Auf einen nicht ganz unwesentlichen Aspekt des sรคchsischen Kohleausstiegs machte Dr. Jana Pinka, umwelt- und ressourcenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sรคchsischen Landtag, am 19. Juni aufmerksam. Noch bevor die Debatte um den Leipziger Kohleausstieg 2023 entbrannte. Denn der Freistaat hat sich selbst in eine Klemme und eine extrem schwache Verhandlungsposition manรถvriert.

Das war Thema der letzten Sitzung des Ausschusses fรผr Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Sรคchsischen Landtages am 18. Juni, als der รผber den Antrag โ€žOffenlegung und Prรผfung der Sicherung der Wiedernutzbarmachungs- und Nachsorgeverpflichtungen in den sรคchsischen Braunkohlentagebauenโ€œ (Parlaments-Drucksache 6/16929) diskutierte.

โ€žAlle reden vom Strukturwandel. Aber kaum einer versteht, dass die vielen gewรผnschten, versprochenen und geplanten Investitionen fรผr die Katz sind, wenn nicht vorher oder zumindest parallel die ausgekohlten Tagebaue und zerstรถrten Landschaften wieder nutzbar gemacht und saniert werden. Die Sanierung ist รผbrigens nach Bundesberggesetz Pflicht von LEAG und Co. Dafรผr braucht es meinen Schรคtzungen nach mehrere Milliarden Euro. Aber: Es ist nicht sicher, ob diese Sanierungsleistung von den Kohleunternehmen รผberhaupt durchgefรผhrt wird!โ€œ, mahnte die Linke-Abgeordnete nach der Ausschusssitzung.

โ€žDie Staatsregierung behauptet zwar, sie habe in einem Sondervermรถgen nun Sicherheitsleistungen einzahlen lassen, fรผr den Fall, dass die betreffenden Unternehmen insolvent gehen. Dieses Sondervermรถgen gehรถrt jedoch der Zweckgesellschaft als Tochter der LEAG. Wie viel Geld die Bergbautreibenden in diesem Sondervermรถgen bisher eingespeist haben und ob das Konstrukt Sondervermรถgen รผberhaupt trรคgt, wissen wir nicht, denn: Der ร–ffentlichkeit und dem Parlament (siehe meine Anfragen nach dem Umweltinformationsgesetz zum Thema) werden diese so wichtigen Informationen vorenthalten.โ€œ

Alles, was wichtig ist, ist Geschรคftsgeheimnis

Pinka hat zwar auf Einsichtnahme in die Vorsorgenveinbarungen zwischen den Tagebaubetreibern und dem Oberbergamt geklagt. Das Oberbergamt prรผfe noch, teilte Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) am 28. Mรคrz in seiner Stellungnahme zum Linke-Antrag fest. Aber: โ€žDer vollstรคndigen Verรถffentlichung der Vorsorgevereinbarungen und -konzepte stehen ยง8.5 der Vorsorgevereinbarung Nochten bzw. ยง8.4 der Vorsorgevereinbarung Schleenhain entgegen. Demnach enthalten die Vereinbarungen nach Auffassung der Bergbauunternehmen Betriebs- und Geschรคftsgeheimnisse und dรผrfen daher nicht ohne Zustimmung der Bergbauunternehmen verรถffentlicht werden, es sei denn, der Freistaat Sachsen bzw. das Sรคchsische Oberbergamt sind hierzu rechtlich verpflichtet.โ€œ

Pinka zeigt sich รผber so eine Haltung regelrecht entsetzt: โ€žDie Abgeordneten von CDU und SPD halten lieber Augen und Ohren verschlossen und missachten alle unsere Antrรคge zu Sicherheitsleistungen, leider auch dieses Mal. Das ist fatal, denn das Thema nimmt Fahrt auf: Die Kohleausstiegsgesetze werden noch dieses Jahr vorgelegt, und darin wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur ein Ausstieg bis 2038 festgehalten sein, sondern auch der Verzicht auf Tagebauerweiterungen. Und damit wird dann der aktuell genehmigte Hauptbetriebsplan Nochten I planmรครŸig 2024 auslaufen. Der Rechnungshof sollte schnellstens prรผfen, ob die aktuellen Vereinbarungen und Aktivitรคten der Staatsregierung ausreichen, um den schlimmsten Fall zu verhindern: Der Freistaat bleibt auf den Kosten sitzen, wรคhrend die LEAG sich aus dem Staub macht.โ€œ

Weiterbaggern bis nach 2038?

In seiner Stellungnahme zeigte sich Dulig erstaunlich gutglรคubig und stellte auch noch beilรคufig fest, dass sowohl LEAG wie MIBRAG augenscheinlich davon ausgehen, dass der Kohleausstieg bis 2038 fรผr sie nicht gilt.

โ€žDas Sรคchsische Oberbergamt hat die Vorsorgekonzepte unter Einbeziehung von externen Sachverstรคndigen geprรผft. Die Annahmen zu den positiven Ergebnissen aus dem wirtschaftlichen Betrieb der Tagebaue auf der Grundlage des jeweiligen Revierkonzeptes sind plausibel. Die langfristige Unternehmensplanung (Leistungsentwicklung der Tagebaue, Investitionen und betrieblicher Cashflow) ermรถglicht einen vom Kerngeschรคft separierten Vermรถgensaufbau. Insgesamt haben die Bergbauunternehmen belastbare unternehmerische Vorsorgekonzepte entwickelt, die eine planmรครŸige Fรผhrung des Gewinnungsbetriebs bis zur Erschรถpfung der zugelassenen Vorrรคte voraussetzt. Unabhรคngig davon sind gemรครŸ Nebenbestimmung 32.2. der HBP-Zulassung fรผr den Tagebau Nochten fรผr den Zeitraum zwischen dem bisher geplanten Abbauende fรผr das Abbaufeld 1 (2031 gemรครŸ Revierkonzept) und dem Abbauende bei Genehmigung des Teilfeldes Mรผhlrose (2042) sowie danach nur noch Ertrรคge aus dem Sondervermรถgen zu kalkulieren und keine Zufรผhrungen. Eine รคhnliche Regelung beinhaltet die Zulassung des HBP Vereinigtes Schleenhain (Nebenbestimmung 15.2).โ€œ

Der Abbau des Teilfeldes Mรผhlrose ist รผbrigens noch gar nicht genehmigt. Darum dreht sich ja der Streit um den Erhalt des Dorfes Mรผhlrose, wo die LEAG genauso schon Tatsachen zu schaffen versucht wie die MIBRAG fรผr das ebenfalls noch nicht genehmigte Teilfeld unter Pรถdelwitz.

โ€žPlanmรครŸigโ€œ soll รผbrigens der Tagebau Vereinigtes Schleenhain 2040 auslaufen.

Im Begleittext aber gibt Dulig zu, dass die Staatsregierung gar nicht von einem planmรครŸigen Ende des Kohlebergbaus ausgehen kann: โ€žEin Gutachten zu den absehbaren Risiken der Braunkohleverstromung unter Berรผcksichtigung der gegenwรคrtig absehbaren und mรถglichen zukรผnftigen Entwicklungen kann darรผber hinausgehend nicht erstellt werden, weil sowohl der Rahmen als auch die Ausgestaltung einer rechtssicheren Umsetzung der Empfehlungen der Kommission ,Wachstum, Strukturwandel und Beschรคftigungโ€˜ nicht vorliegt.โ€œ

Aber irgendwie ist er der รœberzeugung, die Bergbaubetreiber kรถnnten aus dem laufenden Betrieb noch die nรถtigen Milliarden erwirtschaften, mit denen die Mondlandschaft danach wieder halbwegs in Ordnung gebracht werden kann: โ€žDie Vorsorgevereinbarungen beruhen auf den unternehmerischen Vorsorgekonzepten der Bergbauunternehmen, die von einem planmรครŸigen Ende der Braunkohlegewinnung ausgehen. Durch die Vorsorgevereinbarung wird dieses unternehmerische Konzept abgesichert. Grundlage der Vorsorgekonzepte sind dabei die jeweiligen aktuellen Revierkonzepte (siehe Prรคambel der Vorsorgevereinbarungen).โ€œ

Was ja bedeutet, dass die Staatsregierung den Kohlekonzernen mit den Vorsorgevereinbarungen deren โ€žunternehmerisches Konzeptโ€œ abgesichert hat, und zwar โ€žbis zur Erschรถpfung der zugelassenen Vorrรคteโ€œ. Fรผr das Klima wรคre das eine Katastrophe.

Und was das fรผr die sรคchsischen Steuerzahler bedeutet, werden alle erfahren, wenn die Kraftwerke und Tagebaue auรŸerplanmรครŸig vom Netz gehen mรผssen, egal, ob das in Berlin so entschieden wird, um die deutschen Klimaziele zu erreichen, oder ob das als Domino-Effekt passiert, wenn die Kommunen ihre Fernwรคrme-Liefervertrรคge mit den Kohlekonzernen kรผndigen.

Wer bekommt dann die Rechnung?

Vor 2021 bekommt Sachsen nicht mal eine Spur von Sicherheitsleistungen in der Lausitzer Braunkohle

Vor 2021 bekommt Sachsen nicht mal eine Spur von Sicherheitsleistungen in der Lausitzer Braunkohle

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Es gibt 2 Kommentare

Ein spezialdemokratischer Leipziger Oberbรผrgermeister und ein ebensolcher sรคchsischer Wirtschaftsminister bekommen aus einem BKW schon eine systemrelevante Dreckschleuder und Leipzig damit noch ein paar Quiekser mehr aus dem Kohlestrukturfรถrdertopf. Da wird kein Vertrag gekรผndigt.
Und wegen der lรคngeren Laufzeit bleiben dann auch noch die fรผr die Tagebausanierung erforderlichen Mittel โ€œhรคngenโ€.
Eine Win-Win-Situation.

Na gut, nicht fรผr alle und alles. Klima, Umwelt, Natur, Kinderโ€ฆ. Aber die wรคhlen sowieso weder Jung noch die Spezialdemokraten. So what.

Hier werden Gewinne privatisiert und Kosten vergesellschaftet. Und wer ist ganz vorne mit dabei? Die SPD. Dankeschรถn.

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