An Papiere-Schreiben wird er gut gewesen sein, Sachsens Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU), wenn er sein Amt jetzt abgibt. Das ihm eigentlich auch unterstellte Ressort Umwelt hat er dabei so glänzend nicht verwaltet, dass er dort – trotz aller Befunde zum Artensterben, zu Grundwasserbelastung und belasteten Flüssen – tatsächlich fünf herrliche Jahre an amtlicher Untätigkeit vorweisen kann. Zum Insektensterben hat jetzt Jana Pinka mal nachgefragt.

Das Thema beschäftigt uns schon zwei Jahre intensiv. Aber erst im Juni fühlte sich Thomas Schmidt bemüßigt, ein Handlungskonzept für Insektenschutz vorzulegen, das „Handlungskonzept Insektenvielfalt im Freistaat Sachsen“. Dabei bezeichnete der Minister den anhaltenden Rückgang der Insekten als „alarmierend“. Im Konzeptentwurf wurden daraufhin Maßnahmen gebündelt, mit denen die Insektenvielfalt im Freistaat befördert werden soll – vergessen wurde allerdings, den gegenwärtigen Zustand anzugeben, kritisiert Dr. Jana Pinka, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke.

Sie hat deshalb die im Entwurf des Handlungskonzeptes aufgezählten 22 Indikatoren bei der Landesregierung abgefragt – unter anderem den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Sachsen, Flächenangaben zum Waldumbau und vieles mehr. Auf ihre Kleine Anfrage (Drucksache 6/18471) hin sollte das Ministerium also antworten, wie der gegenwärtige Stand der Dinge ist. Aber da kam nichts.

„Die Auskünfte des Ministers sind schwach“, stellt Jana Pinka fest. „Beim Handlungskonzept handle es sich ,zunächst um ein Entwurfspapier‘, die erfragten Ausgangszustände würden ,im Rahmen der Programmerstellung näher erörtert‘, es seien ,lediglich Indikatoren vorgeschlagen‘ worden. Fraglich ist, auf welcher Basis die beteiligten Verbände auf Augenhöhe mit dem Ministerium wirken sollen, wenn die gegenwärtigen Umweltzustände unter Verschluss gehalten werden. Wenn der Status quo nicht bekannt gegeben wird, können kaum Gewichtungen vorgenommen, konkret messbare Ziele benannt, wirksame Indikatoren bestimmt und Fortschritte gemessen werden. Entschlossenes Handeln sieht anders aus.“

Aber Schmidt verwies auch gleich noch großspurig auf das Maßnahmenprogramm ,,Biologische Vielfalt 2020“, mit einem Zwischenstand zum Jahr 2018, obwohl nur der Zwischenstand für 2017 online ist, der genauso wenig aussagekräftig ist wie der von 2015.

In einer riesigen Tabelle ist aufgelistet, wo Sachsen überall handeln müsste. Aber die Handlungen sind dann schwammig umschrieben. Etwa zu den „Natura-2000-Gebieten“: „Identifizieren von Schutzgütern, für die Maßnahmen besonders dringlich und am ehesten erfolgsversprechend sind (,Natura2000 Fokus-Schutzgüter‘), Kommunizieren an die Akteure der staatlichen und kommunalen Behörden und daran anknüpfend: Regionale Abstimmungen zur Maßnahmenumsetzung zwischen staatlichen und kommunalen Behörden. Einführen von Instrumenten, mit denen Maßnahmen gezielt auf die Fokus-Schutzgüter gelenkt werden (Kooperationsvereinbarung mit dem Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL), Landesverband Sachsen e. V., zur Maßnahmeninitiierung, Artenhilfsprogramme, Finanzierung spezieller Artenhilfs- und Biotopschutzmaßnahmen.“

Was letztlich gebündelter Unfug ist. Denn bei den Natura-2.000-Gebieten geht es um ihren Gesamterhaltungszustand, nicht um einzelne Arten. Und in den meisten Fällen brauchen sie keine Maßnahmen, sondern einen Rückbau von Maßnahmen – echte Nicht-Bewirtschaftung und das Herstellen größerer geschützter Räume, in denen nicht gebaut, gesägt und Gülle gespritzt wird. Das betrifft auch den Leipziger Auenwald.

Aber die Tabelle spricht für sich, weil sie genau das beschreibt, was Pinka kritisiert: Wer keine profunde Bestandsaufnahme hat, kann auch keine Ziele vorgeben. Da hilft es auch nichts, sich mit allen Umweltverbänden an einen Tisch zu setzen.

Und Schmidt hatte auch niemals vor, wirklich belastbare Ziele zum Insektenschutz zu definieren. „Zudem wurden im Konzeptentwurf lediglich Indikatoren vorgeschlagen, welche die Basis für eine spezifische Evaluierung bilden könnten. Sie werden weiter fachlich diskutiert“, sagt er selbst.

Das ist genau die Formel, mit der unwillige Amtsinhaber ihre Untätigkeit bemänteln. So können sich ganze Ämter über Jahre selbst beschäftigen mit überflüssiger Papierbeschriftung, ohne dass irgendwo irgendetwas passiert. Der Grund ist simpel: Man müsste zwingend auch die Landwirtschaft einbeziehen und dazu bringen, abrechenbare Programme für die Artenvielfalt umzusetzen – von dauerhaften Feldrainen über Schutzhecken und gezielt geförderter Landschaftspflege bis zur Minimierung der Mastanlagen und des Gülleaufkommens, Drosselung der Düngemengen. Usw.

Aber da müsste sich Schmidt mit der Lobby der großen Agrarbetriebe in seiner eigenen Partei anlegen. Dazu hatte er nie das Format. Und so kann er auf die Frage, welche Maßnahmen zum Programm „Biologische Vielfalt 2020“ jetzt umgesetzt werden, auch nur antworten: „Der Abstimmungsprozess innerhalb der Staatsregierung ist noch nicht abgeschlossen.“

Er führt seine eigenen Aussagen ad absurdum. Wenn ein Programm, das seit 2013 unter dem Titel „Biologische Vielfalt 2020“ firmiert, im Jahr 2019 noch immer im Abstimmungsprozess ist, hatte der zuständige Minister niemals vor, es umzusetzen. Es ist bedrucktes Papier, das niemanden interessiert. Nicht einmal die Regierung, die vor lauter Abstimmungen nicht mehr zum Arbeiten kommt.

Kurz vor Toresschluss legt Sachsens Agrarminister ein Handlungskonzept für Insektenschutz vor

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Es gibt 3 Kommentare

Ist doch ideal, der nächste kann dann gleich noch mal von vorne anfangen zu prüfen, was gleich noch mal zehn Jahre dauert.

Naja, für die Landwirtschaftslobby war er schon kompetent.

Nur für Umwelt und Natur nicht.

Die Tiere und Pflanzen werden aufatmen, wenn der Mann Amt endlich abgibt.

Zumindest diejenigen, die seine Amtsperiode überlebt haben.

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