Mit großem Aplomb verkündeten Innenminister Prof. Dr. Roland Wöller und Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar am Montag, 8. Juli, die Einrichtung einer neuen Soko Rex am Landeskriminalamt. Und eine Intensivierung der Internetfahndung sowie des Schutzes von Amts- und Mandatsträgern und die Nutzung eines computerbasierten Radikalisierungsfrüherkennungssystems. Aber ein echtes Comeback der Soko Rex werde das nicht, kritisieren Grüne und Linke. Eher eine Art Etikettenschwindel.
Grund genug für deutlich mehr Ermittlungen im rechtsradikalen Milieu gibt es in Sachsen, wie das Innenministerium am Montag mitteilte: Die Zahl der rechtsmotivierten Straftaten pro 100.000 Einwohner lag 2018 im Bundesdurchschnitt bei rund 25, im Freistaat Sachsen bei 56.
Dieser Entwicklung soll die (neue) Soko Rex unter dem Dach des Polizeilichen Terrorismus- und Extremismus Abwehrzentrums am Landeskriminalamt (PTAZ) Einhalt gebieten. In ihr werden künftig 45 Ermittler mit dem Fokus auf rechtsmotivierte Straf- und Gewalttaten arbeiten. Chef der neuen Einheit und der Abteilung Staatsschutz/PTAZ im Landeskriminalamt wird der Leitende Kriminaldirektor Dirk Münster.
Münster kann auf fünf Jahre Erfahrungen aus dem einstigen Operativen Abwehrzentrum der Polizei Sachsen (OAZ) zurückgreifen. Unterstützt werden die Beamten der Soko Rex durch 33 Beamte in den Mobilen Einsatz- und Fahndungsgruppen (MEFG). Neben der Zentrale am Landeskriminalamt wird die Soko Rex auch regionale Außenstellen in den fünf Polizeidirektionen in Chemnitz, Dresden, Görlitz, Leipzig und Zwickau haben.
„Wenn das Innenministerium etwas kann, dann neue Titel für alte Sachen finden. Hinter der Wiederbelebung der Soko Rex steht die bloße Umbenennung der Arbeit eines Teils des Polizeilichen Terrorismus- und Extremismusabwehrzentrums“, kritisiert Enrico Stange, Sprecher der Linksfraktion für Innenpolitik.
„Damit will man offenbar an die gute Geschichte der ersten Soko Rex anknüpfen – aber das ist ein Etikettenschwindel, denn anders als ihre historische Vorgängerin wird die neue Sonderkommission nicht mit zusätzlichem Personal ausgestattet. Die Zahl der 240 Beschäftigten des PTAZ insgesamt und auch der 90 Ermittler wird nicht erhöht – den 30 bislang gegen PMK-rechts tätigen Ermittlern werden nur weitere 15 zugeordnet, die bislang in anderen Phänomenbereichen ermittelt haben. Das ist halbherzig und rechtfertigt keine öffentliche Selbstbeweihräucherung.“
„Die angebliche Wiederbelebung der Soko Rex ist scheinbar nichts anderes als ein medialer Coup des Innenministers. Aufgaben, die der Soko Rex obliegen sollen, waren bisher schon beim Polizeilichen Terrorismus- und Extremismusabwehrzentrum (PTAZ) angesiedelt. Die Soko Rex wiederum soll dem PTAZ unterstehen. Von zusätzlichem Personal ist seitens des Ministers bisher nichts zu hören“, stellt auch Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, fest.
„Es wurde hier lediglich einer bestehenden Ermittlungsstruktur ein neuer Name gegeben und ein neuer Leiter an die Spitze gestellt. Der Teil des Personals, der bisher im PTAZ zu politisch motivierter Kriminalität ermittelt hat, heißt nun wieder Soko Rex.“
Für die Öffentlichkeit unsichtbar arbeitete die Soko Rex auch in der Zeit, als das Terrortrio „NSU“ in Sachsen untergetaucht war, wurde aber gerade in dieser Zeit immer weiter zurechtgestutzt – von 35 Mitarbeitern 2003 auf zeitweilig nur noch 15 Mitarbeiter. Diese bis 2013 existierende Soko Rex wurde anschließend ins Operative Abwehrzentrum (OAZ) integriert und dieses wiederum 2017 ins Polizeiliche Terrorismus- und Extremismusabwehrzentrum (PTAZ).
„Der Name soll offensichtlich vor allem für gute Publicity sorgen, indem er an den guten Ruf der Soko Rex der 1990er Jahre anknüpft. Das reicht aber nicht“, sagt Lippmann. „Wer in Sachsen wirksam rechtsextreme Netzwerke bekämpfen will, der muss mehr tun, als bloß das Türschild der Ermittler zu wechseln. Dafür braucht es mehr gut ausgebildetes Personal, eine konsequente Verfolgung rechter Straften und ein klares Gesamtkonzept zur Bekämpfung rechtsextremer Strukturen im Freistaat. Der Kampf gegen den Rechtsextremismus braucht mehr als Lippenbekenntnisse und symbolische Handlungen.“
Was ist dieser Radikalisierungsradar?
Und parallel will der Innenminister ja den Ermittlern mehr Aufgaben geben, den sogenannten „3r-Radikalisierungsradar“.
Aber auch der werde bereits genutzt, stellt Enrico Stange fest: „Es erhebt aus polizeilichen Datenbanken bereits erhobene Daten nochmals und ordnet diese neuen Erkenntnissen entsprechend. Auch hier ergibt sich aus den Ankündigungen nichts Neues. Leider wird es auch trotz der massiven Ausbreitung von Hetze und Hass im Netz weiter keine verdachtsunabhängigen Internetstreifen geben. Die drei für das Internet vorgesehenen Ermittler sollen auch weiterhin nur anlassbezogen und verdachtsabhängig arbeiten. Dabei gibt es Vorbilder zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, wo Medien und Ermittlungsbehörden zu Hass- und Hetzpostings zusammenarbeiten und deutlich mehr Druck aufbauen.“
So gehört also die am Montag von so vielen Medien gefeierte „Wiederauferstehung“ der Soko Rex auch wieder in die vielen schön inszenierten „Jetzt-tun-wir-was“-Meldungen, die den sächsischen Vorwahlkampf beleben. Kein Wunder, dass die üblichen Medien zappeln wie die Kinder, denn solche Meldungen waren seit Beginn der Legislatur eher rar.
„Wenigstens scheint es beim Innenminister und beim Landespolizeipräsidenten eine wichtige Erkenntnis zu geben“, meint Enrico Stange. „Man muss gegen den Phänomenbereich politisch motivierten Kriminalität rechts deutlich mehr tun, insbesondere angesichts des NSU-Abschlussberichts und des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Nur kommen sie leider über Ankündigungen nicht hinaus.“
Das PTAZ hat seit Arbeitsaufnahme im Oktober 2017 schon einen gewaltigen Bearbeitungsstau aufgebaut
Das PTAZ hat seit Arbeitsaufnahme im Oktober 2017 schon einen gewaltigen Bearbeitungsstau aufgebaut
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