Das kann man dann wohl als ein heftiges Stรผck Lobbyismus betrachten, was Sachsens ehemaliger Ministerprรคsident Stanislaw Tillich (CDU) da binnen zwei Jahren fertiggebracht hat. 2017 ist er โ nach der herben Wahlschlappe der CDU bei der Bundestagswahl โ als Ministerprรคsident zurรผckgetreten, um nur wenig spรคter als einer der Vorsitzenden der Kohlekommission der Bundesregierung wieder aufzutauchen und einen 40-Milliarden-Euro-Kohleaustiegsdeal auszuhandeln, der nur eines bislang nicht enthรคlt: einen Zeitplan fรผr den Kohleausstieg.
Dafรผr meldete der im Sรผdraum Leipzigs tรคtige Kohlekonzern MIBRAG am Dienstag, 24. September: โAn der Spitze des Aufsichtsrates der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG), Zeitz, wurde ein Wechsel vollzogen. Der frรผhere Ministerprรคsident des Freistaates Sachsen, Stanislaw Tillich, steht fortan dem Gremium vor. Der 60-Jรคhrige tritt die Nachfolge des langjรคhrigen Vorsitzenden Dr. Wilhelm Beermann an, der zum Ehrenvorsitzenden ernannt wurde. Das teilte der Aufsichtsrat am 24. September 2019 nach einer Sitzung in Leipzig mit.โ
Ein Schritt, der nicht mehr erstaunt, wenn man weiร, wie sehr Tillich auch in seiner Amtszeit als Ministerprรคsident gegen jede Beschrรคnkung der Kohleabbauplรคne in Sachsen agiert hat.
Und das wรผrdigt nun auch die MIBRAG an ihrem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden: โDer neue Aufsichtsratsvorsitzende Stanislaw Tillich ist Diplom-Ingenieur fรผr Konstruktion und Getriebetechnik und blickt auf eine lange und erfolgreiche Karriere als Politiker im Freistaat Sachsen zurรผck, in der er sich unter anderem als Staatsminister fรผr Umwelt und Landwirtschaft und von 2008 bis 2017 als Ministerprรคsident des Freistaates Sachsen fรผr die Belange des Bergbaus und der Energiewirtschaft aktiv eingesetzt hat. Stanislaw Tillich genieรt neben seiner hohen politischen Reputation auch den Ruf eines ausgewiesenen Fachmanns, der sich als gebรผrtiger Sorbe und Lausitzer intensiv mit dem Thema Bergbau auseinandersetzt.โ
Einen Ausblick gibt man auch schon mal: Stanislaw Tillich wird sich in seiner neuen Funktion gemeinsam mit der Geschรคftsfรผhrung den aktuellen, energiepolitisch spannenden Fragen und klimapolitischen Herausforderungen stellen und sich fรผr eine erfolgreiche Zukunft des Unternehmens am Standort einsetzen. Der neue Aufsichtsratsvorsitzende setzt sowohl auf Kontinuitรคt als auch auf Verรคnderungen.โ
Und Tillich selbst wird mit den Worten zitiert: โBei dem bevorstehenden Strukturwandel kommt MIBRAG eine bedeutende Rolle zu. Wichtig ist einerseits die Fortfรผhrung des Kerngeschรคfts fรผr die nรคchsten Jahre und andererseits die Suche und Ausrichtung auf neue Geschรคftsfelder im Sinne einer kontinuierlichen Energieversorgung und Beschรคftigung.โ
Ein Vorgang, den Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion im Sรคchsischen Landtag, und Dr. Jana Pinka, stellvertretende Vorsitzende der Linken in Sachsen, ziemlich seltsam finden: โDass ein Politiker zwei Jahre nach seinem Abschied aus der Politik in die Wirtschaft wechselt, ist nicht grundsรคtzlich zu beanstanden โ wir als Linke in Sachsen sind fรผr eine Karenzzeit von drei Jahren. Dass aber der frรผhere sรคchsische Ministerprรคsident Tillich, der in seiner Amtszeit ein gnadenloser Kohlelobbyist ohne Rรผcksicht auf Verluste bei Umwelt und Kultur war, nun sein Geld ausgerechnet mit einem Bergbauunternehmen verdient, hat schon mehr als nur ein Geschmรคckle. Zumal er zwischendurch als einer der Chefs der Kohlekommission wirkte, wo er nicht gerade mit neuen Ideen in Erscheinung trat.โ
Insofern halten beide โdas fรผr eine krasse Fehlentscheidung, die auch einen Schatten auf die Politik von Tillichs Nachfolger Kretschmer wirft. Kretschmer fรคllt gerade mit seinen pauschalen und destruktiven Rundumschlรคgen gegen ein sowieso schon unausgegorenes und unzureichendes ,Klimapaketโ als Verteidiger der Vergangenheit auf. Und diese personifizierte Vergangenheit macht nun demonstrativ Kohle mit der Kohle. Alles nur noch peinlich.โ
Sรคchsische Drehtรผr-Kohle fรผr Stanislaw Tillich
Was wird eigentlich aus der Vorsorgevereinbarung fรผr die Tagebaue, wenn Kohlemeiler vom Netz gehen?
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Abartig, aber was willste machen? So geht Sachsen!
Im Ernst in einer Welt, die meinem demokratischen Ideal entsprรคche wรผrde sich jetzt flugs hingesetzt und der sich als faul herausstellende Kohle-Kompromiss neu verhandelt. Man kann ja absehen, dass Tillich damals eben keinen Kompromiss sondern ein Paket im Sinne der Kohlewirtschaft ausgehandelt hat, wenn er dort nun einen Aufsichtsratsposten bekommt.