Die Zahlen können nicht stimmen. Die Linksfraktion im Sächsischen Landtag fragt zwar regelmäßig die Bedarfe der sächsischen Kommunen an Sozialwohnungen bei der Staatsregierung ab, aber die gibt jedes Mal völlig andere Auskünfte. Mal sind es 4.437 Sozialwohnungen, die in Leipzig fehlen, mal 10.353, nun wieder 7.758 in der Antwort auf eine Grünen-Anfrage. Kein Wunder, dass die Linke mit ihren Anträgen bisher gegen Mauern rennt.
Der Ausschuss für Regionalentwicklung des Sächsischen Landtages hörte am Freitag, 3. Juli, Sachverständige zum Entwurf der Linksfraktion für ein „Gesetz über den sozialen Wohnraum“ (Drucksache 7/891) an. Der Gesetzesentwurf hat drei Schwerpunkte: Die soziale Wohnraumförderung soll auf einer gesetzlichen Grundlage verstetigt, die Einkommensgrenzen für den Wohnberechtigungsschein sollen steigen und ein Sächsischer Wohnraumbericht eingeführt werden.
Denn seit 14 Jahren fehlt in Sachsen ein Gesetz, das die Grundlagen für den Bau von Sozialwohnungen schafft.
„Auch ein Teil der Sachverständigen ist der Meinung, dass die soziale Wohnraumförderung im Freistaat eine gesetzliche Grundlage braucht. Seit 2006 sind die Bundesländer dafür zuständig, aber Sachsen hat immer noch kein Gesetz, anders als die meisten anderen Länder. Zwar gibt es die Förderrichtlinie gebundener Mietwohnraum – die gilt aber bisher nur für Dresden und Leipzig und ist dringend überarbeitungsbedürftig. CDU, GRÜNE und SPD versprachen im Koalitionsvertrag, das bis Mitte 2020 zu erledigen, aber passiert ist nichts“, erklärte am Freitag die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Juliane Nagel.
„Der Sachverständige der IG BAU Jonathan Diesselhorst wies darauf hin, dass soziale Wohnraumförderung gerade im Niedriglohnland Sachsen und in Erwartung wachsender Altersarmut ein wichtiges sozialpolitisches Instrument ist. Zudem sollte die Förderung an ökologische und ressourcenschonende Bauweisen geknüpft werden. Die soziale Wohnraumförderung in Sachsen muss auch über Dresden und Leipzig hinaus erweitert werden und dort erfolgen, wo sie gebraucht wird.“
Essentiell dafür seien aber ausreichende und stabile finanzielle Ressourcen. „So sind die Bundesmittel für die soziale Wohnraumförderung, die in diesem Jahr nach Sachsen fließen, um 65 Prozent gesunken. Hier muss, auch über eigene Landesmittel, nachgesteuert werden!“, fordert Nagel.
Unterstützung bekommt die Linksfraktion diesmal aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
„Der Gesetzentwurf der Linksfraktion enthält Ansätze, denen wir Bündnisgrüne durchaus aufgeschlossen gegenüberstehen“, sagt Thomas Löser, wohnungspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion. „Die Koalition aus CDU, Bündnisgrünen und SPD setzt sich unter den Prämissen des Koalitionsvertrags selbstverständlich auch mit dem Thema Wohnen und Bauen auseinander. So hat die Staatsregierung die Verlängerung der Kappungsgrenzenverordnung um weitere fünf Jahre bereits im Kabinett auf den Weg gebracht. Wir werden die Impulse aus der Anhörung der Sachverständigen in die Gespräche der Koalition zur konkreten Umsetzung unseres Koalitionsvertrages mitnehmen.“
Die wichtigsten Punkte aus Sicht der Grünen sind dabei die automatische Anpassung von Einkommensgrenzen für Wohnberechtigungsscheine, die Anpassung des Haushaltsbegriffs an die Lebensrealität von Familien, ein regelmäßig erscheinender Wohnraumbericht, die Aufnahme ökologischer Kriterien in die Förderbedingungen und damit die Fortschreibung der Förderrichtlinie für den sozialen Wohnungsbau sowie die Förderung des Kaufs von Belegungsrechten.
Aber dann ist da die Frage nach dem Bedarf, den niemand in Sachsen wirklich erfasst. Wer aber nicht weiß, wie viele Geringverdiener-Haushalte in den nächsten Jahren eine bezahlbare Wohnung suchen, kann auch nicht planen, weiß nicht, wie viel Geld tatsächlich gebraucht wird und ob die Leipziger Quote von 30 Prozent Sozialwohnungsbau an allen neu gebauten Wohnungen irgendeinen Sinn ergibt.
Thomas Löser hat erst im Mai zum Bestand und Bedarf an Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung in Sachsen eine Landtagsanfrage gestellt. Danach gibt es in den großen Städten Leipzig (etwa 7.750) und Dresden (10.000) einen hohen Bedarf an zusätzlichen Sozialwohnungen. Während sich der Bestand in den großen Städten leicht positiv entwickelt, führen die Rückgänge an Sozialwohnungen in den Landkreisen für Sachsen insgesamt weiterhin zu einem sinkenden Bestand von aktuell 11.469 entsprechender Wohnungen.
Woher nun die Leipziger Zahl stammt, bleibt rätselhaft, denn erst im Januar hatte dasselbe Ministerium auf eine Anfrage von Juliane Nagel (Die Linke) bestätigt, dass Leipzig allein bis 2025 einen Bedarf an zusätzlichen 10.353 Sozialwohnungen gemeldet hatte. Eine Zahl, die mit den aktuellen Fördersätzen nicht mal ansatzweise erreicht wird. Allein im Jahr 2015 verloren über 20.000 Sozialwohnungen in Leipzig ihren Bestandsschutz. Ganze 357 Sozialwohnungen konnte Leipzig 2019 noch als Bestand melden. Und nicht größer ist die Zahl der neu entstehenden mietpreisgestützten Wohnungen.
Leipzig steckt fest in einem überregulierten System der Wohnungsbauförderung, in dem allein schon die Antragsbedingungen so bürokratisch sind, dass nur die wenigsten Antragsteller überhaupt die Chance auf so eine Förderung haben. Von einem Wohnungsbauförderprogramm kann man sowieso nicht reden.
Denn dann müssten die Kommunen in die Lage versetzt werden, Wohnquartiere mit bezahlbaren Mieten komplett in Eigenregie bauen zu können – ohne Luxussegment. Denn das Übergewicht des teuren Wohnungsbaus sorgt dafür, dass der Mietwohnungsmarkt mit teuren Wohnungen verstopft ist, bezahlbare Wohnungen aber trotzdem fehlen und gerade die jungen Familien regelrecht gezwungen werden, ins Umland abzuwandern.
Die Abwanderung senkt wieder das Leipziger Bevölkerungswachstum. Leipzigs Planer reduzieren die Bedarfszahlen. Aber von einer Entspannung des Wohnungsmarktes kann keine Rede sein. Mit einer belastbaren Wohnungsbaupolitik hat das alles nichts mehr zu tun. Vielleicht haben ja CDU, SPD und Grüne den Mut, tatsächlich endlich ein richtiges Wohnungsbauprogramm aufzulegen. Das wäre nach all den bürokratischen Kontrollmonstern tatsächlich so etwas wie eine kleine Revolution.
Leipzig hat tatsächlich einen Bedarf an 10.000 neuen Sozialwohnungen bis 2025 angemeldet
Leipzig hat tatsächlich einen Bedarf an 10.000 neuen Sozialwohnungen bis 2025 angemeldet
Hinweis der Redaktion in eigener Sache
Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall zu entdecken.
Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.
Vielen Dank dafür.
Keine Kommentare bisher