Die deutsche Mehrheitsgesellschaft bemerkt es nicht wirklich, doch es verschwinden Menschen in diesem Land. Über Nacht, einfach so, auf behördliche Anweisungen hin von der Polizei zum Flughafen gebracht und quer durch Europa verschickt. Eine Situation, die viele nicht sehen wollen, die gleich mehrere Perspektiven auf unsere Gesellschaft, unsere Europäischen Nachbarn, aber vor allem auf die betroffenen Menschen verlangt.Ein erster Einblick in die LEIPZIGER ZEITUNG, Ausgabe 69, seit 19. Juli 2019 im Handel.

Fast scheint es, als möchten es viele nicht sehen. Statt genehmigte Asylanträge, die in den Mittelmeeranrainerstaaten gestellt wurden, auf die in Deutschland lebenden Menschen anzuwenden und sie nun in die Gesellschaft zu integrieren, werden in den letzten Monaten anerkannte Geflohene innerhalb Europas in die Staaten zurückgeschafft, in denen sie vor zwei oder drei Jahren europäischen Boden betreten und ihre Anträge gestellt haben.

Während das Augenmerk vieler auf die drastische Situation im Mittelmeer gerichtet ist, hat das zentrale Binnenland Europas begonnen, die sogenannte Drittstaatenregelung voll und teils gegen andere Staaten der EU auszuspielen. Sachsen führt auch dabei die Liste der Abschiebeländer an, gefolgt von Bayern, bemüht sich der Freistaat derzeit, die Gemüter rechtsradikaler Nationalisten vor der Sachsenwahl zu befrieden.

Dass es hierbei vor allem integrationswillige Menschen trifft, welche längst begonnen haben, sich in unserem Land einzuleben, familiäre und freundschaftliche Strukturen aufgebaut haben, nimmt man dabei offenbar sehenden Auges in Kauf.

Die LEIPZIGER ZEITUNG, Ausgabe Juli 2019, ab 19.07. im Handel. Klicken zum Vergrößern. Bild: LZ
Die LEIPZIGER ZEITUNG, Ausgabe Juli 2019, ab 19.07. im Handel. Klicken zum Vergrößern. Bild: LZ

Wenn man als Unbeteiligter ganz fest die Augen zukneift, kann man versuchen, sich herauszureden; es würde sicher die Richtigen treffen, womöglich ja Straftäter oder andere Bösewichter. Wenn man die Augen allerdings aufmacht und sich die Fälle genauer anschaut, wird schnell klar: vor allem betroffen sind Menschen, derer man aufgrund fester Wohnadressen, gewachsener Strukturen und ihrer abgelehnten Anträge auf Sprachkurse und Arbeitsduldungen einfach habhaft werden kann.

Bei Nacht und Nebel werden die Abschiebungen exekutiert, schnell und geräuscharm soll es geschehen, niemals tagsüber, da es sonst gesehen würde. Meist finden sich die Ausgewiesenen dann binnen 24 Stunden irgendwo im südlichen Europa im wahrsten Wortsinne auf der Straße nahe eines Flughafens wieder. Obdachlos, arbeitslos und perspektivlos können oft nur noch ehrenamtliche Strukturen und Kirchen helfen, zumindest ein Dach über dem Kopf zu haben.

Am Abend des 9. Juli 2019 ist der Vorhang, den die Behörden über diese Abschiebungen halten, für einen Moment aufgerissen. Und hat in Leipzig die Geschichte einer kurdischen Familie aus Syrien offengelegt, die vor allem eines zeigt: Deutschland mag sich rechtsstaatlich verhalten und ist doch ein Unrechtsstaat für Geflohene geworden.

Lesen Sie ab heute die Geschichte(n) „Bei Nacht und Nebel“ und „Sitzblockade nach Mitternacht“ über nur eine von unzähligen Abschiebungen europaweit anerkannter Flüchtlinge anhand des Beispiels der Familie A., wachsender Gegenwehr der Zivilgesellschaft und der Frage nach dem Sinn von teuren Polizeieinsätzen und eines zutiefst inhumanen Umgangs mit Menschen in Deutschland, Sachsen, Leipzig.

Bei Nacht und Nebel (2): Von Abschiebungen, Drittstaatenregelung und Illegalität + Videos & Bildergalerie

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