Dass Dresden 2017 so deutlich aus dem üblichen Raster fiel und mehr Inobhutnahmen von Minderjährigen verbuchte, hatte seine Ursache nicht darin, dass sich die sozialen Probleme der sächsischen Landeshauptstadt auf einmal so aufgeschaukelt hätten. Es waren vor allem unbegleitete Minderjährige, die dort die Zahlen hochgehen ließen. Aber was die sozialen Nöte betrifft, ist alles beim Alten geblieben und Leipzig führt die bedenkliche Liste weiter an.
Denn da, wo Familien versagen, muss die Kommune helfen. Ob sie arm ist oder reich, ist dabei völlig egal. Wobei ja nun einmal der Zusammenhang besteht: Kommunen mit größerer Armut haben auch mehr soziale Probleme. Denn anders, als bürgerliche Politiker so gern glauben, haben soziale Härtefälle immer einen wirtschaftlichen Hintergrund. Die wirtschaftliche Überforderung sorgt für die Überlastung der Eltern.
Und auch wenn sich die Arbeitsmarktlage in Sachsen leicht entspannt hat, trifft das in der Regel genau auf jene jungen Eltern nicht zu, die schon eine ganze Lebensspanne mit niedrigeren Schulabschlüssen, immer wieder wechselnden und oft genug schlecht bezahlten Jobs hinter sich haben. Die nie Ruhe in ihr Leben bekommen und meist auch noch mit Suchtproblemen zu tun haben.
Die Sozialverwaltungen der Kommunen rotieren dann. Aber die Landesregierung nimmt das Problem nicht so richtig ernst. Das findet zumindest Janina Pfau, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag. Sie hat die Staatsregierung zu Zahlen der Kinder und Jugendlichen befragt, welche in den letzten zwei Jahren von den Jugendämtern der Landkreise in Obhut genommen worden sind (Landtags-Drucksache 6/18413).
„Die Gesamtzahl der Inobhutnahmen im Freistaat ist 2018 leicht gesunken (2017: 3.855; 2018: 3.301). Das begrüße ich, denn der beste Ort zum Aufwachsen ist in der Regel die eigene Familie. Allerdings gibt es noch immer deutlich mehr Inobhutnahmen als etwa 2014 (2.800)“, stellt die Landtagsabgeordnete fest.
Aber die Statistik, die ihr die Sozialministerin nun liefern musste, enthüllt auch einige Vorgänge, die Sachsens Regierung gern unter den Teppich kehrt und so tut, als wüsste sie von nichts. Das betrifft zum Beispiel all die Kinder, die in Obhut genommen werden mussten, weil sie kein Zuhause hatten.
„Nachdem die Landesregierung 2017 noch behauptet hatte, die Zahl der wohnungs- und obdachlosen Kinder und Jugendlichen werde seit 2008 nicht mehr statistisch erfasst (Drucksache 6/9354), legt sie nun immerhin aktuelle Zahlen vor“, kommentiert Janina Pfau diese seltsame Verweigerung. Denn in Wirklichkeit haben die Kommunen solche Zahlen. Und die Staatsregierung kann sie alle abfragen. „Immer mehr junge Menschen mussten wegen Wohnungsproblemen in Obhut genommen werden (2017: 284; 2018: 416).“
Wurden in Leipzig 2017 noch 74 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen, weil sie keine Wohnung hatten, stieg die Zahl 2018 auf 156. In Dresden stieg die Zahl sogar von 103 auf 181.
Aber die Kinder sind ja oft auch deshalb auf der Straße, weil sie es zu Hause nicht mehr aushalten. Janina Pfau: „Die Bereiche Häusliche Gewalt und Drogenmissbrauch der Eltern, die laut den Erfahrungen der Beratungsstellen zunehmende Probleme darstellen, werden hingegen nicht erhoben. Einen kleinen Anhaltspunkt bietet das erfasste Merkmal ,Anzeichen für (körperliche/psychische) Misshandlung‘. Auch in diesem dritten Bereich ist ein Anstieg zu verzeichnen (2017: 258; 2018: 352).“
Das erzählt von Familien, die trotz aller Jubelmeldungen der Arbeitsämter aus ihren privaten Problemen nicht herauskommen, wo sich die tägliche Überforderung auch in Gewalt gegen die Kinder austobt. So stieg die Zahl der Inobhutnahmen wegen körperlicher Misshandlungen in Leipzig von 48 auf 80.
Und auch die Suchtprobleme der Minderjährigen haben oft dieselben Ursachen. „Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die wegen eigener Suchtprobleme in Obhut genommen wurden, stieg innerhalb eines Jahres von 130 auf 280 Betroffene“, merkt Janina Pfau an. „Der stärkste Anstieg in diesem Bereich lässt sich in Leipzig beobachten, wo 89 zusätzliche Inobhutnahmen wegen Suchtproblemen registriert wurden. In Leipzig und Zwickau hat sich auch die Gesamtzahl der Inobhutnahmen deutlich erhöht. Dies zeigt: Der Stellenzuwachs der letzten Jahre in der Drogen- und Suchtberatung reicht nicht aus. Es muss noch stärker in Prävention investiert werden.“
Aber warum sind dann die Inobhutnahmen in Sachsen 2018 tatsächlich gesunken?
Das hat mit der stark zurückgehenden Zahl von unbegleiteten Minderjährigen aus dem Ausland zu tun. Diese Zahl fiel deutlich von 1.076 auf 382. Wenn man diese Zahlen herausrechnet merkt man, dass sich die Probleme für Kinder aus den problembeladenen Familien tatsächlich weiter verschärft haben. An ihnen geht die „gute Konjunktur“ völlig vorbei. Und die betroffenen Familien „am Rand der Gesellschaft“ brauchen tatsächlich immer mehr Hilfe, während sie auch auf dem sogenannten Arbeitsmarkt weiterhin nur am Katzentisch sitzen. Und ihre Not vererbt sich auf die Kinder.
„Wieder einmal komme ich zu dem Schluss, dass die Staatsregierung an diesen Problemen nicht wirklich interessiert ist“, schreibt Janina Pfau der Regierung ins Zeugnis.“In Zukunft muss deutlich mehr für Kinder und Jugendliche getan werden, um ihnen einen guten Start ins Erwachsenenleben zu ermöglichen. Der erste Schritt wäre eine Kindergrundsicherung.“
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Keine Kommentare bisher
Wenn man sich hingegen ans Jugendamt wendet bei Erziehungsproblemen wurd man gern alleingelassen oder es wird der schnelle Weg der Inobhutnahme gegangen. Gemeldete Kindswohlgefährdung wird verharmlost und nicht untersucht.
Und wenn das Jugendamt eine gerichtlich verfügte Familienhilfe, Schulbegleitung und Erziehungshilfe nach nunmehr 9 Monaten immernoch nicht umgesetzt hat, trotz richterlicher Ermahnung vor 4 Monaten, wenn Eltern alleingelassen werden mit den Problemen, stattdessen Arbeit mutwillig verweigert wird, dann sieht es schon seltsam aus. Zumindest keimt der Verdacht, dass gezielt auf Inobhutnahme hingearbeitet wird, das wird ja dann wohl aus einem anderem Topf bezahlt?
Ich lass mich gern darüber aufklären wie es denn nun sein soll, wenns nicht so ist, wie vermutet