Da haben die Sachsen 29 Jahre permanenter Männerpolitik hinter sich und bringen es zur Landtagswahl fertig, noch mehr weiße alte Männer in den Landtag zu wählen. Weniger als ein Drittel der Abgeordneten des neuen sächsischen Landtags sind Frauen. Während am Ende der 6. Wahlperiode (Stichtag: 30. August 2019) 34,9 Prozent der Landtagsabgeordneten weiblich waren, wird der Landtag in seiner ersten Sitzung einen Frauenanteil von nur noch 27,7 Prozent aufweisen, sofern alle gewählten Personen das Mandat annehmen.
Grund dafür sind die hohen Wahlergebnisse von CDU und AfD, wo Männer die meisten Spitzenplätze eingenommen haben. Was wahrscheinlich ein Stück weit erklärt, was da in Sachsen schiefläuft. Denn wenn Männerthemen die Politik über Jahrzehnte dominieren (Straßenbau, Sicherheit, Ordnung, Kohle, Flughäfen …), dann ist kaum noch Platz und Aufmerksamkeit für Themen, die eher mit Sorge und Erhaltung zu tun haben – Bildung, Gesundheit, Naturschutz, Demografie. Das hat auch mit Kompetenzen zu tun und der Art derer, die in politische Ämter kommen, über Lösungen nachzudenken.
Und sowohl bei CDU und AfD findet man jede Menge Ingenieure, die die Welt immer als Baufläche für (Männer-)Projekte sehen. Selbst das Schulsystem ist dafür exemplarisch – es wurde viel mehr mediale Energie darauf verschwendet, die Digitalisierung der Schulen voranzutreiben, als die Arbeits- und Lernbedingungen für Lehrer/-innen und Schüler/-innen voranzutreiben.
Nur als Beispiel.
Man nimmt das aber nicht wahr, wenn Männerthemen die öffentliche Debatte beherrschen – beim Kohleausstieg genauso wie bei der Einwanderungsdebatte. Die sorgende und integrative Betonung des Themas kommt kaum vor, dafür die martialisch vorgetragene Debatte um Grenzschutz – ein dickes, fettes Männerthema.
Was zumindest ahnen lässt, wie vom Machbarkeitsdenken beherrschte Männer die sächsischen Provinzen mit ihren Einstellungen dominieren.
Und nun wohl auch wieder die Abstimmungsergebnisse im Landtag. So richtig ist die Botschaft von „Fridays For Future“, dass diese Wahl eigentlich eine Klimawahl war, nicht durchgedrungen, weil die Angst vor der AfD und ihrer faktenlosen Aggressivität den ganzen Wahlkampf beherrschte.
Klimapolitik aber ist vorsorgende Politik. Man mag es fast gar nicht nur den Frauen zuschreiben, weil auch Männer so denken können. Aber bislang hat man die in der sächsischen CDU eher selten gesehen, in der AfD schon mal gar nicht. Dort leugnet man lieber den Klimawandel, um mit dem technischen Machbarkeitsdenken der 1950er Jahre rücksichtslos weitermachen zu können.
Aber wie bekommt man denn nun mehr kluge Frauen ins Parlament?
„Ohne die konsequente parteiinterne Gleichstellungspolitik von Grünen und Linken sähe es noch schlimmer aus“, erklärt Katja Meier, gleichstellungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. „Mit unserer paritätisch besetzten Landesliste und einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis bei den chancenreichen Direktkandidierenden konnten wir sicherstellen, dass die neue Grüne-Landtagsfraktion ebenso wie die vorhergehende zu gleichen Teilen aus weiblichen und männlichen Abgeordneten besteht. Hinzu kommen die grünen Direktmandate, die sogar zu zwei Dritteln von Frauen errungen wurden. Die Grüne-Fraktion repräsentiert anders als ein Teil der anderen Fraktionen somit die Bevölkerungszusammensetzung in Sachsen.“
Und es kommt nicht nur noch mehr Technokratie in den Landtag. Das Wahlergebnis sieht sogar vom Standpunkt der Emanzipation her fatal aus. Als würde ein Großteil der Sachsen noch fest in dem Glauben sein, als könnten nur (alte) Männer Politik für sie machen. Als hätten sie auch nicht begriffen, wie Männerpolitik die DDR in den Abgrund gewirtschaftet hat.
„Im Bundesvergleich schneidet Sachsen beim Frauenanteil der Landesparlamente somit sehr schlecht ab. Ebenso wie nach der Bundestagswahl 2017 bedeutet eine Stärkung der AfD, die in weiten Teilen die Selbst- und Mitbestimmungsrechte von Frauen einschränken will und so auch bei der Aufstellung ihrer Kandidierenden agiert, fast schon zwangsweise ein Sinken des ohnehin niedrigen Frauenanteils im Landtag“, bedauert Meier.
„Entscheidend für den Anteil der weiblichen Abgeordneten ist die Aufstellung der Kandidierenden durch die Parteien. Haben Frauen die gleichen Chancen, schlägt sich das auch im Parlament nieder. Das Grundgesetz fordert in Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen. Wer das erreichen will, kommt im Hinblick auf die angemessene Repräsentation der Hälfte der Bevölkerung im Landtag um ein Sächsisches Paritätsgesetz, das auch die Direktmandate in den Blick nimmt, nicht mehr herum.“
Aber ob gerade so ein Gesetz bei dieser Alte-Männer-Dominanz eine Chance hat? Oder ob es gar zu den Punkten gehört, die die Grünen bei der CDU als Koalitionspartner durchsetzen können? Zumindest ist absehbar, wie schwierig die Koalitionsverhandlungen werden, wenn eine schwarz-grün-rote Koalition überhaupt funktionieren soll. Und Grüne und SPD haben nicht viel Spielraum, auf eigene wichtige Projekte zu verzichten, wenn sie in dieser Regierung nicht zerrieben werden wollen.
Zwischen AfD-Nähe, Konservatismus und liberaler Mitte
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Es gibt 5 Kommentare
@Michael Freitag
“Immer” und “Alles” ist “Nichts”, vor allem aber keine Kommunikation.
Ich gebe lediglich meine unmittelbaren Erfahrungen wieder und ziehe daraus Schlüsse. Und das nicht nur zwischen den letzten Wahlen und schon gar nicht aus den Gesprächen vor der Wahl sondern seit der sogenannten Wende.
Und eben wegen dieser Politik zwischen den Wahlen gibt es die ungewollte “Alternative”.
Insofern habe ich nicht gemeint, daß es eh nix würde, sondern daß es so weiter geht, wie bisher. Was allerdings auf dasselbe hinausläuft.
Naja, wenn’s aber schon so losgeht? Hauptsache paritätisch, egal wohin, gerne auch in den Abgrund.
@Olaf: Was mir auffällt, ist so eine gewisse Stimmung: wird doch eh nix, wurde nie was, kann auch jetzt nicht … Alle drei Koalitionäre – so es denn klappt – werden durchaus im Auge behalten müssen, wer sie weshalb gewählt hat. Wer zu stark dahinter zurückfällt, wird sich in wenigen Jahren erneut im Abwärtstrudel wiederfinden.
Nun kann man immer sagen, das sei doch den Parteien egal? Hab ich so im Wahlkampf aber nicht erlebt. Für alles andere gilt: Demokratie gibt es auch und gerade zwischen Wahlen …
Wenn die jungen ihre Wähler überzeugen würden, wären sie im Landtag. Haben sie? Darüber hinaus ist das Durchschnittsalter des Landtages gesunken (6.-7.Landtag).
“… Bildung, Gesundheit, Naturschutz, Demografie….” Großer Lachanfall, wenn ich da an Köpping und Lantzsch denke. Und Merkel ist auch eine Frau.
Gute Politik ist weder männlich noch weiblich. Die Damen, die ich in politischen Ämtern kennengelernt habe, unterscheiden sich in Nichts von den Herren. Nicht in Inhalt und nicht in Form.
Auch in den Parteien setzen sich nur die durch, die die kräftigsten und unnachgiebigsten Ellenbogen haben. Übrigens auch untereinander.
Wenn das die grünen Kernthemen sind, können Kretschmer und Dulig ganz entspannt in die Koalitionsverhandlungen gehen.