Eigentlich hat Martin Dulig, Landesvorsitzende der SPD Sachsen und Ostbeauftragter der SPD, nur einen Brief an Angela Merkel geschrieben. Ein Brief, in dem es um das wichtige Thema Grundrente geht. Darin fordert er die Bundesregierung auf, die Grundrente noch vor dem 1. September zu beschließen. Sonst stehe der Fortbestand der Großen Koalition im Bund auf dem Spiel. Und siehe da: Eigentlich attestiert er Merkels Regierung eine gepflegte Aussitzeritis.
„Wir brauchen endlich einen Durchbruch beim Thema Grundrente“, erklärte Martin Dulig am Montag, 29. Juli. „Seit Februar wird bereits über deren Einführung im Bund debattiert. Aber es bewegt sich nichts. Dies ist vor allem den Menschen in Ostdeutschland nicht länger zu vermitteln. Die Bundeskanzlerin und die CDU müssen endlich ihre Blockadehaltung aufgeben.“ Diese Forderung hat Martin Dulig sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel, der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und den drei SPD-Vorsitzenden Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel am Wochenende per Brief übermittelt.
Deutschlandweit wären 2,8 Millionen Rentnerinnen und Rentner von der Grundrente betroffen – davon leben 26 Prozent, also überproportional viele, in Ostdeutschland: 754.000 hätten einen Anspruch. Allein in Sachsen würden rund 240.000 Rentner sofort von der Grundrente profitieren und mehr Rente erhalten. 80 Prozent der Begünstigten wären Frauen.
Der Vorschlag der SPD: Wer 35 Jahre lang gearbeitet und Beiträge geleistet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, hat eine eigene Rente verdient, die oberhalb der Grundsicherung liegt. Das ist eine Frage des Respekts. Nachweise müssen dafür nicht eigens erbracht werden. Die Deutsche Rentenversicherung zahlt jenem, die für eine Grundrente infrage kommen, den Betrag automatisch aus.
Die Höhe der Grundrente ist abhängig von den Rentenpunkten, die man im Erwerbsleben gesammelt hat. Es gibt bis zu 448 Euro mehr im Monat. Eine Friseurin zum Beispiel, die 40 Jahre lang für den Mindestlohn gearbeitet hatte, bekommt dann monatlich statt 513 Euro künftig 961 Euro Rente. Oder der alleinerziehende Pflegehelfer, der in Teilzeit gearbeitet hatte und zwei Kinder hat, kommt auf 1.000 Euro – statt wie bisher auf 860 Euro.
„Man kann nicht immer nur davon reden, dass die Menschen im Alter vernünftig leben sollen, man muss auch etwas dafür tun!“, sagt Dulig. „Ich erwarte, dass das Thema Grundrente bis zum 1. September endlich auf den Weg gebracht wird.“
Dulig, der auch Wirtschafts- und Arbeitsminister im Freistaat ist, forderte die SPD-Abgeordneten im Bundestag auf, den Druck auf die Regierung nun spürbar zu erhöhen. An Angela Merkel gerichtet schrieb er: „Sollte die Hinhaltetaktik der CDU fortbestehen, dann sehe ich den Fortbestand der Großen Koalition in Gefahr. Die Zeit läuft ab, Frau Bundeskanzlerin!“
Die Formel Hinhaltetaktik betrifft ja auch andere Arbeitsfelder, auf denen Unionsminister/-innen mittlerweile unübersehbar bremsen und wichtige Entscheidungen verhindern, sei es die CO2-Steuer, die Kurze Südabkurvung am Flughafen Leipzig/Halle, der Kohleausstieg, die Energiewende, die Lebensmittelampel, das Glyphosat-Verbot, die Düngemitelverordnung usw.
Wenn man genauer hinschaut, dann wird man gar nicht mehr fertig und sieht ein Kabinett vor sich, das auf seltsame Weise dem Regierungskabinett in Sachsen ähnelt. Die SPD scheint oft nur noch deswegen mit am Tisch zu sitzen, um die Veränderungsunwilligkeit der Union zu kaschieren. Was im ganzen Land genau die lähmende Stimmung erzeugt, unter der auch die SPD leidet. Sie wird von den Wählern mitverantwortlich gemacht für den empfundenen Stillstand im Land.
Die Grundrente sei eine vorurteilsfreie Anerkennung der Lebensleistung jener, die ein Leben lang hart gearbeitet haben, ohne dabei viel zu verdienen, betont Dulig. „Das ist eine Frage des Respekts! Friseurinnen, Paketboten oder Putzfrauen leisten viel für unsere Gesellschaft. Dennoch droht vielen am Ende ihres Berufslebens die Altersarmut.“
Der Gesetzesentwurf der SPD zur Grundrente sei solide durchfinanziert und sorge für Gerechtigkeit im Alter.
„Wer mindestens 35 Jahre gearbeitet hat, Angehörige gepflegt oder Kinder erzogen hat, muss eine höhere Rente erhalten als jene, die nicht gearbeitet haben. Diese Voraussetzungen müssen erfüllt sein“, sagt Dulig. Wer immer nur Mindestlohn verdient habe, bekomme die höchste Aufwertung von 447 Euro. Davon profitierten vor allem Ostdeutsche.
Aber die Union bevorzugt ja auch in diesem Fall wieder den schlimmsten aller bürokratischen Wege: die persönliche Bedürftigkeitsprüfung. Es ist das in Politik gegossene Misstrauen ausgerechnet in all die Menschen, die von ihrer Hände Arbeit leben müssen und am Ende doch mit niedrigen Löhnen abgespeist werden. Als wären sie alle heimliche reiche Erben, die nur so tun, als bräuchten sie eine auskömmliche Rente. Ein Misstrauen, das gerade normale Arbeiter und Angestellte im Osten schon seit 30 Jahren immer dann erleben, wenn ihre Berufskarriere Lücken und Brüche aufwies.
Aber irgendwie will die Union, dass das nie aufhört. Dass die Betroffenen nie das Gefühl haben, jetzt könnten sie tatsächlich einmal ausruhen.
Eine weiterführende Bedürftigkeitsprüfung lehnt die SPD deshalb definitiv ab. „Menschen nach eigener jahrelanger Arbeit einer tiefgreifenden Überprüfung zu unterziehen, ob sie von ihrer eigenen Rente leben könnten, ist entwürdigend“, sagt Martin Dulig ein wahres Wort. „Außerdem schafft eine Bedürftigkeitsprüfung ein neues Bürokratiemonster und wäre keinem zu erklären.“
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