Ritual, Spaß oder echte Demo? Die Global Space Odyssey (GSO) Leipzig hat schon diverse Einschätzungen hinter sich, gern von außen formuliert, oft falsch. Seit den Zeiten als „Hanfparade“ stehen immer wieder neue Ziele auf der Agenda der jährlich zwischen 2.000 bis 4.000 Teilnehmer. So auch am 20. Juli 2019 auf der Route von Connewitz zum Wagnerhain im Westen der Stadt.
Stets von einer strikt weltoffenen Linie geprägt, ging es auf der GSO in den Jahren immer um Liberalität, gegenseitige Freiheit und Ermöglichungen: Von mehr Freiflächen für Partys, Zugang für alle Menschen zu den Clubs der Stadt und somit gegen Rassismus an der Tür, bis hin zur erfolgreichen Abschaffung der Sperrstunde in Leipzig. Spätestens seit diesem Punkt und einer besseren Vernetzung in der „IG LiveKommbinat“ setzt die GSO Ziele auch strikter auf der politischen Bühne um. 2019 ging es um die Clubs selbst und ihr Sterben in Leipzig.
Immer wenn ein Viertel schöner im Sinne von teurer, sauberer oder gar ganz neu werden soll, stehen die „Krachmacher“ auf der Abschussliste von Investoren. Wo gewohnt wird, soll nach Willen vieler Immobilienunternehmen am liebsten Ruhe werden und in Leipzig wird ja bekanntlich in den Jahren seit 2013 immer mehr gewohnt. Möglichst zentrumsnah und schick soll es sein, da mussten schon viele Räume zum Tanzen und Feiern weichen. Teils in die Peripherie oder in der weit höheren Zahl ins Aus, wo kein solcher Standort mehr möglich war, wie der angestammte.
Rede Jürgen Kasek und Kordula Kuhnert für „LiveKommbinat“
Video: L-IZ.de
Kein gutes Zeichen an junge Menschen, wie nicht nur Redner Jürgen Kasek (designierter Stadtrat, Grüne) fand und deshalb ging’s nach einer kurzen Meldung zur erfolgreichen Demo-Blockade der „Identitäten Bewegung“ in Halle am heutigen Tage (Artikel folgt) um einen echten Bestandsschutz für die Clubkultur der Stadt
Wie viele es von den Clubs im Laufe der vergangenen Jahre bereits getroffen hat, hat die GSO 2019 auf ihrer Webseite aufgelistet. Und natürlich am 20. Juli auch bei der Demonstration an einem Paradewagen gezeigt (siehe Galerie). Das letzte Opfer, das „SoundSo“, welches den – mit der Stadt abgestimmten – Bauplänen am Eutritzscher Freiladebahnhof weichen musste. Genau hier sieht auch die „IG LiveKommbinat“, bestehend aus nahezu allen noch existierenden Leipziger Clubs, den Hebel für deren Erhalt und eine Mitsprache bei Bauvorhaben der Zukunft.
Der Vertreter von Tom Rodig mit Rodigs Rede
Video: L-IZ.de
Vom Cluberhalt und Lexit
Ein Clubkataster ist bereits auf Stadtebene beschlossen, um so mindestens die verbliebenen Standorte für abendliches Weggehen und Feiern zu erhalten. „Kultur – ebenso wie Oper und Gewandhaus“, wie sich Jürgen und Kordula heute einig zeigten, die dringend in Leipzig weit über touristische Attraktivität hinaus für den Alltag gerade der jungen Bewohner benötigt wird.
Dass ein „Vertreter des Ministerpräsidenten in spe. Tom Rodig“ in seiner Ansprache gar gleich den berüchtigten „Lexit“, also den Ausstieg Leipzigs aus Sachsen forderte, mag irreal und manchem überzogen erscheinen – doch als typische PARTEI-Kampange erhielt der Aufruf auch heute auf dem Augustusplatz wieder laute Zustimmung. Geprüft habe man das auch rechtlich mittlerweile, es geht, so der Redner. Natürlich ist es auch eine Verdeutlichung, wie junge Menschen eben so vieles empfinden, was sie an sächsischer Polizei oder mehr und mehr als dumpfes Provinzsachsen inklusive aufsteigender AfD-Erfolge erleben.
Am schwersten hatte es da wohl der Vertreter von „Ende Gelände“ in seinem Beitrag. Alle seine Themen drehten sich um eben das, was hier viele als von der Landesregierung kommend ablehnen. Doch es ist eben auch komplex: Flughafen-Südabkurvung, Kohlepolitik, Autobahnbauten mitten durch die Landschaft, wo es eher mehr Nahverkehr per Bahn bräuchte. Sozusagen das drumherum um Leipzig, welches nicht nur durch die GSO, sondern eben auch viele andere Veranstaltungen, Initiativen manchmal tatsächlich wie nicht zu Sachsen gehörend wirkt.
Angesichts der Aufzählung vom „Ministerpräsidenten-Vertreter“ tatsächlich schwer übereinander zu bringen: Seit „Hoyerswerda, Mügeln, Freital, Heidenau, Schneeberg, Chemnitz und Dresden, Dresden und Dresden“ zeige Sachsen „die fiese Fratze der Reaktion. Der Rassismus gerät immer mehr zum integralen Bestandteil der sächsischen Leitkultur“, so der Redner.
Ende Gelände zum großen Ganzen in Sachsen
Video: L-IZ.de
Party? Ja, na und?
Wie man Interessensbekundungen der Leipziger Jugend wegredet, hat man letztlich in jedem Jahr aus der Riege der Alten im Anschluss an die GSO erlebt. Ansatzpunkt immer: die wollen doch nur Party machen. Angesichts der klaren Statements auch in diesem Jahr wieder, dürfte diese Einschätzung zwar fehlgehen, doch man darf auch ein: „Ja, na und?“ dazusetzen.
Wenn man selbst nicht mehr tanzen mag, sollte man vielleicht mit dem Neid auf die Freude der heutigen Demonstranten von Connewitz bis Wagnerhain und in den noch anschließenden Aftershowpartys in den (noch vorhandenen) Clubs der Stadt etwas sparsam umgehen. Es dürfte noch lang und laut werden, so, wie es sein muss, wenn man jung ist.
Impressionen des Tages im Video
Video: L-IZ.de
Bildergalerie/Foto-Impressionen vom 20. Juli 2019, L-IZ.de
GSO 2018: Den Staub abschütteln + Video & Fotogalerie
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