Es waren zu viele Gewalttaten, Attentate und Übergriffe auf friedliebende Menschen im Land – nicht nur auf Ausländer, auch wenn der rassistische Anschlag in Hanau der letzte Auslöser war für den jüngsten Integrationsgipfel der Bundesregierung, der am 2. März tatsächlich mit einem Kabinettsbeschluss endete, der den Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus stärken soll. Die sächsische SPD will nicht warten, bis der vielleicht wirkt, und hat ein eigenes Grundsatzpapier beschlossen.

Deutschland habe ein Rassismusproblem, sagt Bundesfamilienministerin Franziska Giffey am Montag, deshalb müssten Sicherheitsbehörden so aufgestellt werden, „dass sie rassistisch motivierte Taten verhindern und Täter stellen und bestrafen können“. Ebenso wichtig sei aber, „dass wir den Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus als Gesellschaft insgesamt stärker führen als bisher und in die Präventionsarbeit investieren“, zitiert sie die „Zeit“.

Und das gilt eben auch für die Bundesländer, die ja alle ihre eigenen Polizeigesetze haben und Sicherheitspolitik auf Landesebene umsetzen. Meist viel zu lasch, auf dem rechte Auge oft regelrecht blind, was eigentlich allen seit 2011 klar sein müsste, seit das unheilvolle Wirken des „NSU“ publik wurde.

Und der „NSU“ war ja nicht das einzige rechtsextreme Netzwerk, das Anschläge und Morde plante. Erst in jüngster Zeit flogen ja neue rechte Terrorgruppen in Freital, Dresden und Chemnitz auf. Verbieten genügt da nicht, da braucht es gut ausgestattete Strafverfolgungsbehörden.

Und eine klare Haltung auch von Politikern, die sich nicht wegducken, wenn eine rechte Partei wie die AfD versucht, ihr menschenfeindliches Gedankengut in die Gesellschaft zu tragen.

Der Landesvorstand der SPD Sachsen hat jetzt mit einem sieben Punkte umfassenden Papier grundsätzliche Positionen im Kampf gegen Rechts formuliert und einen Maßnahmenkatalog dafür vorgelegt.

„Wir weichen keinen Millimeter nach rechts“, sagt SPD-Generalsekretär Henning Homann zu dem Beschluss. „Wir müssen und werden gegen den rechten Terror und seine Unterstützer auch in Sachsen vorgehen – und das noch konsequenter als bisher. Eine andere Lehre kann man aus dem Terror des NSU, dem Mord an Walter Lübcke, den Anschlägen in Halle und Hanau nicht ziehen.“

Im Umkehrschluss bedeute das aber auch, mehr als bisher all jenen den Rücken zu stärken, die sich für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Sachsen einsetzen. „Wir werden sie schützen – und das nicht nur mit Worten, sondern mit konkreten Taten“, so Homann.

„Deshalb haben wir einen ganzen Katalog von Maßnahmen erarbeitet, die Schritt für Schritt praktisch umgesetzt werden können, durch Anträge und Beschlüsse im Landtag, durch Gesetzesänderungen im Bund und auch durch das tägliche Handeln der Sachsen selbst. Mit dem Landesprogramm ‚Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz‘, das wir ausbauen wollen, haben wir bereits ein gutes Instrument in der Hand.“

Die wichtigsten Forderungen der SPD:

– Erarbeitung eines Sächsischen Demokratiefördergesetzes, um Projekte und Initiativen dauerhaft, strukturell, altersunabhängig, bedarfsorientiert, nachhaltig und flächendeckend zu fördern;

– Waffengesetze verschärfen, Mitglieder rechtsextremer Netzwerke entwaffnen, schärfere Kontrollen durch kommunale Sicherheitsbehörden, dafür mehr Geld für die zuständigen Behörden;

– engagierte Bürger schützen, gezielte Gefährderansprachen, zentrale Anlaufstelle für Opfer von Bedrohungen, mehr Personal für Justiz, Verfassungsschutz und Polizei zur Bekämpfung der extremen Rechten, von Rassismus und Hasskriminalität im Internet, Betroffene von Bedrohungen, Beleidigungen und Nachstellungen sollen sich leichter eine Auskunftssperre im Melderegister eintragen lassen können;

– demokratische Bildung als verpflichtender Bestandteil der Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten und der Führungskräfte in der Verwaltung;

– Laufbahnverordnung bei der Polizei Sachsen nach dem Vorbild des Bundeskriminalamtes so anpassen, dass verstärkt IT-Experten als Cybercops in den Landesdienst geholt werden können.

Henning Homann: „Nicht von ungefähr haben wir formuliert, dass wir den Zusammenhalt in unserem Land stärken und dem Begriff Solidarität wieder eine Rolle in Sachsen geben müssen. Wir möchten, dass sich Bürgerinnen und Bürger wieder stärker in die Politik einbringen. Und dazu gehört für uns als SPD auch, dass wir nicht locker lassen im Bemühen um weitere Reformen des Sozialstaates.“

Aber deutlich benennt das Papier der sächsischen SPD auch die Tatsache, dass die Verfolgung rechtsextremer Vereinigungen in Sachsen jahrelang sträflichst vernachlässigt wurde: „Die rechte Bewegung kann in Sachsen auf in langen Jahren etablierte und gut organisierte extrem rechte Organisations- und Mobilisierungsstrukturen aufbauen, die jahrelang gerade in Sachsen nicht bekämpft wurden. Im Gegenteil wurden deren Gegner und Kritiker kriminalisiert.“

Logisch, dass das Papier jetzt auch Druck auf den Koalitionspartner CDU macht, der genau diese Taktik jahrelang gefahren ist und auch den zuständigen Innenminister stellte. Wenn die SPD es ernst meint, muss sich hier gewaltig etwas ändern.

„Wir fordern härtere Strafen für Taten, die einen neonazistischen Hintergrund haben, um rechten Terror härter zu bestrafen“, heißt es im Papier. „Polizei-, Sicherheits- und Justizbehörden müssen frei von rassistischer und rechtsextremer Gesinnung sein. Dazu gehört, dass unsere Behörden für rechtsextreme Einstellungen und Taten stärker sensibilisiert werden. Denn häufig werden Gewaltdelikte in den zuständigen Kommissariaten und nicht in Staatsschutzabteilungen bearbeitet. Dennoch müssen rassistische und rechtsextremistische Motive erkannt werden. Dies gilt insbesondere für die Ausbildung von Kommissaranwärtern.“

Und zum Waffenbesitz: „In Zeiten, in denen Neonazis, Verschwörungstheoretiker und AfD-Politiker über einen blutigen Bürgerkrieg spekulieren und die Bedrohung durch rechten Terror zunimmt, müssen wir die Ausgabe und den Besitz von Waffen schärfer kontrollieren. Waffen gehören nicht in die Hände von Verfassungsfeinden.“

„Wir müssen verhindern, dass Waffen und Munition von Behörden in kriminelle Hände fallen. Es muss dringend aufgeklärt werden, wie die Munition aus den Beständen der sächsischen Polizei in den Besitz des Neonazi-Netzwerks ,Nordkreuz‘ gelangte. Hier darf aus Imagegründen nichts unter den Tisch gekehrt werden“, heißt es im Papier, das im Grunde einen völligen Paradigmenwechsel in der sächsischen Sicherheitspolitik fordert.

„Hier geht es um das Vertrauen in unsere Polizei. (…) Wir brauchen ein offensiveres Vorgehen und mehr Ermittlungsdruck der Polizei gegen die rechtsradikale Szene. Nicht nur die organisierte extreme Rechte sowie Täter müssen ins Visier genommen werden, sondern auch für Sympathisanten darf es kein Pardon geben. Rassistische und antisemitische Hetze und Aufrufe zu Gewalt müssen konsequent geahndet werden. Personen, die Amtsträger bedrohen, muss mit gezielten Gefährderansprachen begegnet werden. Für Opfer von Bedrohungen wollen wir eine zentrale Anlaufstelle bei den Sicherheitsbehörden schaffen, die den Betroffenen mit Information, Beratung und einer ersten Gefahrenanalyse hilft.“

Jetzt kann man gespannt sein, ob die SPD-Fraktion im Landtag das auch in Anträgen schrittweise umsetzt und vor allem auch der Koalitionspartner CDU für diese deutlich klarere Abgrenzung gegen rechtsextreme Vorgänge sensibilisiert werden kann.

Zahl der bewaffneten Rechtsextremisten in Sachsen hat 2019 wieder zugenommen

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