Auch nachdem von 2015 bis jetzt der zweite Untersuchungsausschuss zum NSU, der diesmal unter dem Titel „Neonazistische Terrornetzwerke in Sachsen“ fungierte, getagt hatte, kommen die beiden Regierungsfraktionen zu der nicht wirklich plausiblen Einschätzung, es habe kein staatliches Versagen gegeben.
Am Dienstag, 4. Juni, hat der Untersuchungsausschuss seinen Bericht mit den Stimmen der Koalition verabschiedet, der mögliches staatliches Versagen Sachsens ermitteln sollte. Im Juli wird er auf der Tagesordnung des Landtagsplenums stehen.
„Die knapp fünfjährige Untersuchung im Sächsischen Landtag zeigte, dass es kein staatliches Versagen beim Thema NSU gab“, zeigte sich der Obmann der CDU-Fraktion, Steve Ittershagen, sicher. „Damals bestandene Schwächen bei den Ermittlungsbehörden, wie zum Beispiel deren institutionenübergreifende Zusammenarbeit innerhalb des Freistaates wie auch mit anderen Ländern und dem Bund, wurden behoben. Heute sind wir uns alle bewusst, dass die staatlichen Akteure wie auch die Zivilgesellschaft beim Thema Rechtsextremismus sensibel hinschauen muss, um Tendenzen schon im Anfangsstadium zu erkennen.“
Und auch die Obfrau der SPD-Fraktion, Sabine Friedel, meinte am Montag, Sicherheitsbehörden wurden vor allem durch die Zivilgesellschaft gestärkt: „Jugendarbeit, Politische Bildung und das Engagement gegen Rechtsextremismus und Hassgewalt werden gefördert und langfristig unterstützt. Unser Land ist wachsam geworden, das ist gut. Menschenrechte und die Demokratie zu verteidigen, ist eine staatliche und gesellschaftliche Aufgabe gleichermaßen. Dazu gehört die konsequente Verfolgung rechtsextremer Straftaten ebenso wie ein entschiedenes Eintreten aller für eine friedliche und weltoffene Gesellschaft.“
Eine Auffassung, die weder die Linksfraktion noch die Grünen teilen können. Die demokratische Opposition legte dazu einen eigenen, umfangreichen Abschlussbericht vor. Er bilanziert ausführlich die Ergebnisse der Beweisaufnahme und zeigt unter anderem, dass der „Verfassungsschutz“ bei der Suche nach dem untergetauchten „Trio“ Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe versagt hat.
Und dabei wurden in den rund vier Jahren 70 Zeuginnen und Zeugen vernommen sowie mehr als anderthalbtausend Aktenbände ausgewertet. Und das alles zeigte eben gerade nicht, dass die Behörden eine ordentliche Arbeit gemacht haben.
„Die entscheidende Frage, wie es möglich sein konnte, dass drei gesuchte Neonazis vor den Augen der sächsischen Behörden untertauchen und Sachsen über zehn Jahre als Rückzugs- und Ruheraum nutzen konnten, möchte ich nach sieben Jahren Aufklärung und zwei Untersuchungsausschüssen in Sachsen wie folgt beantworten: Es war die organisierte Verantwortungslosigkeit, die fehlende Kompetenz, die Unbeständigkeit und das Desinteresse beim Landesamt für Verfassungsschutz, das trotz konkreter Hinweise zur Gefährlichkeit des NSU-Trios und begangener Straftaten in seiner geheimdienstlichen Kleinstaaterei verharrte und auf seinem Wissen zum fragwürdigen Schutz fragwürdiger Quellen sitzenblieb“, bringt Valentin Lippmann, Obmann der Grünen-Fraktion im NSU-Untersuchungsausschuss, das Ergebnis aus seiner Sicht auf den Punkt.
„Es waren sächsische Polizeibedienstete die viel zu sehr Dienst nach Vorschrift machten und die nicht in der Lage waren, über den jeweiligen Tellerrand ihrer Ermittlungen zu blicken und in größeren Zusammenhängen zu denken. Und es war für alle in Sachsen agierenden Behörden, Amtsträgerinnen und Amtsträger oder kommunalen Vertreterinnen und Vertreter offenbar undenkbar, dass rechtsterroristische Mörderinnen und Mörder Sachsen als Rückzugs- und Ruheraum mit einem dichten Unterstützernetzwerk nutzten.“
Denn – so stellt Lippmann fest – Rechtsextremismus wurde in Sachsen über Jahre unterschätzt oder ignoriert.
Aber haben Sachsens Behörden wenigstens nach Öffentlichwerden des „NSU“ etwas gelernt und ihre Arbeit verändert? Haben sie wenigstens nachträglich zur Aufklärung beigetragen?
Die Antwort lautet tatsächlich: Nein.
„Zusätzlich hat sich der Untersuchungsausschuss auch mit der Frage des Umgangs mit dem NSU-Komplex nach dem Bekanntwerden der Verbrechen beschäftigt. Im Fokus stand hier die Frage, inwieweit sächsische Behörden dazu beigetragen haben, dass sich die Aufklärung der Verbrechen des NSU und des behördlichen Agierens verzögert hat oder dies dadurch maßgeblich erschwert wurde. Prominentestes Beispiel waren die Aktenvernichtungen im Landesamt für Verfassungsschutz und der Umgang mit dem 2012 ergangenen Löschmoratorium“, stellt Lippmann fest.
„Wir konnten hierbei keine gezielte Behinderungen der Aufklärung oder Ermittlungen feststellen, allerdings führten auch hier Nachlässigkeit, mangelndes Problembewusstsein, Desinteresse, Dienst nach Vorschrift und Führungsversagen zu erheblichen Behinderungen der Aufklärung. Ob mit der fortgesetzten Aktenlöschung beim Landesamt für Verfassungsschutz bis Juli 2012 auch Akten mit NSU-Bezug vernichtet wurden, ließ sich nicht mehr feststellen.“
Keine Kommentare bisher
„Die knapp fünfjährige Untersuchung im Sächsischen Landtag zeigte, dass es kein staatliches Versagen beim Thema NSU gab“
Da könnt man denken, typisch CDU, aber dass die SPD da mitmacht – wer soll denen das denn abnehmen? Wenn das kein Versagen war, was dann? Absicht? Es gibt nur diese zwei Möglichkeiten.
Man muss doch kein Kriminalist sein, um die ganzen Widersprüche und Ungereimtheiten zu erkennen, der ganze NSU-Fall ist von vorne bis hinten voll davon. Jede Antwort wirft haufenweise neue Fragen auf.
Also ich fühl mich davon schon etwas verarscht. Wenn das ein Film wär, die Story wär sogar für RTL2 zu unglaubwürdig.