Ein Ärgernis, das sich seit Jahren durch die sächsischen Landtagswahlen zieht, ist der Zuschnitt der Wahlkreise. Normalerweise müssten sie alle fünf Jahre entsprechend der Bevölkerungswanderung neu angepasst werden. Doch regelmäßig kommt die sächsische Wahlkreiskommission zu dem Schluss, dass man es doch wieder beim Alten belasse. So wie in Leipzig, wo es nur sieben Wahlkreise gibt, obwohl acht die Realität deutlich besser abbilden würden.
Eigentlich müssten es sogar längst 8,5 Wahlkreise sein, so stark ist Leipzig seit 2009 gewachsen. Das irritierte jetzt auch Holger Mann, Abgeordneter der SPD im Sächsischen Landtag. Er fragte extra noch einmal bei der Staatsregierung an. Denn prekär wird die Sache mit den Wahlkreiszuschnitten, weil dadurch mehr Direktmandate in den eher bevölkerungsschwachen Wahlkreisen vergeben werden, als diesen Wahlkreisen eigentlich nach vorhandener Wählerschaft zustünden. Und diese Direktmandate werden sich nach den aktuellen Prognosen eher AfD- bzw. CDU-Kandidat/-innen sichern können.
Die SPD hätte mit ganz viel Glück eher in Städten wie Leipzig eine kleine Chance.
Dass es freilich auch 2019 bei den Wahlkreiszuschnitten von 2009 bleibt, wurde schon 2017 so entschieden, antwortet jetzt Innenminister Roland Wöller (CDU): „Die Wahlkreiskommission für die 6. Wahlperiode des Sächsischen Landtages hat dem Staatsministerium des Innern insoweit am 3. Februar 2017 – und damit fristgerecht zur Mitte der Wahlperiode – ihren Bericht vorgelegt. Darin kam sie zu dem Ergebnis, dass im Hinblick auf das Prinzip der Kontinuität keine Änderungsvorschläge am gegenwärtigen Zuschnitt der 60 Wahlkreise zu verzeichnen wären.“
Wobei die Entscheidung der Wahlkreiskommission schon damals auf Unverständnis stieß. Denn auch nach den gültigen Regeln des Wahlrechts gelten in Sachsen maximal 15 Prozent Abweichung von der durchschnittlichen Wählerzahl pro Wahlkreis als tolerabel. Davon wichen aber schon 2017 praktisch eine ganze Reihe Wahlkreise ab. Sechs Wahlkreise in den Landkreisen mit im Schnitt 55.000 Wahlberechtigten wichen um mehr als 15 Prozent nach unten ab, neun Wahlkreise in den Großstädten wichen mit jeweils über 75.000 Wahlberechtigten deutlich nach oben ab, darunter auch vier Leipziger Wahlkreise.
Aber der Gesetzgeber hat die Tolerierungsgrenze nicht als Entscheidungsgrenze definiert. Er hat dafür extra noch eine 25-Prozent-Regel eingeführt, sodass die Abweichungen satte 25 Prozent erreichen können, bevor die Wahlkreise neu zugeschnitten werden müssten.
Was natürlich bedeuten würde, dass Regionen wie das Vogtland oder die Lausitz größere Wahlkreise bekommen würden, während in Leipzig und Dresden die Wahlkreise kleiner werden müssten. Damit würde sich auch die demografische Entwicklung in den Wahlkreiszuschnitten widerspiegeln.
Holger Mann wollte freilich auch wissen, wie die Verhältnisse im Jahr 2019 sind. Hat denn das Statistische Landesamt nicht alle Zahlen, um das nach den aktuellen Bevölkerungszahlen auszurechnen?
Nein, sagt Wöller: „Die Anzahl der deutschen Bevölkerung nach Wahlkreisen zur Landtagswahl 2019 liegt der Staatsregierung zum Gebietsstand 31. Dezember 2018 im Einzelnen aktuell nicht vor. Diese wäre zum jetzigen Zeitpunkt nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand zu ermitteln.“
Was eigentlich wieder eine Menge über den Stand der elektronischen Datenbanken in Sachsen sagt. Die zuständigen Kommunen wissen zwar, wie viele Wahlberechtigte es bei ihnen in jedem Wahlkreis gibt – aber der Freistaat kennt kein System, diese Zahlen abzufragen.
Wöller: „Diese Daten müssten deshalb im Detail zunächst bei allen Kommunen abgefragt und anschließend an den amtlichen Bevölkerungszahlen hochgerechnet werden. Andere wichtige und vorrangige Aufgaben,wie die derzeitige Vorbereitung und Durchführung der Landtagswahl am 1. September 2019, könnten währenddessen nur eingeschränkt wahrgenommen werden.“
Wenn die Alternative fehlt: Die „Schicksalswahl“ als Evolutionsbewegung
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Leipzig wird auch im nächsten Jahr mit nur sieben Wahlkreisen auskommen müssen
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Es gibt 2 Kommentare
Die Wahlkreise wurden 2017 festgelegt, auf Basis der Zahlen von 2015!
Man hat versucht, die Bevölkerungsentwicklung zu interpolieren.
Es ist lächerlich und erbärmlich zugleich, wie schnell man einen Geschwindigkeitsverstoß elektronisch aus einem anderen Bundesland zugestellt bekommt. Aber den elektronisch erfassten Bevölkerungsstand auf Knopfdruck abzurufen, scheint unmöglich.
Nicht mal innerhalb eines Jahres!
Man schreit immerzu nach autonomem Fahren, 5G und allem möglichen, lebensunwichtigen Geblöff.
Aber die ureigensten und elementaren Funktionen der Gesellschaft auf aktuellem Stand sicher zu stellen, das geht nicht.
Offensichtlich beruhigt die Demokratie die Bürger mehr als andere Gesellschaftsformen.
Aber das Gemeinwesen ist anfälliger für schädliche Einflüsse.
Darauf bin ich nicht stolz, das ärgert mich.
Weil es besser sein könnte.
Die beste Demokratie der Welt. Wir können stolz darauf sein.
Warum bin ich es nicht?