panter. Dabei wäre genau dies das nötige Instrument, um das Geld für nötige Zukunftsinvestitionen anzusparen. Sein Vorschlag: Von den rund 800 Millionen Euro, die Sachsen jedes Jahr in den Generationenfonds schiebt, die Hälfte einfach in den Zukunftsfonds zu packen. Binnen drei Jahren wären hier über 1 Milliarde Euro verfügbar, mit denen der Freistaat wirklich aktiv Zukunftsinvestitionen befördern könnte.

Die Größe des Generationenfonds, immerhin fast 9 Milliarden Euro inzwischen, mit denen die zukünftigen Pensionslasten des Freistaats abgesichert werden sollen, sieht Panter längst kritisch. „Gerade jetzt in Zeiten mit Negativzinsen“, sagt er. Wenn das Geld künftig ausgezahlt wird, ist es weniger wert als heute.

So einen Fonds könne man in guten Jahren ansparen, da ergebe das Sinn. Aber wer antizyklisch investieren will, müsse das Geld jetzt einsetzen, damit es möglichst viele Früchte trägt. „Das sehen übrigens auch die Wirtschaftsverbände genauso“, sagt Holger Mann.

Geld für Wasserstofftechnologie, Schulen, Wohnungsbau

Andererseits sieht Mann auch einige wichtige Erfolge in den Koalitionsverhandlungen, wozu z. B. die 130 Millionen Euro mehr für die Förderung der Wasserstofftechnologie gehören. Oder die Verstetigung der Mittel für den geförderten Wohnungsbau. Oder die Schulbaumittel, die jetzt nach künftiger Schülerzahl vergeben werden, was gerade Leipzig mit seinen wachsenden Kinderzahlen zugutekommt. Dazu kommt, dass Schulhausbau zu 60 Prozent vom Land gefördert wird, was die Spielräume der Kommunen gerade in Zeiten galoppierender Baustoffpreise deutlich erweitert.

Sachsens Verschuldung im Vergleich mit anderen Bundesländern. Grafik: SPD-Fraktion Sachsen
Sachsens Verschuldung im Vergleich mit anderen Bundesländern. Grafik: SPD-Fraktion Sachsen

Das zentrale Ergebnis der Haushaltsverhandlungen in der Regierungskoalition ist freilich, dass das Niveau der beiden Vorjahre gehalten werden konnte und der Doppelhaushalt 2021/2022 kein Kürzungshaushalt mit dem Rasenmäher geworden ist. Allzu turbulent dürften also die Beratungen zur Beschlussfassung im Landtag nicht mehr werden.

Spannender dürfte die Frage werden, ob die Korrektur des Neuverschuldungsverbots in der Verfassung die nötige Zwei-Drittel-Unterstützung bekommt. Denn wenn nicht, hat Sachsen ab 2023 ein Problem. Dann müssen die eine Milliarde Euro Tilgung jedes Jahr in allen Ressorts zusammengespart werden. Das wäre die Krisenerklärung für mindestens sechs Jahre.

Was Sachsen nicht nötig hat, betont Dirk Panter und verweist auf Sachsens Platz in der „Schuldenhitliste“ der Bundesländer: Sachsen hat von allen Bundesländern die geringste Pro-Kopf-Verschuldung und in den vergangenen Jahren prozentual mehr Schulden abgebaut als die anderen. Es gibt also keinen Anlass, schon gleich nach Corona in eine überstürzte Entschuldung einzusteigen, die dem Land genau in dem Moment die Luft abdreht, wo es eigentlich wieder auf die Beine kommen muss.

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