Eine Entscheidung, die man wohl erst einmal sacken lassen und die möglichen Folgen bedenken muss. Wenn die AfD mit ihrem angekündigten, gerichtlichen Vorgehen gegen die Entscheidung des Landeswahlausschusses am heutigen 5. Juli unterliegt, hat sie nur noch 18 Kandidaten auf ihrer Landesliste (Partei- oder Zweitstimmen). Eine Einladung für alle rund 75 Prozent Nicht-AfD-Wähler, bei der Sachsenwahl nach dem Vorbild der OB-Wahl in Görlitz im Vorfeld des 1. September die Umfragen im Auge zu behalten. Und mit einer taktischen Verteilung ihrer Erststimmen dafür zu sorgen, dass am Ende statt derzeit prognostizierten über 30 nur 18 AfD-Mandate von den gesamt rund 120 verfügbaren herauskommen.
Dass der sächsische AfD-Landesvorsitzende Jörg Urban im Nachgang an die Entscheidung, dass der zweite Landesparteitag zur Landtagswahl keine Folgesitzung, sondern eine zweite Veranstaltung zur Kandidatenkür mit zudem veränderten Wahlprozedere war, auf Facebook schäumte, hat gute Gründe. Beim Blick auf die möglichen Konsequenzen für seine Partei wird klar, warum er umgehend Durchhalteparolen ausstieß.
Denn bleibt es bei der bislang einzigartigen Entscheidung, nur noch 18 AfD-Listenkandidaten statt vormals 61 zu haben, können Wähler aller anderen Parteien am 1. September 2019 durch einen einfachen Trick dafür sorgen, dass es die einzigen 18 AfDler im neuen Landtag werden.
Sie können nämlich, vor allem in den Wahlkreisen, wo die AfD das Direktmandat holen könnte, auch zur Not entgegen ihrer sonstigen Entscheidung bei der Zweitstimme (für die Partei ihrer Wahl) den aussichtsreichsten Gegenkandidaten bei der Erststimme wählen. In ländlichen Gebieten könnte diese Taktik eher der CDU helfen, welche hier tendenziell mit der AfD Kopf an Kopf liegt, in den urbanen Ballungszentren den grünen oder linken Direktkandidaten. So hätten beispielsweise im Erzgebirge oder in der Lausitz alle Wähler, die mit der Zweitstimme Grüne, Linke, SPD, FDP oder andere wählen, die Möglichkeit, die Erststimme dem CDU-Kandidaten zu geben.
Und so der AfD das sicher geglaubte Direktmandat ersatzlos nehmen. Ein Vorgang, der dem AfD-Kandidaten Sebastian Wippel bereits am 16. Juni 2019 in Görlitz die OB-Wahl verhagelte. Am Ende gewann die Stichwahl Octavian Ursu (CDU) mit Hilfe der Stimmen von Wählern anderer Parteien, die so einen AfD-Bürgermeister verhinderten.
Das gleiche würde natürlich auch für die Großstädte wie Leipzig und Dresden mit anderen Vorzeichen gelten, wo so eher linke Direktkandidaten und vor allem grüne Direktkandidaten nun auf taktische Stimmen aus anderen Lagern hoffen können. Denn jedes weitere Erststimmenergebnis hinter dem Platz 1 verfällt praktisch, die Stimmen sind also verloren. Die Zweitstimmen hingehen helfen der AfD über die 18 Kandidaten auf der Landesliste hinaus nicht mehr. Denn für mehr als die entsprechend rund 15 Prozent bei den Zweitstimmen hat die AfD dann keine Listenkandidaten, um ihr Wahlergebnis auszuschöpfen.
Erste Schwerpunkte benannt
Die Internetseite „der Volksverpetzer“ hat zudem sieben Wahlkreise ausgemacht, wo nach derzeitigen Umfragen die CDU knapp hinter der AfD liegt und die AfD-Direktkandidaten zudem nicht mehr auf der auf 18 verkürzten Liste stehen. „Das sind Chemnitz 1, Erzgebirge 3, Leipzig Land 1, Leipzig 3 und Leipzig 7, Meißen 3 und Görlitz 4. Wer in diesen Wahlkreisen mit seiner Erststimme die CDU wählt, kann einen AfD-Direktkandidaten verhindern, der dann im Landtag dauerhaft fehlt!“.
Doch nicht nur die knappen Wahlkreise sind davon betroffen. Alle anderen Parteien und ihre Wähler haben die Möglichkeit, sich schwerpunktmäßig in allen 60 Wahlkreisen auf den jeweils aussichtsreichsten Gegenkandidaten zur AfD, also einen Nicht-AfD-Direktkandidaten mit der besten Erststimmenprognose zu konzentrieren und ihrer Partei mit der Zweitstimme zu einem bestmöglichen Ergebnis zu verhelfen.
Die Klage, welche Jörg Urban (AfD) bereits heute gegen die Entscheidung ankündigte, ist demnach für seine Partei bei einem solchen taktischen Wählen entscheidend über mindestens 12 bis womöglich 15 Mandate, welche die AfD so nicht erhalten dürfte – ganz gleich, wie hoch ihr Zweitstimmenergebnis ausfällt. Die nicht vergebenen Sitze blieben dann für fünf Jahre unbesetzt, der Landtag würde kleiner.
Alle Gegner der AfD haben also bei Bestand der heutigen Entscheidung des Wahlausschusses einen echten Hammer in die Hand bekommen, die Blauen in Sachsen auf 18 Mandate festzunageln.
Über die derzeitige Entwicklung in den Umfragen zu den Direktkandidaten kann man sich hier informieren.
Die Wahlkreise in Sachsen auf der Seite des Landtages Sachsen
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