Sechs Paare sind รผbrig geblieben, die sich um den Vorsitz der SPD bewerben. Die Mitgliederbefragung startet am Montag, den 14. Oktober. Vier Tage vorher kamen alle Kandidat/-innen zur Regionalkonferenz in Dresden zusammen. Der rechte Terroranschlag am Tag zuvor in Halle gehรถrte zu den dominierenden Themen. Hรคufig zu hรถren war aber auch der Unmut รผber die Beteiligung an der Groรen Koalition. Manche Kandidat/-innen mรถchten schnellstmรถglich raus.
Eine Gruppe junger Menschen steht im Terminal des Dresdner Flughafens auf der ersten Ebene. Olaf Scholz, aktuell Bundesfinanzminister und bald mรถglicherweise Vorsitzender der SPD, lรคuft wortlos an ihnen vorbei. Gesine Schwan, die ebenfalls den Vorsitz der SPD mรถchte, verhรคlt sich รคhnlich.
Martin Dulig hingegen, der Vorsitzende der SPD in Sachsen, geht einen anderen Weg โ mitten durch die Gruppe. Einer der jungen Menschen รผberreicht ihm einen Zettel und verwickelt ihn in ein kurzes Gesprรคch. Vermutlich geht es darin um Klimapolitik, denn bei der Gruppe handelt es sich um Aktivist/-innen von Fridays for Future, die mit Bannern, Parolen und einem sogenannten Die-in demonstrieren.
Dulig ist zwar wichtig in den kommenden Koalitionsverhandlungen der sรคchsischen SPD mit CDU und Grรผnen โ unter anderem wenn es um Themen wie Kohleausstieg, รPNV und den Ausbau von Autobahnen geht โ, aber heute Abend steht er nur kurz im Mittelpunkt, als er zu einer Schweigeminute fรผr die Opfer des rechten Terroranschlags in Halle aufruft.
Scholz und Schwan hingegen gehรถren zu den Protagonist/-innen dieses Abends. Gemeinsam mit elf anderen Kandidat/-innen stellen sie sich auf der vorletzten Regionalkonferenz den Fragen der Mitglieder und Interessenten. Sie alle wollen bei der Mitgliederbefragung, die am Montag, den 14. Oktober, startet, die meisten Stimmen holen und sich Anfang Dezember auf dem Bundesparteitag der SPD zu den neuen Vorsitzenden wรคhlen lassen.

Zumindest am Donnerstag, den 10. Oktober, als diese Veranstaltung auf der zweiten Ebene des Terminals stattfindet, ist das noch so. Zwei Tage spรคter werden Hilde Mattheis und Dierk Hirschel ihre Kandidatur zurรผckziehen โ so wie es Simone Lange und der Bautzner Oberbรผrgermeister Alexander Ahrens sowie der Einzelbewerber Karl-Heinz Brunner bereits zuvor getan haben. รbrig sind sechs Teams mit jeweils einer Frau und einem Mann.
Die genannten Themen โ Klimapolitik und rechter Terror โ spielen im Verlauf des Abends eine zentrale Rolle. So ist es Scholz, der in der Vorstellungsrunde die Einordnung des Mรถrders in Halle als โEinzeltรคterโ kritisiert, weil die Handlung zu einem Denken gehรถre, das sich verbreite, und der betont, dass ein โschweres Lebenโ keine Entschuldigung fรผr die Wahl der AfD sei. โDie SPD ist von Leuten gegrรผndet worden, die ein schweres Leben haben.โ

Seine Partnerin Klara Geywitz, Landtagsabgeordnete in Brandenburg, fordert zudem, dass der Staat die Bรผrger/-innen im Kampf gegen rechts mehr unterstรผtzen mรผsse: mit โganz viel Geld fรผr jene, die sich tรคglich engagierenโ.
Deutlich รคuรert sich auch Boris Pistorius, der Innenminister aus Niedersachsen, der gemeinsam mit der sรคchsischen Gleichstellungsministerin Petra Kรถpping antritt. Er sagt: โDer Feind steht rechts und nirgendwo anders. Wir mรผssen alle rechtsstaatlichen Register ziehen, um diesen rechtsradikalen Horden Einhalt zu gebieten.โ
Was Pistorius konkret damit meinen kรถnnte, wird am folgenden Wochenende klar, als er fordert, dem faschistischen AfD-Politiker Bjรถrn Hรถcke den Beamtenstatus zu entziehen. Mehr als 40 hochrangige Kommunalpolitiker/-innen haben mittlerweile dazu aufgerufen, das Duo Pistorius/Kรถpping zu den neuen Vorsitzenden zu wรคhlen.
Die Jusos hingegen unterstรผtzen offiziell Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, die neben dem Duo Karl Lauterbach und Nina Scheer wohl die grรถรten Gegner/-innen der Groรen Koalition sind und einen besonders deutlichen Linksruck der SPD anstreben. Dass es im Vorfeld der Mitgliederbefragung solch klare Positionierungen gibt, stรถรt teilweise auf Kritik, unter anderem bei Gesine Schwan, die ohne Ralf Stegner in Dresden erscheint. Dieser feiert seinen 60. Geburtstag.
Ebenfalls im Feld der Kandidat/-innen befinden sich Christina Kampmann und Michael Roth, die einen eher moderaten Linksruck wollen. Roth plรคdiert dafรผr, die Kinderarmut stรคrker zu bekรคmpfen und die Anliegen der jungen โFridays for Futureโ-Aktivist/-innen in der Groรen Koalition ernst zu nehmen. Das fordert auch Kampmann, die den Klimaschutz mit der sozialen Frage verknรผpft: โWir dรผrfen keine Menschen zurรผcklassen.โ
Viele Kandidat/-innen thematisieren auch das Klima innerhalb der Partei. Man solle lieber der CDU mit jener Hรคrte begegnen, die hรคufig Mitglieder der eigenen Partei zu spรผren bekรคmen. Ansonsten dominieren die klassisch sozialdemokratischen Themen wie Bildung, Rente, Lรถhne und Umverteilung. Sachsens Integrationsministerin Kรถpping mรถchte die Kommunen stรคrken. Diese seien die โWiege der Demokratieโ. Auch Karl Lauterbach wรผnscht sich das.
Besonders hรคufig ist an diesem Abend aber zu hรถren, dass die SPD es nicht schaffe, die eigenen Erfolge angemessen zu verkaufen oder die eigenen Ideen รผberhaupt in einer Groรen Koalition ausreichend umzusetzen. Lauterbach drรผckt es so aus: โWir dรผrfen nicht links blinken und dann rechts abbiegen.โ
Zumindest die Mitgliederbefragung dรผrfte einen Linksruck der Partei in Aussicht stellen. Diesen streben alle Duos mehr oder weniger stark an. Spannend ist daher vor allem die Frage, ob Kandidat/-innen gewinnen werden, die die Groรe Koalition โnurโ kritisch sehen โ oder ob jene gewinnen, die sie schnellstmรถglich verlassen mรถchten.
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