Da staunte nicht nur Franziska Schubert, finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, als sie den am Montag, 9. Dezember, vorgelegten Jahresbericht des Sächsischen Rechnungshofes las. Denn er machte deutlich, wie schwer es in Sachsen ist, das für Investitionen zur Verfügung stehende Geld tatsächlich auszugeben. Der Berg der Ausgabereste ist 2017 weiter gewachsen.
Jüngere Zahlen hat auch der Rechnungshof noch nicht. Erst im Frühjahr machte ja die Diskussion um die den Kommunen eigentlich zustehenden Investitionsmittel für den Straßenbau Furore. Während die Kommunen sich darüber beschweren, dass sie ihre Anträge nicht genehmigt bekommen, oder mit der Aussage abgespeist werden, dass Förderbudget sei schon ausgereizt, hockte der Freistaat auf 100 Millionen Euro, die nicht abgerufen wurden.
Und nicht nur beim Straßenbau fließen die Gelder nicht so, wie sie fließen müssten, stellte Franziska Schubert fest: „Bestätigt sehe ich mich in unserem Kenntnisstand zu den Ausgaberesten. Seit dem Jahr 2007 bis heute hat sich im Landeshaushalt eine Bugwelle an Ausgaberesten in Höhe von ca. 2,8 Milliarden Euro aufgetürmt. Die Gründe hierfür reichen von zu hohen Planansätzen im Haushalt, über Verzögerungen bei Maßnahmen bis hin zu zeitaufwendigen Verfahren innerhalb der Staatsregierung zur Übertragung der Gelder in das Folgejahr.“
„Hier braucht es neue Wege und Verfahren, erheblich mehr Transparenz und Ehrlichkeit. Es sollte nachvollziehbar sein, welche Gelder für eine Übertragung relevant sind, welche Maßnahmen aufgrund der Zeit überholt sind und wie diese Gelder bereits bei der Aufstellung des Landeshaushaltes berücksichtigt werden können. Ich hoffe sehr, dass wir in dieser Legislatur einen signifikanten Schritt weiterkommen.“
Der Rechnungshofbericht widmet diesen Ausgaberesten ein recht ausführliches Kapitel. Darin wundern sich die Rechnungsprüfer ebenfalls darüber, dass die Mittel für Straßenbau nicht abgerufen wurden: „Zwischen 2016 und 2017 ist ein auffällig hoher Anstieg an AR u. a. bei der Förderung des kommunalen Straßen- und Brückenbaus aus dem Epl. 07 (Kap. 0706, Tit. 883 15) von rd. 10 T€ auf rd. 35,6 Mio. € (+35,6 Mio. €) und bei Zuschüssen für die Wohnraumförderung aus dem Epl. 03 (Kap. 0323, Tit. 893 92) von rd. 32,6 Mio. € auf rd. 104,7 Mio. € (+72,1 Mio. €) zu verzeichnen.“
Das mit den Mitteln für Wohnraumförderung ist zumindest erklärlich, denn dass es überhaupt erst wieder Mittel für soziale Wohnraumförderung in Sachsen gibt, konnte ja erst 2016 vom kleinen Koalitionspartner SPD beim eher behäbigen Koalitionspartner CDU durchgesetzt werden. Dem folgte dann ein äußerst bürokratisches Antragsverfahren, sodass eigentlich erst 2018 die ersten Gelder fließen konnten, um wieder geförderten Wohnraum zu schaffen.
Die Gelder mussten also zwangsläufig in die Folgejahre verschoben werden. Aber das ist nur ein winziger Teil der Ausgabereste, die sich von 2,2 Milliarden Euro seit 2013 ständig erhöht haben. Der Grundstock war also schon sehr hoch, als die CDU/SPD-Regierung 2014 ihre Arbeit aufnahm. Und das, obwohl die Vorgängerregierung einen umfassenden Bürokratieabbau versprochen hatte.
Doch die Kommunen vermelden das Gegenteil: Die Bürokratie bei der Antragstellung für Landesfördermittel hat sogar noch zugenommen. Oft müssen im kommunalen Haushalt schon fest geplante Projekte um mehrere Jahre verschoben werden, weil die Landesgelder nicht genehmigt wurden. Was einer der Gründe dafür ist, dass auch Leipzig mittlerweile auf einem Berg von 300 Millionen Euro an Ausgaberesten sitzt.
Besonders schwierig scheint es zu sein, Investitionsförderung auch wirklich abzufinanzieren, wenn nicht nur das Land, sondern auch noch Dritte wie die EU beteiligt sind. Aber hier schmelzen die Summen zumindest über die Jahre ab, während ein Posten deutlich hervorsticht: Die Ausgabereste aus reinen Landesmitteln sind in all der Zeit am stärksten gestiegen von 609 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 1,093 Milliarden im Jahr 2017. Eigentlich ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Problem tatsächlich im Dickicht der sächsischen Fördergeldbeantragung liegt.
Die Lösung, die der Rechnungshof dann vorschlägt, klingt freilich geradezu beängstigend: „Der SRH schlägt vor, den Mittelabfluss bei reinen Landesmitteln mit fachlich gebotenen Maßnahmen besser zu flankieren und sich bei der Veranschlagung von Haushaltsmitteln im nächsten Aufstellungsverfahren verstärkt am tatsächlichen Mittelabfluss der Vorjahre zu orientieren.“
Das klingt deshalb bedrohlich, weil es völlig ausblendet, warum der Mittelabfluss der Vorjahre so gering war, warum viele Kommunen ihre Anträge nicht genehmigt bekamen oder warum sie nicht in der Lage waren, die benötigten Fördergelder abzurufen. Auch das ist ein sächsisches Thema: die schlechte Finanzausstattung etlicher Gemeinden und Kreise, die den Eigenanteil nicht aufbringen können, um benötigte Fördermittel zu beantragen.
Wenn man sich aber an einer ungenügenden Situation orientiert, löst man das Problem nicht. Deswegen spielt im neuen Koalitionsvertrag auch eine Neuaustarierung der Kommunalfinanzen eine zentrale Rolle.
Dass dann der Gegenvorschlag des Finanzministeriums eher introvertiert klingt, überrascht dann nicht mehr: „Das SMF teilte mit, dass es den SRH-Vorschlag grundsätzlich unterstütze. Ein verstärkter Fokus auf eine bedarfsgerechtere Veranschlagung, insbesondere im Sinne eines klugen Zusammenspiels zwischen Kassenmitteln und Verpflichtungsermächtigungen, würde aller Voraussicht nach dazu beitragen, das Niveau der Ausgabereste deutlich zu verringern. Grundsätzlich sei der Bedarf daher möglichst fundiert und exakt zu ermitteln.“
Das klingt, als wüssten die Ministerien nicht um den Bedarf. Was aber eher nicht der Fall sein dürfte, denn ihnen liegen ja die Förderanträge vor. Zumindest jener Teil, bei dem sich die Kommunen nicht haben entmutigen lassen. Den Gesamtbedarf könnte man leicht ermitteln, indem man sich von den Kommunen direkt zuarbeiten lässt. Aber wahrscheinlich wäre das Ergebnis in anderer Weise überraschend, denn der Bedarf würde wohl locker über 2,8 Milliarden Euro an dringenden Investitionen liegen.
Leipzig kann nicht mal die Hälfte der geplanten Investitionen umsetzen, Ausgabereste steigen auf 364 Millionen Euro
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