Jugend ist ungeduldig, es ist ihr Privileg von der handelnden Politik Lรถsungen und mehr Tempo zu fordern - zumal, wenn sie richtig liegt. Auf der โ€žKlimakonferenzโ€œ in Leipzig machten die 500 Teilnehmer am 22. Juni 2019 abermals deutlich, dass Reden nicht mehr genรผgt und forderten nach Workshops und Gesprรคchen mit Experten verschiedenster Interessengruppen in der Abschlussdiskussion mit Michael Kretschmer (CDU) konkrete Taten. Insbesondere beim Braunkohleausstieg in Sachsen wurden die Widersprรผche รผberdeutlich. Am Ende gaben die Jugendlichen dem Ministerprรคsident eine Agenda mit auf den Weg, die man auch ein grรผnes Wahlprogramm fรผr die CDU nennen kรถnnte.

Am 22. Juni 2019 im Unicampus Jahnallee: die Debatte auf der Klimakonferenz mit Michael Kretschmer

Video 1:22 Stunden, L-IZ.de

Es wรผrde nicht leicht werden, soviel war schon am Beginn klar. Nicht fรผr den ab 13:15 Uhr zur Entgegennahme der Ideen erschienenen Ministerprรคsidenten Sachsens und nicht fรผr die Teilnehmer. In fรผnf verschiedenen Themengebieten erarbeiteten die Jugendlichen ab 10 Uhr am Morgen in nahezu allen Themenfelder wie Plastik, Energiezukunft, alternative Antriebe, ร–PNV-Verbesserungen bis hin zum Einsatz einer CO2-Abgabe weit รผber 50 konkrete Ideen und Mรถglichkeiten, wie die aktuelle Politik eine deutlich umwelt- und klimaschonendere Zukunft einleiten kรถnnte (siehe Video).

Besonders deutlich wurden dabei der Braunkohleausstieg, weniger Massenproduktion bei den Textilien, geringerer Verbrauch von Ressourcen bei der Fleischerzeugung, mehr Umweltbildung an den Schulen und ein Ende der Plastikmรผllproduktion gefordert.

Umso peinlicher dann natรผrlich, dass mehrere Teilnehmer die fehlende Mรผlltrennung auf der von Staatskanzlei und Landesschรผlerrat vorbereiteten Konferenz feststellten und ein Redner unter groรŸem Applaus gar alle Anwesenden bat, mal die kostenfrei ausgegebenen Schraubflaschen mit Freistaatsemblem umzudrehen. Dass in heutigen Zeiten das im Boden eingravierte โ€žMade in Chinaโ€œ eben auch heiรŸt, dass die grรผnen Werbe-Give-Aways samt Plastikverschluss halt rund um den Globus geschippert sind, war jedem der Anwesenden wohl klarer, als den Veranstaltern, welche diese bestellt hatten.

Fรผr die Meisten war insgesamt wenig Neues dabei, wie insbesondere die ebenfalls in unerwartet hoher Zahl erschienenen und aktiv mitarbeitenden โ€žFridays for Futureโ€œ-Vertreter anschlieรŸend feststellen mussten. Hier stand eher das Gefรผhl im Raum, dass man es zumindest mal am Ende einem amtierenden Ministerprรคsidenten direkt mitteilen konnte, wofรผr man nun seit Monaten auf die StraรŸe geht. Wenig รผberraschend hatten auch viele Workshopgruppen gerade die gut informierten Fridays-Vertreter zu den Sprechern gewรคhlt, die am Ende die Ergebnisse vortragen sollten.

Sie nutzten die Chance, um sich einerseits zu wundern, dass es keine echte Debatte mit Kretschmer geben sollte und zum Anderen versuchten sie ihn insbesondere beim Kohleausstieg bis 2030 statt 2040/2042 in Sachsen zu stellen.

Von ihm und Sachsens Bildungsminister Christian Piwarz (CDU) forderten sie zudem, dass die Bestrafungen von Schรผlern bei Streikteilnahmen aufhรถren sollten. Die Antwort, es gรคbe keine Sanktionen in Sachsen, fand ein groรŸes, negatives Hallo im Raum, was Kretschmer dann schnell darauf verweisen lieรŸ, dass dies jede Schule individuell klรคren mรผsste.

Die Umfrage der Parents for Future im Foyer - Wer muss nun wie viel fรผrs Klima tun. Foto: Steffen Peschel
Die Umfrage der Parents for Future im Foyer โ€“ Wer muss nun wie viel fรผrs Klima tun. Foto: Steffen Peschel

Die โ€žParents for Futureโ€œ machten derweil wรคhrend der gesamten Veranstaltung im Foyer die Probe aufs Exempel und fragten mal die Stimmung ab. Wer sollte denn nun mehr tun, man selbst oder die Politik. Das Ergebnis zeigte einen gleich hohen Anspruch zur Verรคnderung an sich selbst und die Politik. Was auch ein wenig das Bild geraderรผckte, dass es entweder keine eigene Motivation gรคbe, etwas zu tun oder es eben nicht allein reicht, nur mit persรถnlichem Verhalten die entstandenen Umweltschieflagen zu korrigieren.

Neben vielen Workshoprunden, die konstruktiv, wenn auch manchmal etwas zu โ€žverschultโ€œ stattfanden, gab es auch Aufeinandertreffen von Vertretern der LEAG und der MIBRAG mit den Schรผlern. Was zur seltsamen Situation fรผhrte, dass diese gegenรผber den Jugendlichen behaupten konnten, Braunkohle erhielte keine Subventionen und natรผrlich sei der Kohleausstieg zu schnell. Erneut wurden falsche Zahlen kolportiert, es handele sich um 20.000 bedrohte Arbeitsplรคtze โ€“ eine Aussage, welche zuletzt die Staatsregierung Sachsens via Wirtschaftsministerium auf Nachfrage aufgrund von Verrentungen und weiteren Nachfolgearbeiten bei der Renaturierung der Braunkohlegebiete selbst kassiert und auf 4.800 Stellen reduziert hatte.

Wo sich hier โ€“ angesichts der klaren รถkonomischen Interessen einerseits und dem Verรคnderungswillen andererseits โ€“ eine Brรผcke finden lieรŸe, ist wohl die deutlichste Herausforderung an jede Regierung, die sich nach dem 1. September 2019 in Sachsen bilden kรถnnte. Fรผr eine von Kretschmer angebotene Wiederholung steht hingegen der Vorwurf im Raum, dass einige โ€žExpertenโ€œ eben nicht unabhรคngig, sondern klar interessengesteuert und ohne unabhรคngigen Widerspruch zu ihren Zahlen mit den Schรผlern sprachen.

Ein Widerspruch, welcher sich im Anschluss auch bei Michael Kretschmer in einem seltsamen Tanz aus Emotionen fรผr die verรคngstigten Braunkohlekumpel und der Ablehnung der Idee, Gaskraftwerke mit dreimal weniger CO2-AusstoรŸ als andere Brรผckentechnologie gegen die Kohleverbrennung zu tauschen, ausdrรผckte. Was Leipzig also derzeit mit dem Gaskraftwerksbau an der Bornaischen StraรŸe vorhat, um ab 2023 die Braunkohleenergie aus der Fernwรคrmeversorgung zu verbannen, ist demnach fรผr Kretschmer keine Option.

Er wรผrde gern noch weiter mit der Braunkohle fahren und dann ganz neue Technologien einsetzen.

Ein Vorgehen, welches wenig Anklang fand, kรถnnte es doch bedeuten, dass die Braunkohle tatsรคchlich noch รผber 2040 hinaus in Sachsen die primรคre Energiequelle bliebe. Also rettete sich Kretschmer am Ende in eine Replik gegenรผber Markus Sรถder, der im Atomstromland Bayern die CO2-Neutralitรคt fordere, die Sachsen dann als Kohleverzicht leisten solle.

Was nur leider nichts daran รคndert, dass Sachsen beim Ausbau der erneuerbaren Energien mittlerweile auf dem letzten Platz der Flรคchenlรคnder Deutschlands liegt. Und wohl auch die aktuellen ร„uรŸerungen Kretschmers zwar ein leichtes Einschwenken, aber noch kein dynamisches Umdenken vermuten lieรŸen. Einen wirklichen Vorschlag, wie man in Sachsen schneller erneuerbare Energien aufbauen kรถnnte, hatte er jedenfalls nicht mitgebracht, vielmehr versuchte er sich eher mittelprรคchtig erfolgreich als verstรคndnisvoller Zuhรถrer.

Der Konsens in der Schlussdebatte war zumindest: es fanden sich wohl keine Klimawandelleugner im groรŸen Hรถrsaal der Sportfakultรคt der Uni Leipzig, wie Kretschmer feststellte. In diesen sรคhe er die wahren Gegner bei all den geรคuรŸerten Ideen und auch seiner Partei โ€“ womit er natรผrlich parallel auch versuchte, sich mit den rumorenden Jugendlichen zu verbรผnden.

Fridays for Future Sachsen mit ihrem Fazit zur โ€žKlimakonferenzโ€œ

Video: L-IZ.de

Doch damit war es das dann auch in der รœbereinstimmung. Vielen Teilnehmern ging es hรถrbar ebenfalls darum, eine allzu heftige politische Umarmung von eben jener Partei zurรผckzuweisen, welche in den letzten 30 Jahren die Geschicke Sachsens auch im Klimaschutz bestimmt hat. Und auf die Vorschlรคge und Lรถsungswege zu bestehen. Was Landesschรผlersprecher Noah Wehn zu einer gewissen freudschen Fehlleistung gegen Ende trieb, als er angesichts der Landtagswahlen in 10 Wochen betonte, es sei eben doch โ€žkeine 100-prozentige Wahlkampfveranstaltung gewesenโ€œ.

Im Nachgang beklagten sich nicht wenige Teilnehmer, dass sie erwartet hรคtten, dass mehr diskutiert wรผrde โ€“ vor allem mit dem Ministerprรคsidenten, dies sei auch zugesagt gewesen. Doch mehr als 1:30 Stunde hatte der Ministerprรคsident nicht mitgebracht.

Positiv blieb dennoch, dass das Format noch einiges Neues fรผr Interessierte ergab und mit Verbesserungen gern eine zweite Runde vertragen kรถnnte. Doch die Skepsis blieb, was nun mit den Ergebnissen passieren wรผrde.

Was dazu fรผhrte, dass man dem โ€“ aus Zeitnotgrรผnden ob der vielen Termine โ€“ im BMW davoneilenden Ministerprรคsidenten eine gute Lektรผre der gebรผndelten Vorschlรคge wรผnschte. Diese mรถchten รผbrigens die die Veranstaltung finanzierende Staatskanzlei und der mitorganisierende Landesschรผlerrat schnellstmรถglich als PDF im Netz verรถffentlichen.

Fridays for Future denkt nun darรผber nach, eine wirklich offene Debatte zum Thema zu veranstalten. Doch vorher wird es erstmal wieder konkreter. Fridays for Future Leipzig und ADFC Leipzig rufen gemeinsam zur Demonstration am Hauptbahnhof Leipzig vom Freitag, 28. Juni (21 Uhr) bis zum Sonntag, 30. Juni (21 Uhr) auf. Dann gehts um den Radweg an einer Hauptschlagader der Stadt. Es beginnt mit einer Fahrrad-Demo am 28. Juni ab 18 Uhr auf dem Augustusplatz.

Micha allein zu Haus: Letzter Ausweg โ€žKlimakonferenzโ€œ ohne alle + Update

Micha allein zu Haus: Letzter Ausweg โ€žKlimakonferenzโ€œ ohne alle + Update

So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:

Michael Freitag รผber einen freien Fรถrderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar