Der 1. September ist in Sachsen eine Klimawahl. Die jungen Wähler haben es längst begriffen, während ein Großteil der Älteren in einem jämmerlichen „Und wer integriert uns?“-Modus feststeckt. Nur ja nichts ändern an einem bräsigen Wohlstands-Lebensstil. Der Bundesverband Beruflicher Naturschutz hat untersucht, wie die Parteien beim Umweltschutz ticken. Ganz fachlich. Welche Parteien stehen wirklich für Umweltschutz?

Der Bundesverband Beruflicher Naturschutz, Regionalgruppe Sachsen hat sich anlässlich der Landtagswahlen in Sachsen am 1. September 2019 mit den Wahlprogrammen der im Landtag vertretenen Parteien auseinandergesetzt. Ziel der folgenden Ausführungen ist es, Wähler mit besonderem Interesse an Natur- und Umweltschutz eine Orientierungshilfe anzubieten.

Es wurde in den Programmen nur der Bereich Natur und -Umweltschutz berücksichtigt und die Aussagen einer fachlichen Beurteilung unterworfen. Konkretes in den Texten stand im Vordergrund, Unkonkretes oder Allgemeines blieb unberücksichtigt.

2019 zeigen sich in den Wahlprogrammen deutlichere Unterschiede als vor der letzten Landtagswahl. Erkennbar hat die zivilgesellschaftliche Bewegung „Fridays for Future“ die Sensibilität aller Parteien für das Thema „Klima-, Natur- und Umweltschutz“ erhöht, schätzt der BBN ein.

Drei Parteien haben Umweltschutz wirklich auf der Agenda

Bündis 90/Die Grünen platzieren sich am konkretesten. Zu nahezu jedem Aspekt des Natur- und Umweltschutzes formulieren sie Ziele, die sie im Rahmen ihrer Regierungsarbeit umsetzen wollen. Sei es die Erweiterung und Ergänzung der bestehenden Großschutzgebiete in Sachsen, mehr Geld für praktischen Naturschutz und mehr Naturschutzstationen, ein sächsisches Biotopverbundnetz, die Sicherung der Arterfassung und des Monitorings und die Begrenzung des Flächenverbrauches, um nur einige Punkte zu nennen.

Natur- und Umweltschutz stehen an erster Stelle im Programm: Die ersten 74 der insgesamt 161 Seiten des Programms beziehen sich konkret auf den Natur- und Umweltschutz oder stehen im nahen Kontext dazu.

Wenig überraschend macht die Partei Natur- und Umweltschutz zu ihrem vorrangigen Thema. Erstaunlich ist demgegenüber die Konsequenz, mit der eine ökologisch nachhaltige Gesellschaft entwickelt werden soll.

Die Partei Die Linke tritt mit konkreten Ideen an. Ziel sind u. a. kleinteilige Bewirtschaftungsformen in der Landwirtschaft und die Schaffung eines neuen Biosphärenreservats in Sachsen. Kommunen sollen insbesondere im Rahmen des Hochwasserschutzes das Vorkaufsrecht zurückerhalten, Überschwemmungsgebiete sollen nicht mehr bebaut werden, die Bodenversiegelung soll in Zukunft halbiert werden.

Die Linke zielt u. a. auf eine Besserstellung der Mitarbeiter der Natur- und Umweltverwaltung und mehr Rechte für diese Verwaltung bei Planungsvorhaben. Das Umweltinformationsrecht soll für die Bürger/-innen ausgebaut werden. Die Sächsischen Großschutzgebiete sollen von der Verwaltung der Forsten auf den Naturschutz übertragen werden.

Die SPD setzt sich für einen effektiven Vollzug von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ein und kündigt ein Bodenschutzprogramm an. Sie wird gegen die Nitratbelastung der Böden und des Grundwassers durch die Landwirtschaft vorgehen, wie auch gegen den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung. Im Bereich Hochwasser tritt die SPD für die Vermehrung natürlicher Retentionsflächen ein, die durch Biotopverbünde vernetzt werden. Der Elbeausbau wird abgelehnt. Um unabhängiger von EU Fördermitteln zu werden, soll ein landeseigenes Förderprogramm für Naturschutzmaßnahmen eingeführt werden, von dem vor allen Dingen die Kommunen profitieren. Die Naturschutzstationen sollen eine institutionelle Förderung erhalten.

Innovativ ist der Bereich der Umweltgerechtigkeit, mit der die SPD versucht, die soziale Frage mit der ökologischen zu verbinden. So sollen zum Beispiel alle Sachsen, unabhängig von ihrem Einkommen, das oft die Wohnlage bestimmt, den gleichen Zugang zur Natur und Landschaft erhalten. Umweltgerechtigkeit soll auch das Steuerrecht und die Mobilitätskonzepte betreffen.

Konservative Parteien machen weiter nach dem Motto „Wirtschaft gegen Umweltschutz“

Während die bisher genannten Parteien erkannt haben, dass Natur- und Umweltschutz ein entscheidendes Politikfeld sind, trifft das bei CDU, FDP und AFD nur sehr begrenzt zu, stellt der BBN fest.

Die CDU in Sachsen verfolgt Natur- und Umweltschutz in erster Linie aus der Sicht der Land- und Forstwirtschaft. Ihre Akteure sollen natürliche Landschaftselemente erhalten bzw. Mischwälder anlegen. Die Bedeckung mit Wald soll in Sachsen auf 30 % steigen.

Bedenklich sind aus Sicht des BBN die Aussagen zur Artenvielfalt. Die Populationsentwicklung von einigen Arten soll gesteuert werden, ein sicher unbrauchbares Konzept. Wolf, Biber oder Kormoran sollen gezielt und in Absprache mit den Landnutzern vermindert werden.

Die Lösung des chemischen Stoffeintrages soll vor allen Dingen über technische Innovationen erfolgen. Der Vollzug von Ausgleich- und Ersatzmaßnahmen wird in Zukunft weiterhin zögerlich und unter Ausschluss von land- und forstwirtschaftlichen Flächen erfolgen.

Das Ehrenamt soll z. B. durch eine „Stiftung Ehrenamt“ gefördert werden wie auch durch ein ein- bis dreimonatiges Stipendium für Jugendliche von 200 Euro monatlich. Offen bleibt, wie viele der geplanten 5.000 Stipendien den Bereich Natur- und Umweltschutz betreffen sollen. Die CDU bevorzugt also klar einen Natur- und Umweltschutz nach Haushaltslage, also durch Förderprogramme, nicht durch gesetzliche Regelungen.

Die FDP wendet sich gegen „Hysterie“ im Bereich Natur- und Umweltschutz und wünscht sich z. B. in der Frage des Insektenrückgangs „belastbare Forschungsergebnisse“. Beim Thema „unberührte Natur“ möchte sie 2 % von Sachsen als Wildnisgebiete deklarieren, der Rest der Landschaft allerdings soll im Planungsrecht von Natur- und Umweltschutzanforderungen sichtbar befreit werden. Die FDP setzt damit auf „Insellösungen“. Positiv ist zu vermerken, dass der Hochwasserschutz mit dem ökologischen Gewässerausbau verzahnt werden soll und die FDP auch Aufforstungen und Landwirtschaftsflächen einbeziehen möchte.

Aber der BBN wundert sich noch über etwas anderes: Auffallend ist bei der FDP – im Gegensatz zu allen anderen Parteien – ein gehässiger Ton in dem Sinne, dass sie Naturschutz oft als eine staatliche Gängelungspraxis gegenüber den Bürgern darstellt.

Die AFD hat definitiv kein Konzept im Bereich Natur- und Umweltschutz. Sie bleibt mit ihren Aussagen im Wahlprogramm entweder sehr allgemein oder sie wird so konkret, dass ein Gesamtrahmen nicht erkennbar ist. Ein fachlich nachvollziehbarer Zugang zum Thema fehlt.

FFH-Richtlinie, Wolf, Windkraft und Fischer sind die wenigen Aspekte, die die AfD zum Thema Natur- und Umweltschutz anbietet. Die FFH-Richtlinie und das System Natura 2000 soll auf den Prüfstand kommen. Dabei wird übersehen, dass Sachsen keine großen Möglichkeiten der Beeinflussung der EU-Richtlinie hat.

Der Diskussion um den Wolf widmet sie fast 25 % ihres Beitrages im Bereich Natur- und Umweltschutz. Es geht ihr um „Wolfskerngebiete“ und gleichzeitig möchte sie die Weidetierhaltung in Sachsen fördern. Die Fischer sind eine wichtige Zielgruppe der AfD, deren Möglichkeiten sie erweitern möchte. Die Ansiedelung von Windkraft möchte die Partei sehr einschränken.

Ergebnis: Wirklich mehr tun für den Umweltschutz wollen nur Grüne, Linke und SPD. Bei den konservativen Parteien kommt das Thema nur unter „ferner liefen“ und wird radikal Wirtschaftsinteressen untergeordnet.

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Es gibt 3 Kommentare

Nun ja, zusammen passen sie vielleicht. Wenn auch nicht so, wie gemeint.
Wenn man abseits von Wahlkämpfen die Parteien zu ganz konkreten Themen anspricht, vielleicht sogar in der einen oder anderen Partei Mitglied war und sich auch noch allen Ernstes einbringen wollte, stellt man ganz schnell fest, daß es einen Unterschied macht, diese konkreten Themen anzugehen oder große, nette, unkonkrete Sprüche zu labern.

Gerade bei Umweltthemen habe ich die Grünen vor Ort als “natürliche” Verbündete gesehen. Bei konkreten Themen, mit konkreten Menschen (insbesondere aus der Verwaltung – Bürgermeister, Landräte Amtsleiter) muß man allerdings konkret Stellung beziehen. Auge in Auge seine Interessen formulieren und argumentieren. Da wird es auch mal “eng”, wenn man Farbe bekennen muß. Und genau da hört es auf.

Rumlabern gerne, aber konkret läßt man dann lieber die Bürger ackern und macht sich nicht die Hände schmutzig.
Am Störmthaler See wird seit 10 Jahren eine illegale Motocross-Strecke betrieben. Durch den Waldwwerden jedes Wochenende Quad-Touren angeboten. Der zuständige Amtsleiter Bergmann dürfte den interessierten Leser bezüglich des Steinbruch in Böhlitz-Ehrenberg bekannt sein. Für das Scheiß-Highfield wurden 60 ha Wald gerodet (der Auwald läßt grüßen). Mastergenehmigungen, für die das sächsische Wassergesetz keine Grundlage bietet, wurden für 1.500 Motorboote erlassen. Heute fahren Amphibienfahrzeuge und Jetski auf den Gewässern.
Das erste SUV weltweit wurde im Tagebau Espenhain vorgestellt. Heute von Gott und aller Welt bejammert.
Die Felder im Südraum (namentlich Agrargenossenschaft Pötzschau) werden des nachts mit “Zeug” besprüht, daß man mit Kopfschmerzen aufwacht. Schmetterlinge gibt es seit Jahren nicht mehr. Lantzsch freut sich, daß sie auf die Felder zigtausende Autos stellen darf, damit das Highfield stattfinden kann. (ich weiß nicht, ob die Freitag vormittag in Leipzig mit gestreikt haben).
Bis hin zum Forstwirtschaftsplan in Leipzig gab es nicht nur keine Unterstützung (geht ja schlecht, wenn die Abholzung von 8.000 m³ Holz befürwortet wird), nein, die Auseinandersetzungen wurden gerne den Bürgern überlassen.
SPD und Linke muß man mit solchen konkreten Beispielen gar nicht behelligen. Doch auch die Grünen machen sich nicht die Hände dreckig.
Wie gesagt, wenn es ernst wird und die Arschbacken mal zusammengekniffen werden müssen, weil man sich mit den sogenannten “Amtsträgern” auseinandersetzen muß, die sich weder für Gesetz, noch Umwelt, noch Bürger interessieren, wird gekniffen. Aber nicht der Arsch sondern die Verantwortung und zwar vor.

Wahlprüfsteine sollten nicht die Programme sein, sondern das tatsächliche Verhalten in der Vergangenheit.

@Sabine
Es geht in der großen Politik weniger um die Inhalte als um die Befindlichkeiten.
Der aktuelle SPD-Vorsitzende in Sachsen kann es bspw. nicht verschmerzen, dass ausgerechnet die sächsischen Linken vor ihm ins Ziel gehen, wo man doch damals gegen die SED gekämpft hat. Und die Linken machen sich über das Gebaren eher lustig, als es ernst zu nehmen.

Und ausgerechnet die, die am besten zusammenpassen, finden nicht zusammen. Das soll mal einer verstehen.

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