Fangen wir mit Rezo an, der seit seinem groรen โZerstรถrung der CDUโ-Video von 2019 auch zum Kolumnisten bei der โZeitโ geworden ist, wo er am Donnerstag, 27. Februar, seinen (neuen) รrger in Worte fasste: โDie Erderwรคrmung verschwindet gerade aus der รถffentlichen Diskussion. Das ist so lange unertrรคglich, wie sich stattdessen mit nichtigem Parteigeplรคnkel beschรคftigt wird.โ Ein รrger, der genau so auch auf den Leipziger OBM-Wahlkampf zutrifft.
Denn dass die CDU derzeit so in der Krise steckt, hat auch mit ihrer verwaschenen Position zur Energiewende und zum Klimawandel zu tun. Das hat auch mit unserer Medienlandschaft zu tun, die lieber die ganzen Rรคnke um die Kรถnigswahl der CDU bzw. die ihres neuen Vorsitzenden inszeniert, aber einfach ausblendet, dass es bei Wahlen in Deutschland lรคngst um unsere Zukunft geht.
Rezo dazu in seinem Text: โIn diesem Fall besteht die darin, dass sich das รถffentliche Problembewusstsein lรคngst von der รถffentlichen Diskussion abgekoppelt hat (und ich sage jetzt bewusst nicht: von der verรถffentlichten Meinung). Das zeigt sich dann nicht darin, dass Leute viel รผber katastrophale Entwicklungen lesen. Es zeigt sich aber zum Beispiel darin, dass die Wahl in Hamburg aus meiner Sicht eine Klimawahl war โ obwohl anschlieรend aus guten Grรผnden vor allem รผber das Ergebnis fรผr AfD und FDP und รผber Rassismus gesprochen wurde.โ
Da ist natรผrlich die Frage: Ist das in Ostdeutschland anders?
Das sieht nur so aus. Auch weil hier die konservativen (Leit-)Medien anders ticken. Auch lieber den Showdown von Kandidaten inszenieren, als auf den Inhalt ihrer Wahlprogramme einzugehen.
Und da wird es bei CDU-Kandidaten auch in Sachsen dรผnn.
Denn just die Podiumsveranstaltungen, zu denen im Umwelt-und Klimaschutz aktive Vereine und Verbรคnde eingeladen hatten, mied der CDU-Oberbรผrgermeister-Kandidat Sebastian Gemkow auffรคllig. Genauso wie die Townhall-Diskussion am Sonntag, 23. Februar in der Peterskirche, wo ebenfalls viele Umweltengagierte ihre Fragen stellen wollten.
Dass auch Sebastian Gemkow so seine Probleme damit hat, das Thema Klimawandel als wirklich drรคngendes Thema fรผr die Stadtpolitik zu akzeptieren und kluge Lรถsungsvorschlรคge einzubringen, wurde dann in jener Klein-Veranstaltung von LVZ und โBild Leipzigโ am 24. Februar deutlich, wo er in Minute 56 flapsig meinte, man kรถnne ja trefflich darรผber streiten, warum der Klimawandel stattfindet.
Nein. Kann man nicht. Das kรถnnen nur Leute, die nicht einmal begriffen haben, warum Rezo sein Video รผberhaupt gedreht hat.
Die Zerstรถrung der CDU
Dass Parteien wie die AfD den Klimawandel sogar leugnen, kann kein Maรstab mehr sein in einer Zeit, in der weltweit immer mehr Lรคnder schon unter den Folgen der heutigen Klimaerwรคrmung zu leiden haben. Deutschland hat ziemlich klare Klimaziele formuliert und โ verfehlt sie. Verfehlt sie auch, weil die CDU lieber eine Hรคtschelpolitik fรผr Wohlstandsbรผrger und Konzerne macht, statt endlich die Dinge voranzutreiben, die Deutschland fรผr den Klimawandel wappnen und vor allem dafรผr sorgen, dass der immense CO2-Ausstoร deutlich zurรผckgeht.
Sein Unverstรคndnis รผber die flapsige Aussage von Sebastian Gemkow รคuรerte am Donnerstag, 27. Februar, der Student_innenRat der Universitรคt Leipzig (StuRa). Der fordert den Wissenschaftsminister, der sich derzeit durch den Leipziger OBM-Wahlkampf schlรคngelt, eindringlich dazu auf, den wissenschaftlichen Konsens darรผber, dass der Klimawandel vom Menschen gemacht ist, nicht infrage zu stellen.
โWir freuen uns natรผrlich sehr, dass der Wissenschaftsminister den Klimawandel als solches nicht leugnet und wir nicht darรผber diskutieren mรผssen, ob der Klimawandel existiert. Die Ursachen dafรผr sind zur Genรผge wissenschaftlich belegt und sollten daher nicht zu diskutieren seinโ, stellt Tina Krawczyk, Referentin fรผr รkologie im StuRa, fest.
Mรถgliche natรผrliche Verรคnderungen, die einen Klimawandel verursachen kรถnnten, sind zwar eine Verstรคrkung der Sonnenstrahlung, Verรคnderungen der Rรผckstrahlung durch die Erdoberflรคche oder ein Anstieg der kosmischen Strahlung. Aber diese Faktoren haben sich in den letzten 150 Jahren nicht nennenswert verรคndert.
Was sich sehr wohl geรคndert hat, sind die Gasemissionen der Menschheit. Die erhรถhte COยฒ Konzentration ist beispielsweise leicht messbar. Sie wird durch die Verbrennung fossiler Kraftstoffe im Zuge der Industrialisierung verursacht. Die Hohe Menge von CO2 bewirkt in der Atmosphรคre eine stรคrker werdende Kettenreaktion, bei der Sonnenstrahlung zwischen Erdoberflรคche und Gasmolekรผlen hin und her reflektiert wird โ wie das eigene Spiegelbild zwischen zwei gegenรผberliegenden Spiegeln.
Die Gase, die hauptsรคchlich fรผr die Reflektion verantwortlich sind, werden Treibhausgase genannt, weil derselbe Effekt auch zwischen den Glasflรคchen und den Pflanzen wie in einem Treibhaus entsteht.
Und der Verkehr mit Verbrennungsmotoren trรคgt auch in Leipzig zu einem Drittel zum stรคdtischen CO2-Aufkommen bei. Allein das schon verhindert, dass Leipzig bis 2040 sein Ziel der Klimaneutralitรคt erreicht.
โEs wรคre vรถllig absurd, wenn ausgerechnet der sรคchsische Wissenschaftsminister solche Hintergrรผnde ignoriertโ, sagt Lukas Gliem, Referent fรผr Hochschulpolitik. โEs ist zu hoffen, dass Herr Gemkow aus opportunistischen Motiven den Inhalt von Einfรผhrungsveranstaltungen verdreht und diese simple Kausalkette nicht tatsรคchlich infrage stellt. Die Ursachen des Klimawandels sind nรคmlich glasklar! Nur weil man sie nicht sehen kann, heiรt es nicht, dass sie nicht da sind. Es ist dem Amt des Wissenschaftsministers unwรผrdig, so mit der Arbeit unzรคhliger Wissenschaftler/-innen und Studierenden umzugehen.โ
Und รคhnlich deutliche Worte findet auch Julius Reim, Landeskoordinator der Juso-Hochschulgruppen Sachsen: โIch bin sehr รผberrascht, dass Minister Gemkow den breiten wissenschaftlichen Konsens, dass der Klimawandel menschengemacht ist, infrage stellt. Damit bedient Herr Gemkow aus ideologischen Grรผnden die Narrative der Klimaleugner/-innen. Zwar zweifelt er nicht die Existenz des Klimawandels an, er versucht jedoch die Ursachen des Klimawandels als streitbares Thema darzustellen. Will er damit Wรคhler/-innen der faschistischen AfD fรผr sich gewinnen? Anders kann ich mir diesen Fehltritt nicht erklรคren.โ
Auch er findet es โeines Wissenschaftsministers unwรผrdig, aus politischem Kalkรผl wissenschaftliche Belege zu ignorieren. Aus dieser Aussage sprechen Bรคnde รผber die Stadtpolitik die Herr Gemkow mit Leipzig vorhat: Um seine konservative Politik in Leipzig umzusetzen, muss er in Zweifel ziehen, dass die Abgase von Autos, Industrie und Haushalten erheblich zum Klimawandel beitragen. Daraus wird klar, dass mit Herrn Gemkow als Oberbรผrgermeister hier und da ein paar Pflรคnzchen gesetzt werden, aber keine strukturellen Probleme angegangen werden. Leipzig und Sachsen mรผssen ihren Beitrag zur Eindรคmmung des Klimawandels leisten.โ
Logos auf Gemkow-Wahlplakaten: LVZ will Strafanzeige stellen
Logos auf Gemkow-Wahlplakaten: LVZ will Strafanzeige stellen
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