Am Donnerstag, 5. März, demonstrierten die sächsischen Landwirte mal wieder vor dem sächsischen Landtag. Gründe haben sie genug. Durch die Niedrigpreispolitik der großen Einzelhandelskonzerne sind sie längst ans finanzielle Limit gebracht. Und jede neue Auflage verschärft ihre Probleme, obwohl gerade diese Billigproduktion gleichzeitig enorme Umweltschäden verursacht. So demonstrierten sie in Dresden auch gegen die Düngemittelverordnung. Außerdem hatte die CDU eine Nitrat-Diskussion beantragt.
Und Umweltminister Wolfram Günther reagierte, indem er die Informationen zur Nitratbelastung sächsischer Gewässer online stellte. Das hatte auch mit einem insistierenden AfD-Abgeordneten zu tun. Denn noch im Januar hatte Jörg Dornau, landwirtschaftspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag und Mitglied im sogenannten „Flügel“ der AfD, die sächsische Staatsregierung mit einem ganzen Fragenpaket bombardiert, in dem er die Belastbarkeit der Messungen im Netz der sächsischen Nitrat-Messstellen und vor allem die Herkunft der Nitratbelastung aus der Landwirtschaft versuchte zu hinterfragen.
Bei der Anfrage „Stoffstrombilanzen von Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen“, die ein erhebliches Maß an Datenrecherche brauchen würde, hat er gleich mal einer Verlängerung der Beantwortungsfrist widersprochen. Wollte er also in Wirklichkeit gar nicht wissen, was die Staatsregierung zu solchen Fragen weiß: „Welche Kenntnisse hat die Staatsregierung über die Auswertung von Nitrat-Bilanzsalden von landwirtschaftlich genutzten Flächen in Sachsen seit 2006?“ oder „Welche Nitrat-Bilanzsalden wurden seit 2008 in Sachsen ausgewertet (Bitte Einzelaufstellung der Betriebe mit Postleitzahl, Betriebssystem, Beobachtungszeitraum, Flächengröße und Nitrat in kg/ha)?“
Wenn man alle diese Daten hat, kann man natürlich auch feststellen, welche Betriebe tatsächlich schon so arbeiten, dass sie weder das Grundwasser noch die Gewässer an der Oberfläche mit Düngerückständen belasten.
Deswegen ist durchaus nicht klar, wer da eigentlich in Dresden alles mitdemonstriert. Denn es gibt auch in Sachsen längst Betriebe, die ökologisch wirtschaften und eher keinen Grund haben, gegen die verschärfte Düngemittelverordnung zu protestieren.
Antonia Mertsching, Sprecherin der Linksfraktion für Landwirtschafts- und Umweltpolitik, erklärte dazu am Donnerstag: „Auch ich finde einiges an der neuen EU-Düngemittelverordnung nicht zufriedenstellend. Zum Beispiel werden nun auch diejenigen mit Zusatzauflagen überzogen, die schon grundwasserfreundlich wirtschaften. Allerdings gibt es gegenwärtig keinen Raum für Verhandlungen: Die EU hat eine Vertragsverletzungsklage gegen Deutschland angestrengt und droht mit enormen Strafzahlungen.
Dass jetzt harte Einschnitte drohen, liegt an der jahrelangen Blockadehaltung der Regierenden und der berufsständischen Vertretung der Landwirte. Andere EU-Länder, etwa Dänemark, haben schon vor Jahren die Stoffeinträge aus der Landwirtschaft reduziert. Es ist nicht wegzudiskutieren: Die Art und Weise der Landbewirtschaftung beeinflusst maßgeblich die Artenvielfalt und die Nitratgehalte im Grundwasser.“
Und die Nitratgehalte sind zu hoch, weil noch immer zu viele Betriebe zu viel Gülle auf ihre Äcker ausbringen. Gülle, die vorrangig aus großer Tierhaltung stammt. Deswegen kommt auch die Massentierhaltung in Dornaus Fragen vor.
Hier die Liste seiner Anfragen zur Nitratbelastung:
Roh- und Trinkwassernitratbelastung in Sachsen
Grundwassermessnetz und Nitratgebiete in Sachsen
Stickstoffeinträge in Gewässerkörper
Insgesamt haben seine Fragen alle die Tendenz, den Zusammenhang zwischen Massentierhaltung, Überdüngung und Nitratbelastung der Grundwasserkörper infrage zu stellen. In der Anfrage „Stickstoffeinträge in Gewässerkörper“ stellt er vor allem die Aussagekraft der Daten aus dem Messstellennetz und die Unterscheidung zwischen diffusen und punktuellen Eintragsquellen infrage.
Doch zur Menge und zu den Quellen der Stickstoffeinträge gibt es sehr belastbare Zahlen, wie Landwirtschaftsminister Wolfram Günther in seiner Antwort erklärt: „Bei den Stickstoffeinträgen in die Gewässerkörper in Sachsen werden grundsätzlich Einträge aus diffusen sowie aus punktuellen Quellen unterschieden. Diese werden in Abhängigkeit von den vorliegenden naturräumlichen und nutzungsstrukturellen Bedingungen in den jeweiligen Gewässereinzugsgebieten in unterschiedlicher Ausprägung über verschiedene Pfade in die Grund- (GWK) beziehungsweise Oberflächen-Wasserkörper (OWK) eingetragen.
Als relevante diffuse Quellen für Stickstoff-Einträge in die Gewässer werden in Sachsen folgende Landnutzungsarten in den Gewässereinzugsgebieten unterschieden und modellgestützt beitragsanteilig erfasst: Ackerland, Grünland, Obstbau, Weinbau, Siedlung (-diffus-), Nadelwald, Laubwald, Gewässer und Sonstiges. Mit eingeschlossen sind auch flächenanteilige Stickstoffeinträge aus der atmosphärischen Deposition sowie bei Siedlung -diffus- gegebenenfalls auch dezentral erfolgende ,punktuell-diffuse‘ Einträge aus privaten Kleinkläranlagen.“
Und der Blick auf die Zahlen zeigt, dass die meisten Einträge aus der Landwirtschaft strammen – 47 Prozent direkt von den Äckern.
Andererseits macht die Statistik auch deutlich, dass Sachsen die Stickstoffeinträge seit 2000 schon etwas senken konnte – von 45.535 Tonnen im Jahr 2000 über 37.694 Tonnen im Jahr 2005 auf 34.546 Tonnen im Jahr 2012. Dabei sank auch die Belastung aus punktuellen Quellen (zumeist Kläranlagen) von 6.450 auf 3.902 Tonnen.
Äcker sind nun einmal diffuse Quellen, weil die Nitratbelastung auf großen Flächen entsteht und über das Grundwasser oft auch noch über lange Strecken bis zum nächsten Messpunkt transportiert wird. Die dort gemessene Nitratbelastung entsteht dann meist gar nicht in der Nähe des Messpunktes, sondern in jenem großen (diffusen) Gebiet, aus dem das Wasser hier zusammenströmt.
Aber wie erklärt man all die Aspekte, die im Zusammenhang mit der Diskussion zu Nitrat im Grundwasser eine wesentliche Rolle spielen, der Öffentlichkeit und den protestierenden Bauern?
Am Donnerstag, 5. März, veröffentlichte das dem Umweltministerium unterstellte Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) die Antworten zu häufig gestellten Fragen (FAQs) im Internet.
Sachsens Umwelt- und Landwirtschaftsminister Wolfram Günther betonte in dem Zusammenhang: „Wir brauchen eine sachlich fundierte Diskussion zur Nitratbelastung im Grundwasser. Außerdem wollen und müssen wir die Nitratbelastung verringern, wo sie zu hoch ist. Dazu gehört auch, dass wir transparent aufzeigen, wie wir in Sachsen Nitrat messen, wie das Messnetz aufgebaut ist und wie wir die Qualität der Messungen sichern.“
Der Minister hob zudem hervor, dass begründeter Kritik an einzelnen Messstellen nachgegangen werde. Gleichzeitig sei das Messnetz insgesamt jedoch repräsentativ und qualitativ abgesichert.
Das Landesamt hat die FAQs unter www.grundwasser.sachsen.de veröffentlicht.
Und wie reagierte die CDU-Fraktion auf die Aussagen des Umweltministers?
Auch hier pflegt man ein seltsames Bild auf die Düngemittelverordnung und das Messstellennetz.
„Die heutige Anhörung hat uns sehr deutlich aufgezeigt: Das sächsische Nitratmessnetz muss deutlich verbessert werden! Es braucht mehr staatlich kontrollierte Messstellen und offizielle Messpunkte, die technisch auf dem aktuellsten Stand sind“, erklärte der landwirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Andreas Heinz.
„Und wir müssen verstärkt den Blick auf regionale Unterschiede bei möglichen Nitratbelastungen richten. Mit unserem Antrag greifen wir die berechtigten Forderungen unserer Landwirte auf und werden das Messnetz in Sachsen flächendeckend und ohne Vorfestlegungen überprüfen.“
Und auch der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende, Georg-Ludwig von Breitenbuch, fand, dass wohl das Messstellennetz nicht in Ordnung wäre, wenn man gerade im sächsischen Tiefland so eine hohe Nitratbelastung im Grundwasser fände. Jedenfalls nicht die Massentierhalter. Oder?
„Wird in der Öffentlichkeit über die Nitratbelastung im Grundwassers gesprochen, wird dem Düngen und damit unseren Landwirten pauschal der Schwarze Peter zugeschoben. Das ist für mich absurd! Die Realität in den Betrieben und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zeichnen ein anderes Bild. Wir brauchen einen differenzierten Blick auf alle möglichen Ursachen“, meinte der Abgeordnete, der hier ganz unübersehbar die tatsächlichen Messergebnisse ignoriert.
„Als CDU-Fraktion fordern wir deshalb die geplante Düngeverordnung nochmals zu überprüfen! Gerade die Bodenfruchtbarkeit und die ordentliche Pflanzenernährung müssen auch künftig gewährleistet werden. Das Monitoring muss dafür auf sichere rechtliche Füße gestellt werden. Schlussendlich muss es mit Hilfe einer Revisionsklausel möglich sein, in absehbarer Zeit wieder fachgerecht düngen zu können. Unsere Landwirtschaftsbetriebe müssen bei den schwierigen Anpassungsschritten finanziell und beratend begleitet werden.“
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