Irgendwie ist die Botschaft angekommen. Auch bei den Bauern. Der Deutsche Bauernverband hat am Freitag, 17. Mai, den Aktionstag „Wir machen das Land bunter“ ausgerufen, um auf den engen Zusammenhang von Artenschutz und Landwirtschaft aufmerksam zu machen. Keine andere Branche ist so sehr auf natürliche Bestäuber angewiesen wie die Landwirtschaft, stellt auch das sächsische Landwirtschaftsministerium fest.
Und der Landwirtschaftsminister nutzte die Gelegenheit, wieder eine ellenlange Liste von Förderprogrammen aufzumachen, von denen er meint, dass damit der Artenschutz im Allgemeinen und der Insektenschutz im Besonderen vorankäme in Sachsen:
So würden etwa „durch die Einführung des ‚Greenings‘ nicht unbedeutende Leistungen für die Biodiversität und den Insektenschutz erbracht. Als Teil des Greenings dienen beispielsweise die sogenannten Ökologischen Vorrangflächen den Klima- und Umweltschutzzielen und werden weitgehend ohne Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln bewirtschaftet. In Sachsen waren dies für das Antragsjahr 2018 rund 80.000 Hektar, also insgesamt rund zehn Prozent des sächsischen Ackerlandes.
Der Freistaat Sachsen bietet darüber hinaus den sächsischen Landwirten zahlreiche weitere freiwillige Maßnahmen an, um die Artenvielfalt in Sachsen zu erhalten. Für den Erhalt der heimischen Insektenwelt werden beispielsweise Blühstreifen (rund 2.700 Flächen mit etwa 11.100 Hektar) oder Bracheflächen (über 1.000 Flächen mit etwa 4.300 Hektar) in der Agrarlandschaft nach der Richtlinie ‚Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen‘ gefördert. Dafür wurden für die Bewirtschaftung im Jahr 2018 circa 12,4 Millionen Euro an europäischen und sächsischen Fördermitteln ausgereicht.
Bei der Grünlandpflege und Bewirtschaftung im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen wird die Integration von ungenutzten Altgrasstreifen als Rückzugsorte für die Insekten zugelassen. Insgesamt bewirtschaften die Landwirte im Freistaat rund 111.000 Hektar Acker- und Grünland nach der Richtlinie ‚Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen‘ des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft. Hinzu kommen Maßnahmen auf weiteren Flächen, die zum Erosions- und Gewässerschutz beitragen. Mit einem aktuellen Forschungsvorhaben des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie zum ‚Zielorientierten Einsatz von Blühmischungen für die sächsische Agrarlandschaft‘ soll die Förderung von Wildbienen und anderen Insekten noch effektiver gestaltet werden.“
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Das „noch effektiver“ klingt so, als würde es in Sachsen schon einen wirksamen Insekten- und Bienenschutz geben.
Kein Insektenschutz auf 88 Prozent der Fläche
Aber 111.000 Hektar, auf denen überhaupt schon etwas passiert, sind zu wenig bei 900.900 Hektar (ha) landwirtschaftlich genutzter Fläche insgesamt. Dann passiert eben doch nur auf 12 Prozent der Fläche ein bisschen Zugeständnis an die realen Bedürfnisse der verdrängten Tiere und Insekten, während auf den restlichen 88 Prozent weiter riesige Ackerflächen ohne Biotop-Inseln, Grünstreifen und irgendein Zugeständnis an die in Not geratene Natur beackert werden, mit viel Dünger, mit Herbiziden, mit riesigen Flächen aus Monokulturen.
Erst wenn man das weiß, lässt sich die seltsame Aussage von Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) einordnen: „Aber Geld allein kann nicht alle Aufgaben lösen. Entscheidend ist das Wissen und das Wollen der Landbewirtschafter – dieses Wollen kann nicht verordnet werden. Hier ist oft ein Gespräch am Feldrand oder zum Feierabend hilfreich.“
Aber nach fünf Jahren Amtszeit muss er eigentlich feststellen, dass das „Gespräch am Feldrand“ fast nichts gebracht hat.
Und dafür erntet er logischerweise Kritik von den Grünen. Denn eine Regierung, die auf solche unverbindlichen Gespräche setzt, erreicht logischerweise kein einziges Schutzziel.
Nicht mal die Blühstreifen sind sicher
„Guten Morgen, Herr Umweltminister! Ich freue mich, dass Sie nun den engen Zusammenhang von Artenschutz und Landwirtschaft erkannt haben. Es ist tatsächlich so, dass gerade die Landwirtschaft auf natürliche Bestäuber angewiesen ist. Deshalb ist der Insektenschutz auch für die Landwirtschaft von existenzieller Bedeutung. Wir Grüne erkennen diesen Erkenntnisprozess ausdrücklich an“, sagt Wolfram Günther, Fraktionsvorsitzender und umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag.
„Es braucht allerdings keine Appelle ans Gewissen der Landwirtinnen und Landwirte, sondern endlich langfristige Programme für Blühstreifen in der Landwirtschaft. Der Glaube, das Bienensterben mit Appellen und einzelnen freiwilligen Maßnahmen zu stoppen, wird zum Scheitern verurteilt sein. Wir brauchen Programme für mehrjährige Blühstreifen, die den Landwirtinnen und Landwirten einen attraktiven Anreiz setzen, sich mit dem Thema Blühstreifen auseinanderzusetzen. Nur dann wird das Insektensterben politisch angegangen und nicht mehr mit Appellen den Landwirten übergeholfen.“
Denn was Schmidt so gelobt hat, hat in Sachsen keine belastbare Grundlage: Die aktuelle Förderpraxis für Blühstreifen führt zu einem großen Teil im Freistaat Sachsen dazu, dass mit Ende der Blühperiode im Herbst eines jeden Jahres die Blühstreifen und -flächen wieder entfernt und damit der Lebensraum für Insekten zerstört wird.
Die meisten Umweltziele sind nur solche symbolischen Akte. Von einem systematischen Ausbau geschützter Feldraine, Wiesen, Hecken und Biotop-Brücken ist Sachsen meilenweit entfernt. Es existiert auch kein Landesprogramm mit klaren Ausbau- und Förderzielen dazu. Man verlässt sich einfach auf die Fördergelder der EU, ohne selbst daran zu arbeiten, die Grundlagen der Landwirtschaft in Sachsen – von den wertvollen Ackerböden bis zu den Bestäubern – zu erhalten. Und gegen ein fundiertes Insektenmonitoring hat sich Schmidt ja sowieso verwahrt.
Auf Antrag der Grünen im Sächsischen Landtag wird die Artenvielfalt Thema einer Aktuellen Debatte am 24. Mai (TOP 2) unter dem Titel „Froschlöffel und Kratzdistel, Hochmoor-Gelbling und Wildkatze retten – die Warnung des Weltbiodiversitätsrates gilt auch für Sachsen“.
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